Brüssel/Essen. . Mit knapp 80 Milliarden Euro ist es das weltweit größte öffentlich finanzierte Förderprogramm für die Forschung. Universitäten und Unternehmen aus NRW haben gute Chancen von diesen EU-Geldern zu profitieren. Für viele Forschungsprojekte an Rhein und Ruhr sind die Millionen aus Brüssel unentbehrlich.

Katzenjammer in der Schweiz, Vorfreude in Deutschland. Als Konsequenz aus dem Schweizer Volksentscheid zur Begrenzung der Zuwanderung ist nun erst mal Schluss mit dem Zugang zu EU-Subventionen für Forschung, Studentenaustausch und Entwicklung. Freizügigkeit sei keine Einbahnstraße, eine „Rosinenpickerei“ dürfe es nicht geben, hieß es in Brüssel.

Die Folge: Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und der Schweiz über das milliardenschwere Forschungsabkommen „Horizont 2020“ und das Studentenaustauschprogramm „Erasmus plus“ liegen auf Eis.

Das weltweit größte Förderprogramm

Im Schweizer Wissenschaftsbetrieb herrscht Bestürzung über die Entscheidung der EU, denn es drohen herbe Einbußen. Profitieren davon werden unter anderem Hochschulen und Betriebe in NRW.

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Denn jetzt beginnen die Ausschreibungen für das neue EU-Förderprogramm „Horizont 2020“, das mit knapp 80 Milliarden Euro ausgestattet ist. Damit ist es das weltweit größte durch öffentliche Gelder finanzierte Rahmenprogramm für Forschung und Innovation und zudem der drittgrößte Finanzposten im Haushalt der EU. Aus dem Vorgängerprogramm (2007 bis 2013), das rund 54 Milliarden Euro schwer war, flossen laut EU-Kommission in diesem Zeitraum rund 1,8 Milliarden Euro in die Schweiz.

1,5 Milliarden pro Jahr

Nun sind die Weichen für eine Verteilung der Mittel neu gestellt. Es ergebe sich die realistische Chance für deutsche Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen, bis 2020 jedes Jahr insgesamt rund 1,5 Milliarden Euro aus Brüssel einzuwerben, erklärt das Berliner Wissenschaftsministerium.

Wie viel Geld es letztlich sein wird, lässt sich noch nicht absehen, denn anders als etwa bei der EU-Strukturpolitik gibt es keine festen Zuweisungen an die Mitgliedsstaaten. Wer wie viel bekommt – das hängt allein von der Qualität der Bewerbungen ab. Die neuen Vergaberichtlinien dürften indes gerade NRW-Bewerbern entgegenkommen, meinen Brüsseler Experten.

Wie NRW davon profitiert

Wie wichtig die Fördergelder der EU für Wissenschaft, Forschung und Fortschritt auch für NRW sind, zeigen die Erfahrungen mit dem vorigen „7. Forschungsrahmenprogramm“ der EU. Über eine Milliarde Euro überwies Brüssel zwischen 2007 und 2013 nach Nordrhein-Westfalen, davon gingen 430 Millionen Euro an die Hochschulen. Sie waren damit deutlich erfolgreicher als die Unternehmen im Land, die für Forschungsprojekte 240 Millionen erhielten.

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Spitzenreiter bei den Hochschulen war die Uni Aachen, die insgesamt 90 Millionen Euro einwerben konnte, gefolgt von der Uni Münster (50 Millionen). An die Unis Duisburg-Essen und Bochum flossen jeweils 32 Millionen Euro, Dortmund erhielt 27 Millionen aus dem EU-Topf. Damit lagen die Revier-Unis deutlich vor ihrer größeren Schwester Köln, die 23 Millionen Euro einwerben konnte.

Licht, Strom und Wasser: Was im Ruhrgebiet geforscht wird

Da ist zum Beispiel Anja-Verena Mudring, die an der Ruhr-Uni Bochum nach Alternativen zu herkömmlichen Leuchtstoffen sucht, die ohne den teuren Rohstoff „Seltene Erden“ auskommen. Ihr Projekt, an dem zwölf Forschungseinrichtungen und Firmen beteiligt sind, erhielt dafür 3,6 Millionen Euro.

Oder Christian Rehtanz von der TU Dortmund. Sein Team will die Stromnetze für die Anforderungen der schwankenden Produktion aus Wind und Sonne fit machen – ein Schlüsselprojekt für die Energiewende. Dafür gibt es über vier Millionen Euro.

Bei Daniel Hering (Uni Duisburg-Essen) steht die Renaturierung von Gewässern im Mittelpunkt. Er und weitere europäische Forscher wollen die biologische Vielfalt europäischer Bäche und Flüsse sichern oder wiederherstellen. Knapp sieben Millionen Euro fließen dafür. Beispiele für Projekte in der Region, die ohne das Geld aus Brüssel unmöglich wären.