Simferopol/Kiew/Rostow. Der entmachtete ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch beharrt weiter darauf, Anspruch auf das Präsidentenamt in der Ukraine zu haben. Außerdem machte er auf einer Pressekonferenz den Westen für die Krise in dem Land verantwortlich. Unterdessen bleibt die Lage auf der Krim angespannt.

Der entmachtete ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch hat seinen Anspruch auf das Präsidentenamt erneut bekräftigt. Er sei "nicht abgesetzt" worden, sondern habe das Land nach Drohungen verlassen, sagte Janukowitsch am Freitag bei einer Pressekonferenz im russischen Rostow am Don, bei der er sich das erste Mal seit seiner Flucht aus der Ukraine öffentlich zeigte. Er werde weiter "für die Zukunft der Ukraine kämpfen".

Weiterhin machte er den Westen für die Krise in der Ukraine verantwortlich. Dieser habe der Opposition auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew nachgegeben, sagte Janukowitsch. Er habe auf den Anstand der westlichen Vermittler vertraut, als er das Abkommen mit der Opposition unterschrieben habe. "Gesetzlosigkeit, Terror, Anarchie und Chaos" seien die Folge.

Flughäfen angeblich wieder unter Kontrolle der Behörden

Unterdessen befinden sich die von prorussischen Milizen besetzten Flughäfen auf der Krim nach Angaben der Sicherheitsdienste in Kiew wieder unter Kontrolle der ukrainischen Behörden. Das gab der Chef des Nationalen Sicherheitsrates, Andrij Parubij, am Freitag im Fernsehen bekannt.

In der Nacht zum Freitag war der Flughafen von Simferopol vorübergehend besetzt worden. Auch der Militärflughafen bei Sewastopol stand unter der Kontrolle der Milizen. Nach Angaben von Innenminister Arsen Awakow handelte es sich um russische Soldaten. Vertreter Russlands wiesen eine Verantwortung für beide Aktionen zurück.

In der autonomen Teilrepublik der Ukraine leben überwiegend ethnische Russen. Nach dem Umsturz in Kiew hatten sich dort die Spannungen zwischen prorussischen Gruppen und Unterstützern der neuen Regierung verschärft. Russland reagierte am Mittwoch mit einem Militärmanöver

Flughafen auf der Krim kurzzeitig von Bewaffneten besetzt

Nach der angeblichen Besetzung des Flughafens Simferopol auf der Halbinsel Krim durch Dutzende bewaffnete Männer war der Luftverkehr nicht beeinträchtigt. Flugzeuge würden wie geplant landen und abheben, zitierte die russische Staatsagentur Ria Nowosti eine Mitarbeiterin des ukrainischen Airports am Freitagmorgen.

Etwa 50 Menschen hatten ein Gebäude in der Nacht kurzzeitig besetzt. Sie hätten russische Fahnen dabei gehabt, sagte ein Flughafensprecher der Agentur Interfax. Wie der Sender Russia Today unter Berufung auf den Pressedienst des Flughafens im Kurznachrichtendienst Twitter berichtete, verließen die Eindringlinge das Gelände wieder, nachdem sie keine ukrainischen Soldaten angetroffen hätten. Sie hätten sich sogar entschuldigt, hieß es bei Russia Today.

Der ukrainische Innenminister Arsen Awakow hat erbost auf den Vorfall reagiert. Er warf Russland einen "militärischen Einmarsch und Besatzung" auf der Krim vor. Es seien Angehörige der auf der Halbinsel stationierten russischen Schwarzmeerflotte gewesen, die den Flughafen in Sewastopol blockiert hätten und sich zudem auf dem Gelände des Airports der Hauptstadt Simferopol aufhalten.

Das schrieb Awakow am Freitag bei Facebook. Keine Seite habe Waffen eingesetzt. Es handele sich um eine "direkte Provokation" auf dem Territorium eines unabhängigen Staates, betonte Awakow. Die Krim ist mehrheitlich von ethnischen Russen bewohnt.

Die russische Schwarzmeerflotte hat jedoch einem Bericht zufolge eine Beteiligung an der Besetzung des Militärflughafens bestritten. Die Soldaten seien nicht in das Gebiet um den Flughafen vorgedrungen und hätten es auch nicht blockiert, zitierte die russische Nachrichtenagentur Interfax am Freitag einen Militärsprecher.

