Washington. In letzter Minute hat der Kongress den drohenden Zahlungsausfall der USA abgewendet und ein mögliches Chaos an den Finanzmärkten verhindert. Beide Kammern stimmten in der Nacht für einen Gesetzentwurf, der eine Erhöhung des Schuldenlimits und einen Übergangsetat für die Regierung vorsieht.

Der mühsam ausgehandelte Finanzkompromiss des US-Kongresses ist in Kraft. Präsident Barack Obama unterzeichnete das Gesetz in der Nacht zum Donnerstag, wie das Weiße Haus in Washington mitteilte. Nach dem Senat hatte am Mittwochabend (Ortszeit) auch das Abgeordnetenhaus für einen Gesetzentwurf gestimmt, der eine Erhöhung des Schuldenlimits und einen Übergangsetat für die Regierung vorsieht.

Mit 285 zu 144 Stimmen gab die Kammer grünes Licht für den Kompromiss, den führende Senatoren beider Parteien nach wochenlangem Streit ausgehandelt hatten. Notwendig waren 216 Ja-Stimmen. Damit hat der Entwurf die letzte Hürde im Kongress genommen. Präsident Barack Obama hatte erklärt, das Gesetz so schnell wie möglich zu unterzeichnen und damit in Kraft treten lassen.

Einigung nur Stunden vor der Zahlungsunfähigkeit

Die Einigung kam nur wenige Stunden vor Ablauf der wichtigen Frist zur Anhebung des Schuldenlimits von derzeit 16,7 Billionen Dollar (12,3 Billionen Euro). Diese Obergrenze soll vorübergehend bis 7. Februar angehoben werden. Zudem soll ein Übergangsetat die Regierung bis zum 15. Januar finanzieren und die weitgehend stillgelegte Verwaltung wieder öffnen. Wegen des Notstands waren Hunderttausende Staatsbedienstete in Zwangsurlaub geschickt worden.

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Am Ende ging dann alles ganz schnell, die Einigung im großen Washingtoner Finanzdrama erschien plötzlich wie ein Kinderspiel. Wochenlang hatten die Republikaner blockiert, den USA und der Weltwirtschaft die Hölle heiß gemacht. Niemals werde man den Finanzgesetzen zustimmen, ohne das amerikanische Volk von der verhassten Gesundheitsreform zu befreien.

Noch am Mittwochmorgen schienen die USA am Rande des Abgrunds zu stehen, alle Lösungsversuche im Streit um Schulden und Haushalt schienen gescheitert. Und dann, nur Stunden später, der Durchbruch - war etwa alles nur Theater? "Es war ein Spaß für uns alle und gut für die TV-Sender", ironisiert David Frum, Kommentator und einst Redenschreiber für den damaligen Präsidenten George W. Bush.

Die USA blockierten sich selbst

Keine Frage: Die politische Klasse in Washington hat in den vergangenen Wochen eine bizarre Aufführung gegeben - samt unterhaltsamen Einlagen wie einer 21-stündigen Dauerrede auf der Senatsbühne.

Die "Weltmacht Nummer eins", die größte Volkswirtschaft, ist über Wochen nicht in der Lage, sich auf einen Haushalt zu einigen, droht in die Katastrophe der Zahlungsunfähigkeit zu taumeln. Das mutet an wie "italienische Verhältnisse". Die USA blockierten sich selbst - und die Welt hielt den Atem an.

Amerikaner gelten gemeinhin als Pragmatiker, als Politiker, die Lösungen wollen und denen ideologische Verhärtungen eher fremd sind. Doch das war gestern. Seit der Wahl Barack Obamas 2008 hat sich das politische Klima in Washington drastisch verschlechtert.

Republikaner getrieben von der Tea Party

Weite Teile der Republikaner betrachten Obamas Wahl als Betriebsunfall, verteufeln den Präsidenten als Sozialisten europäischer Prägung, der den Menschen mehr Staat und höhere Steuern aufzwingen will. Hinzu kommt der Kampf der Republikaner gegen die Gesundheitsreform "Obamacare", der fast schon obsessive Züge trägt.

"Es ist Zeit, dass die Republikaner sich hinter anderen Zielen vereinigen", meinte Mitch McConnell, Oppositionsführer der Republikaner nach der Einigung am Mittwoch im Senat. Der Republikaner, der zum Deal entscheidend beigetragen hatte, legt den Finger in die Wunde.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Republikaner, getrieben von den Fundamentalisten der Tea-Party-Bewegung, in einem Streit um Finanzen in letzter Minute klein beigeben müssen. Schon beim Streit um die Erhöhung des Schuldenlimits im Sommer 2011 mussten sie letztlich beidrehen. Die Frage ist: Lernen sie diesmal aus ihrer Niederlage?

