Essen. Die Forschung an Universitäten hängt immer mehr von Drittmitteln der Industrie ab. Daher weigern sich die Hochschulen, ihre Forschungsaufträge offenzulegen, wie es die geplante Hochschulreform vorsieht. Rückenwind kriegen die Unis von der Industrie. Sie droht: Kommt die Reform, ziehen wir unser Geld ab.

In ihrem Kampf gegen die Pläne der rot-grünen Landesregierung bekommen die Hochschulen unerwartet starke Rückendeckung durch die Wirtschaft. Nach den Warnungen des Bundesverbandes der Industrie (BDI) hat sich nun auch der Verband der mittelständischen Wirtschaft zu Wort gemeldet. Sie fordern Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) auf, den Entwurf zum „Hochschulzukunftsgesetz“ zurückzunehmen.

Konkret geht es um den Umgang mit Drittmitteln aus der Industrie. Mit diesen Geldern sollen Hochschulen bestimmte Forschungsfragen bearbeiten. Die Landesregierung will, dass in Zukunft die Öffentlichkeit schon bei Forschungsbeginn informiert wird, wer welches Vorhaben mit wie viel Geld und zu welchem Zweck finanziert.

Betriebe fordern Schutz

Wenn es dazu kommt „werden wir in anderen Bundesländern forschen“, warnte BDI-Präsidiumsmitglied Arndt Kirchhoff. Der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft, der mehr als 160.000 Unternehmen vertritt, schließt sich den Mahnungen an. Müssten Forschungsprojekte veröffentlicht werden, profitiere davon die Konkurrenz. Kein Betrieb werde dieses Risiko eingehen. „Im Wirtschaftsleben muss stets gewährleistet sein, dass Unternehmen, die forschen und Geld in die Hand nehmen, besonderen Schutz genießen“, sagt Herbert Schulte, Landesgeschäftsführer des Verbands.

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Seit langem sorgt das Thema Transparenz für Streit. Die Sorge der Kritiker ist, dass externe Geldgeber verstärkt Einfluss auf Forschung und Lehre der Hochschule nehmen könnten, deren Freiheit im Grundgesetz verankert ist.

Tatsächlich werden bundesweit 660 Stiftungslehrstühle von Geldgebern mit eigenen Interessen finanziert. Der Kooperationsvertrag zwischen der Uni Köln und dem Pharmariesen Bayer war sogar Gegenstand eines langen Rechtsstreits. Die Kläger wollten die Offenlegung des 2008 geschlossenen Vertrags erzwingen und so verhindern, dass die Forschung der Uni rein wirtschaftlichen Zielen dient. Ende 2012 lehnte das Verwaltungsgericht Köln die Klage ab: die Uni sei nicht zur Offenlegung verpflichtet. Dies garantiere eine Ausnahmeregelung im Informationsfreiheitsgesetz des Landes.

Die Unis mauern

Als bekannt wurde, dass das US-Pentagon und andere Verteidigungsministerien mit Millionensummen Auftragsforschung an deutschen Hochschulen bezahlen, kochte die Debatte erneut hoch. Die meisten der betroffenen Hochschulen schweigen sich darüber aus. So ließ die RWTH Aachen mitteilen, dass sie „keine Auskünfte zu Forschungspartnern und Drittmittelprojekten erteilt“. Punktum.

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Von Tobias Blasius und Christopher Onkelbach

Ministerin Schulze will das nicht länger hinnehmen, Zweck und Inhalt der Forschung müsse für die Öffentlichkeit erkenn- und nachvollziehbar sein. Kai Gehring, Bundestagsabgeordneter der Grünen, betont: „Wir fordern seit langem, dass Hochschulen die Eckdaten aller Drittmittelprojekte offenlegen.“

Volker Meyer-Guckel vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft rät indes zur Vorsicht: „Der Wunsch nach Transparenz ist verständlich, doch kommt es auf die Ausgestaltung an.“ Kein Unternehmen werde Forschungsaufträge vergeben, wenn vorab jedes Detail beschrieben werden müsse. „Die Industrie wird sich neue Partner suchen, leiden werden darunter die Hochschulen.“

„Machen Sie ein neues Gesetz“

Wie wichtig Drittmittel sind, zeigt das Beispiel der Ruhr-Universität Bochum: Vom Gesamtetat von 466 Millionen Euro stammen rund 107 Millionen aus Drittmitteln, davon kamen 2012 etwa 22 Millionen aus privaten Quellen. Würden diese Mittel ausfallen, seien allein an der Ruhr-Uni etwa 200 Wissenschaftler- sowie 40 Techniker-Stellen bedroht, rechnet Rektor Elmar Weiler vor.

In NRW würden demnach insgesamt einige Tausend hoch qualifizierte Arbeitsplätze wegfallen. Weiler: „Wissenschaftler, die angewandt forschen wie etwa Maschinenbauer und Ingenieure, werden den Aufträgen hinterher reisen.“ Dies bedrohe den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort NRW. Auch er fordert die Ministerin auf, das Gesetz zu überarbeiten: „Machen Sie ein neues – mit Beteiligung der Experten.“