Auf der Krim werden derweil Rufe nach einer Abspaltung von der Ukraine angesichts der Krise im Land immer lauter. Die Lage bereitet der internationalen Gemeinschaft Sorgen. Mit Spannung wird in der Ukraine derzeit auf neue Äußerungen von Ex-Präsident Viktor Janukowitsch gewartet.

Knapp eine Woche nach seiner Entmachtung will sich Janukowitsch am Freitag erstmals öffentlich zu Wort melden. Nach Berichten russischer Agenturen plant der 63-Jährige eine Pressekonferenz in der Stadt Rostow am Don. Am Wochenende war er vom Parlament in Kiew abgesetzt worden und geflohen. Janukowitsch beharrt darauf, dass er weiter der rechtmäßige Präsident sei. Die Beschlüsse des Parlaments seien rechtswidrig.

Forderungen nach einer Volksbefragung

Die prorussische Volksvertretung auf der Halbinsel Krim sprach sich derweil für eine Volksbefragung über die Autonomie der Region aus. "Durch die verfassungswidrige Machtübernahme in der Ukraine von radikalen Nationalisten und mit Unterstützung bewaffneter Banden sind Friede und Ruhe auf der Krim gefährdet", sagte eine Parlamentssprecherin. Die Mehrheit der Krim-Bewohner sind ethnische Russen.

Die neue Übergangsregierung in Kiew warnte ihren Nachbarn Russland vor Truppenbewegungen auf der Krim, die vor 60 Jahren der Ukraine zugeschlagen worden war. Interimspräsident Alexander Turtschinow erklärte: Sollten sich Soldaten der Schwarzmeerflotte in Sewastopol unangemeldet außerhalb der in Abkommen festgelegten Zonen bewegen, werde dies als "militärische Aggression" gewertet.

Das Land aus der Krise führen

In Kiew wählte das Parlament den 39 Jahre alten Arseni Jazenjuk zum neuen ukrainischen Regierungschef. Der Gefolgsmann von Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko soll das Land aus der schwersten Krise seit der Unabhängigkeit führen.

Die USA forderten Russland zur Zurückhaltung in der Ukraine-Krise auf. Verteidigungsminister Chuck Hagel sagte in Brüssel, die Vereinigten Staaten würden die Militär-Übungen an der ukrainischen Grenze sehr genau beobachten. "Ich erwarte von Russland Transparenz bei diesen Aktivitäten", sagte er. Zudem forderte er Moskau auf, "keine Schritte zu unternehmen, die falsch verstanden werden könnten oder zu falschen Einschätzungen führen könnten in einer sehr schwierigen Zeit, einer Zeit starker Spannungen".

Anstrengungen, den Staatsbankrott abzuwenden

Die USA und Deutschland wollen Russland in die internationalen Bemühungen um Finanzhilfen einbinden. "Wir werben darum, dass Russland sich an den wirtschaftlichen Stabilisierungsbemühungen beteiligt, weil niemand einen Vorteil davon hat, wenn dieses Land einem Bankrott entgegengeht", sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Washington. Die Ukraine brauche dringend internationale Unterstützung, um nicht "auf nächster Strecke auszutrocknen".

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen appellierte an Moskau, "nichts zu tun, was die Spannung verschärfen oder zu einem Missverständnis führen kann". Rasmussen sagte, die Nato habe "keine Informationen, die darauf hindeuten, dass Russland irgendwelche Pläne für ein militärisches Eingreifen hat".

Kampfflugzeuge an der Grenze zur Ukraine einsetzen

Russland kündigte an, im Rahmen eines großen Manövers auch seine Kampfbomber-Flotte im Westen des Landes sowie seine Flotte in der Ost- und in der Barentssee zu testen. Dabei würden etwa Kampfflugzeuge an der Grenze zur Ukraine eingesetzt. Die dortigen Luftstreitkräfte sind nach Angaben des Verteidigungsministeriums im Dauereinsatz. Dies habe nichts mit der Lage in der Ukraine zu tun, behauptete Moskau.

Jazenjuk beklagt die finanzielle Schlagseite der Ukraine. "Die Staatskasse ist leer. Es gibt Schulden von 75 Milliarden US-Dollar", sagte er. Das Gesamtvolumen von Zahlungsverpflichtungen liege aktuell bei 130 Milliarden US-Dollar.