Moderater John Boehner als tragische Figur

Tragisch mutet die Rolle von John Boehner, dem republikanischen Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses, an. Er hätte eigentlich zum großen Gegenspieler von Obama werden sollen, doch am Ende gelang es ihm nicht einmal, das eigene Lager zusammenzuhalten.

Ironie der Geschichte: Boehner gilt eher als Moderater, privat ließ er laut Medienberichten sogar auf der Höhe des Streits durchblicken, dass er die USA letztlich nicht in die Zahlungsunfähigkeit treiben würde. Doch Boehner entschied sich, den Radikalen von der Tea Party nachzugeben. Böse Zungen meinen, ihm ging es mehr darum, Stimmen für seine Wiederwahl auf den Chefsessel zu sammeln.

Obama kauft ein Sandwich

Ein Spaziergang in der Mittagspause: So sieht das aus, wenn US-Präsident Barack Obama und sein Vize Joe Biden...
Ein Spaziergang in der Mittagspause: So sieht das aus, wenn US-Präsident Barack Obama und sein Vize Joe Biden... © REUTERS
... höchstpersönlich loslaufen, um sich ihr Mittagessen in Washington zu kaufen. Zusammen...
... höchstpersönlich loslaufen, um sich ihr Mittagessen in Washington zu kaufen. Zusammen... © dpa
... mit der üblichen Entourage von Bodyguards...
... mit der üblichen Entourage von Bodyguards... © dpa
... und unter den Augen zahlreicher Bürger und Touristen...
... und unter den Augen zahlreicher Bürger und Touristen... © REUTERS
... sind die beiden am Freitag...
... sind die beiden am Freitag... © AFP
... zu diesem Imbiss gegangen. Drinnen lief dann - beobachtet von erstaunten anderen Kunden - alles so ab...
... zu diesem Imbiss gegangen. Drinnen lief dann - beobachtet von erstaunten anderen Kunden - alles so ab... © dpa
... wie bei anderen Menschen auch: Erst...
... wie bei anderen Menschen auch: Erst... © AFP
... die Karte studieren und etwas aussuchen,...
... die Karte studieren und etwas aussuchen,... © dpa
... zur Theke gehen,...
... zur Theke gehen,... © AFP
... bestellen,...
... bestellen,... © AFP
... noch einen Keks als Nachtisch aussuchen...
... noch einen Keks als Nachtisch aussuchen... © REUTERS
... und bezahlen. Draußen...
... und bezahlen. Draußen... © REUTERS
... warteten derweil die Schaulustigen. Obama...
... warteten derweil die Schaulustigen. Obama... © REUTERS
... winkte ein bisschen nach rechts...
... winkte ein bisschen nach rechts... © dpa
... und nach links,...
... und nach links,... © dpa
... schüttelte ein paar Hände...
... schüttelte ein paar Hände... © dpa
... und hielt ein kurzes Pläuschchen mit anderen Kunden des Imbisses.
... und hielt ein kurzes Pläuschchen mit anderen Kunden des Imbisses. © REUTERS
Noch kurz den Kindern
Noch kurz den Kindern "Hallo" gesagt,... © REUTERS
... und dann ging's, die Sandwichtüte in der Hand,...
... und dann ging's, die Sandwichtüte in der Hand,... © REUTERS
... zurück in Richtung Weißes Haus.
... zurück in Richtung Weißes Haus. © AFP
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Jetzt blieb ihm nichts anderes übrig, als unumwunden seine Niederlage einzugestehen. "Wir haben einen guten Kampf geliefert", räumt Boehner offen ein, "wir haben einfach nicht gewonnen". Es ist höchst selten, dass Politiker sich öffentlich derart zerknirscht äußern.

Hohes Risiko auch für Obama

Doch auch Obama spielte mit hohem Einsatz. Er hatte von Anfang an klargemacht, dass er nicht einmal zu Verhandlungen über "Obamacare" im Zuge des Finanzstreits breit ist. Sein Argument: Was die Republikaner machen, sei nichts anderes als Erpressung. Wenn er jetzt nachgebe, wäre das ein Präzedenzfall, auch künftige Präsidenten würden darunter leiden.

Doch die "Verweigerungsstrategie" hatte auch Risiken. Hätte der Kampf länger gedauert, hätten die Republikaner nicht nachgeben, wäre der Präsident möglicherweise über Nacht als Krisenmanager gefordert gewesen. (dpa)