Knut Pries. Die Operation „Juncker for President“ ist angelaufen. Martin Schulz und seine Sozialdemokraten haben sich damit abgefunden, dass der Luxemburger EU-Veteran als Sieger der Europawahlen nach dem Amt des Brüsseler Kommissionschefs greifen darf. Doch der Weg ist noch lang.

Es hat gedauert, aber dann hat er es geschluckt: Martin Schulz, Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten, hat akzeptiert, dass seine Partei die Europa-Wahl nicht gewonnen hat. Dass somit der Hauptrivale Jean-Claude Juncker von den Christdemokraten (Europäische Volkspartei – EVP) den Aufschlag machen darf, um von der neuen Volksvertretung für die Nachfolge des abtretenden Portugiesen Jose Manuel Barroso nominiert zu werden. Am Dienstag setzte sich die EU-Maschinerie langsam in diese Richtung in Bewegung.

Der Auftakt verlief unspektakulär. Die Vorsitzenden der Fraktionen traten zusammen, warfen einen Blick in den EU-Vertrag und erklärten sich anschließend mehrheitlich bereit zu tun, was dort von ihnen verlangt wird: gemeinsam mit dem Europäischen Rat (ER) der Staats- und Regierungschefs und unter Berücksichtigung des Wahlergebnisses den künftigen Präsidenten der EU-Kommission auszugucken. „Der Kandidat der größten Fraktion, Herr Jean-Claude Juncker, wird als erster versuchen, die erforderliche Mehrheit (im Parlament) zu bilden“, erklärte die Runde.

Sozialdemokraten wollen Zugeständnisse

Die scheidenden Chefs der beiden größten Fraktionen, Joseph Daul (EVP) und Hannes Swoboda (Sozialdemokraten – S+D) sollen den Kontakt zum ER-Präsidenten Herman Van Rompuy halten. Unter dessen Vorsitz befassten sich Angela Merkel und ihre Kollegen am Abend mit den anstehenden politischen Prioritäten und personellen Fragen.

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Die Sozialdemokraten verlangen für die Unterstützung des EVP-Vormanns Zugeständnisse: Investitionen in Arbeitsplätze und Wachstum, ein Einwanderungskonzept, mehr Integrationspolitik, Maßnahmen gegen Steuerflucht. „Nur wenn Jean-Claude Juncker ein Programm vorlegt, das den Bedürfnissen und Sorgen der EU-Bürger gerecht wird, kann er die Unterstützung der S+D-Fraktion bekommen“, meinte Swoboda. Auch die Grünen stellen Forderungen: die Freihandelsgespräche mit den USA stoppen, eine „Energie-Union“ aufbauen, die Finanzmärkte strenger regulieren.

Führungspositionen

Angesichts des Erstarkens der EU-Gegner an den Rändern des EP müssen Verabredungen zwischen linker und rechter Mitte besonders verlässlich sein. Das heißt auch: die knapp geschlagenen Sozialdemokraten in Führungspositionen einbinden. Swoboda forderte für Schulz „eine starke Position in der Kommission“. Denkbar auch, dass er die Britin Catherine Ashton an der Spitze des Auswärtigen Dienstes beerbt oder erneut Parlamentspräsident wird – dann aber mit einem Mandat für volle fünf Jahre. Erstmal will er freilich von diesem Amt zurücktreten, um sich am 18. Juni zum Chef der S+D-Fraktion wählen zu lassen.

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Unterdessen kommt die Gegen-Operation „Stoppt Juncker“ ebenfalls ins Rollen. Der britische Premier David Cameron und sein ungarischer Amtsbruder Viktor Orban machen offen Front gegen den Ex-Kollegen aus Luxemburg. Cameron erklärte in Brüssel: „Wir brauchen einen Wandel … Wir brauchen Leute an der Spitze, die das begreifen und ein Europa bauen, das sich um Offenheit, Wettbewerbsfähigkeit und Flexibilität kümmert, nicht um die Vergangenheit!“. Er und Orban sind allerdings Außenseiter im Europa-Club. Der Brite, weil sein Land am Rande des EU-Austritts steht, der nationalpopulistische Ungar, weil er sich wenig um europäische Vorstellungen von Demokratie und Rechtsstaat schert.