IWF will Expertenteam schicken

Nach einer Bitte der Ukraine um Finanzhilfe will der Internationale Währungsfonds (IWF) ein Expertenteam entsenden. IWF-Chefin Christine Lagarde sagte am Donnerstag in Washington: "Wir sind bereit, zu antworten und werden in den kommenden Tagen ein Untersuchungsteam nach Kiew schicken, um mit den Behörden erste Gespräche zu führen."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigte ihre Bereitschaft, die Ukraine auf dem Weg zur Stabilität zu unterstützen. Europa stehe dem Land bei, "wenn es darum geht, Recht und Freiheit zu schützen", sagte Merkel in einer Rede vor dem britischen Parlament in London.

Die deutsche Wirtschaft sprach sich für rasche Finanzspritzen der Europäer und des IWF aus. Mit finanziellen Soforthilfen müsse erst einmal die Zahlungsunfähigkeit des Landes abgewandt werden, forderte der Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Rainer Lindner. (dpa/afp)

Janukowitschs Protz-Palast

Präsident Janukowitsch ist abgesetzt und abgetaucht...
Präsident Janukowitsch ist abgesetzt und abgetaucht... © dpa
....seine Erzrivalin Timoschenko macht klar, dass nun alle Entscheidungen über sie laufen...
....seine Erzrivalin Timoschenko macht klar, dass nun alle Entscheidungen über sie laufen... © Getty Images
...In Kiew übernimmt das Volk die Straßen...
...In Kiew übernimmt das Volk die Straßen... © Getty Images
P... - und in der Präsidentenresidenz öffnen die Wachen die Türen für Schaulustige.
P... - und in der Präsidentenresidenz öffnen die Wachen die Türen für Schaulustige. © Getty Images
Dieser
Dieser "Tag der offenen Tür" sprengt selbst die kühnsten Erwartungen der Ukrainer... © dpa
Edle Möbel, teure Oldtimer, exotische Tiere - überwältigt vom Glanz und Protz durchstreifen Tausende die Residenz Meschigorje des abgesetzten Präsidenten Viktor Janukowitsch. Sie durchstöbern die Schränke, fotografieren seine roten Unterhosen.
Edle Möbel, teure Oldtimer, exotische Tiere - überwältigt vom Glanz und Protz durchstreifen Tausende die Residenz Meschigorje des abgesetzten Präsidenten Viktor Janukowitsch. Sie durchstöbern die Schränke, fotografieren seine roten Unterhosen. "Witja hat bei der Flucht seine Brille vergessen", schreibt ein Schaulustiger spöttisch zu einem Bild aus dem sonst immer hermetisch abgeschotteten Anwesen... © dpa
Anstehen vor der Präsidenten-Villa...
Anstehen vor der Präsidenten-Villa... © Getty Images
Hals über Kopf muss Janukowitsch in der Nacht zum Samstag Meschigorje verlassen haben...
Hals über Kopf muss Janukowitsch in der Nacht zum Samstag Meschigorje verlassen haben... © Getty Images
... Einige Wachen, die geblieben sind, erzählen, dass mehrere gepanzerte Fahrzeuge in hohem Tempo aus der Einfahrt schossen, die ein schmiedeeisernes Tor im Stile einer Zarenresidenz schützt. ...
... Einige Wachen, die geblieben sind, erzählen, dass mehrere gepanzerte Fahrzeuge in hohem Tempo aus der Einfahrt schossen, die ein schmiedeeisernes Tor im Stile einer Zarenresidenz schützt. ... © Getty Images
...Dutzende Spezialkräfte und Leibwächter haben bisher jeden Blick auf Janukowitschs Villa verhindert...
...Dutzende Spezialkräfte und Leibwächter haben bisher jeden Blick auf Janukowitschs Villa verhindert... © Getty Images
Nun aber öffnen die neuen Herren aus den Reihen der oppositionellen Selbstverteidigungskräfte die Tore...
Nun aber öffnen die neuen Herren aus den Reihen der oppositionellen Selbstverteidigungskräfte die Tore... © Getty Images
...Und die Kiewer strömen in Scharen herbei. Kilometerweit staut sich am Sonntag der Verkehr zu der Residenz, keine 20 Kilometer nördlich der Hauptstadt...
...Und die Kiewer strömen in Scharen herbei. Kilometerweit staut sich am Sonntag der Verkehr zu der Residenz, keine 20 Kilometer nördlich der Hauptstadt... © Getty Images
Der Fuhrpark Janukowitschs erinnert an die Ausstattung eines arabischen Scheichs - oder auch an ein Museum. Kaum ein Modell, das es nicht gibt. Einen seltenen Luxuswagen vom Typ Horch soll Janukowitsch noch mitgenommen haben. ..
