Essen. . Das neue “Hochschulzukunftsgesetz“ der rot-grünen Landesregierung in NRW erntet deutliche Kritik von Hochschul-Rektoren. Wissenschaftsminister Svenja Schulze will damit Regelungen der früheren schwarz-gelben Landesregierung kassieren und die Hochschulen stärker unter Kontrolle stellen.
Dass sie Kritik ernten würde, war Ministerin Svenja Schulze (SPD) von Beginn an klar. Dennoch war sie überzeugt, dass die Gespräche mit den Rektoren im Vorfeld die Wogen geglättet hätten. „Wir haben drei Jahre breit diskutiert und uns aufeinander zubewegt“, sagte Schulze der WAZ.
Was ist denn da passiert?
Grund für die Eiszeit ist die Novelle des Hochschulgesetzes. Nach Ansicht der Betroffenen markiert der bereits vom rot-grünen Kabinett gebilligte Entwurf eine Zeitenwende in der Hochschulpolitik des Landes. Das Gesetz soll bereits nächsten Herbst in Kraft treten. Damit will Schulze die Hochschulen wieder stärker unter Aufsicht stellen, das Studienangebot landesweit koordinieren und Rahmenvorgaben für die Etat- und Personalplanung einführen. Kurz: Das Land will stärker in die Steuerung der Hochschulen eingreifen.
Autonomie bedroht
Die Professoren wollen sich indes die Freiheit, die sie 2007 unter dem liberalen Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart erhalten haben, nicht wieder nehmen lassen. Svenja Schulze aber hält die schwarz-gelbe Hinterlassenschaft nicht für zukunftsfähig. Dass sie das liberale „Hochschulfreiheitsgesetz“ ihres Vorgängers zumindest in Teilen wieder kassieren würde, galt vielen als sicher. Ihre Reform entspricht zwar dem, was die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag festhielten, doch passt es eben nicht zu der Kernbotschaft, die Hochschulrektoren und -experten seit Jahren predigen: Autonomie.
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Ursula Gather, Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz, sagt unserer Redaktion: „Wir sind sehr enttäuscht. Die Hochschulen haben in den letzten Jahren Unglaubliches geleistet. Das kann doch jetzt nicht die Quittung für unsere Bemühungen sein.“ Sie meint vor allem die Bewältigung des doppelten Abiturjahrgangs.
Nun wieder Verordnungen, Vorgaben und Verträge?
Seit 2002 seien die Studierendenzahlen um 44 Prozent gestiegen, die Zahl der Absolventen wurde fast verdoppelt. Für Forschungsprojekte hätten die NRW-Hochschulen von externen Geldgebern 931 Millionen Euro eingeworben, eine Steigerung seit 2006 um 326 Millionen Euro. Dies seien Belege dafür, wie segensreich die Freiheit für die Hochschulen bisher gewirkt habe. An ihre Stelle sollen nun wieder Rechtsverordnungen, Rahmenvorgaben und Verträge treten. Gather befürchtet, dass die Reform den Forschungs- und Industriestandort NRW schwächen wird: „Das wird Kräfte lähmen und ist ein Weg zurück.“
Trotz Globalhaushalt und Finanzautonomie habe man das Geld nicht zum Fenster rausgeworfen, sondern Gebäude errichtet, Studienplätze geschaffen und Personal eingestellt. „Wir gehen verantwortungsvoll mit unseren Mitteln um“, so Gather. Eine zentralisierte Steuerung durch das Land könne das nicht besser. Es gehe darum, keine „nachgeordnete Behörde des Landes zu werden, sondern flexibel, weltoffen und erfolgreich zu bleiben“.
Auch den Hinweis der Ministerin, die Regierung müsse für eine ausgewogene Fächervielfalt im Land sorgen, lässt die Rektorin nicht gelten: „Wir bilden die Vielfalt der Fächer ab, es gibt keine Fehlentwicklungen.“ Dass es etwa an Berufsschullehrern mangele, wie die Ministerin beklagt, liege nicht an den Unis, es gebe genügend Studienplätze. „Das Berufsbild ist nicht attraktiv genug.“
„Ein einziger Affront“
Andere stimmen in die Kritik ein. Das Gesetz sei „unnötig, kontrollversessen und letztlich falsch“ kritisieren die zwölf NRW-Studentenwerke die Pläne. „Der Gesetzentwurf ist ein einziger Affront. Uns Studentenwerken wird kollektiv das Misstrauen ausgesprochen“, sagt Günther Remmel, Sprecher der NRW-Studentenwerke. „Keine einzige der geplanten Änderungen macht aus unserer Sicht Sinn.“
Und selbst unter den Studierenden ist das Echo geteilt: Während der Kölner Asta noch positive Aspekte hervorhebt, äußert sich der Asta der Uni Duisburg-Essen „erbost“ über den Referentenentwurf. Dies sei kein Freiheits-, sondern ein „Entmündigungspapier“.