Der Fuhrpark Janukowitschs erinnert an die Ausstattung eines arabischen Scheichs - oder auch an ein Museum. Kaum ein Modell, das es nicht gibt. Einen seltenen Luxuswagen vom Typ Horch soll Janukowitsch noch mitgenommen haben. .. © dpa
...Vor den Autos und Motorrädern stehen Erklärungstafeln. Und wenn es einmal ein Ausflug auf dem Wasser sein sollte? Dafür standen in einer riesigen Halle mehrere Möglichkeiten bereit ...
...Vor den Autos und Motorrädern stehen Erklärungstafeln. Und wenn es einmal ein Ausflug auf dem Wasser sein sollte? Dafür standen in einer riesigen Halle mehrere Möglichkeiten bereit ... © dpa
...- von der riesigen Jacht bis zum spritzigen Motorboot. Ein großes Segelschiff auf einem See dient als Restaurant.
...- von der riesigen Jacht bis zum spritzigen Motorboot. Ein großes Segelschiff auf einem See dient als Restaurant. © dpa
Schon seit Jahren werfen Kritiker dem geflohenen Staatschef, seinen Söhnen und Vertrauten - der sogenannten
Schon seit Jahren werfen Kritiker dem geflohenen Staatschef, seinen Söhnen und Vertrauten - der sogenannten "Familie" - Korruption und Vetternwirtschaft vor.... © dpa
...Beim Blick auf das eigene Gewächshaus, die palastartigen Säle sowie den Privatzoo mit Straußen, Pfauen und Antilopen sehen sich viele Ukrainer bestätigt...
...Beim Blick auf das eigene Gewächshaus, die palastartigen Säle sowie den Privatzoo mit Straußen, Pfauen und Antilopen sehen sich viele Ukrainer bestätigt... © REUTERS
... Auf dem gutseigenen Golfplatz schwingen behelmte Barrikadenkämpfer lachend den Schläger. Familien posieren fürs Privatalbum.
... Auf dem gutseigenen Golfplatz schwingen behelmte Barrikadenkämpfer lachend den Schläger. Familien posieren fürs Privatalbum. © REUTERS
Doch die Schaulustigen, darunter viele Journalisten, finden noch mehr. Aus einem See fischen sie Dokumente, die offenbar eilig vernichtet werden sollten, und trocknen sie in einer Halle...
Doch die Schaulustigen, darunter viele Journalisten, finden noch mehr. Aus einem See fischen sie Dokumente, die offenbar eilig vernichtet werden sollten, und trocknen sie in einer Halle... © REUTERS
... Es sind Listen über horrende Ausgaben, viele sechsstellige Euro-Beträge sind aufgeführt - offenbar für Renovierungen und Angestellte.
... Es sind Listen über horrende Ausgaben, viele sechsstellige Euro-Beträge sind aufgeführt - offenbar für Renovierungen und Angestellte. © REUTERS
Aber es sind anscheinend auch Dokumente über Personen zu finden, die Janukowitsch als seine Gegner betrachtet...
Aber es sind anscheinend auch Dokumente über Personen zu finden, die Janukowitsch als seine Gegner betrachtet... © REUTERS
... So soll der Name von Tatjana Tschornowol auf einer Schwarzen Liste von Reportern stehen. Unbekannte hatten die investigative Journalistin Ende Dezember massiv verprügelt und lebensgefährlich verletzt...
... So soll der Name von Tatjana Tschornowol auf einer Schwarzen Liste von Reportern stehen. Unbekannte hatten die investigative Journalistin Ende Dezember massiv verprügelt und lebensgefährlich verletzt... © REUTERS
... Tschornowol wirft Janukowitsch vor, hinter der brutalen Attacke zu stecken.
... Tschornowol wirft Janukowitsch vor, hinter der brutalen Attacke zu stecken. © REUTERS
Besucher auf dem Gelände der Janukowitsch-Villa.
Besucher auf dem Gelände der Janukowitsch-Villa. © REUTERS
Natürlich, der Staatspräsident der Ukraine hat sich auf seinem Anwesen sogar ein schwimmendes Restaurant geleistet.
Natürlich, der Staatspräsident der Ukraine hat sich auf seinem Anwesen sogar ein schwimmendes Restaurant geleistet. © REUTERS
...Hier residierte mal ein Diktator...
...Hier residierte mal ein Diktator... © REUTERS
...nun schwingen Oppositionelle die Europa-Flagge.
...nun schwingen Oppositionelle die Europa-Flagge. © REUTERS
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