Berlin. Die SPD ist zu Sondierungsgesprächen mit der Union über eine Regierungsbildung bereit. Das beschloss der Parteikonvent am Freitagabend in Berlin und folgte damit einer zuvor vom SPD-Vorstand abgegebenen Empfehlung. Über einen möglichen Koalitionsvertrag soll demnach aber die Parteibasis in einem verbindlichen Mitgliedervotum entscheiden.
Wenige Tage nach der SPD-Wahlniederlage hat SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück seinen Rückzug aus der ersten Reihe der Politik angekündigt: Er strebe kein Amt mehr in der Partei oder der Bundestagsfraktion an, sagte Steinbrück gestern abend beim SPD-Parteikonvent in Berlin. "Meine Karriere wird ein geordnetes Ende finden, ich will keine weiteren Posten hinzufügen", sagte Steinbrück. Allerdings wird der 66-Jährige noch die mögliche Bildung einer großen Koalition begleiten: Er soll der sechsköpfigen Sondierungsgruppe angehören, die voraussichtlich schon nächste Woche mit der Unionsführung Gespräche aufnimmt.
Der Rückzug kommt überraschend, weil Steinbrück nach der Bundestagwahl angekündigt hatte, er wolle "an Deck bleiben" und weiter Verantwortung in der SPD übernehmen. Einen Kabinettsposten unter Kanzlerin Merkel hatte er allerdings schon früher ausgeschlossen. Sein Bundestagsmandat wird Steinbrück behalten.
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Die SPD-Spitze stellte unterdessen ersten Weichen für Koalitionsgespräche mit der Union, auch die Grünen signalisierten, dass sie Gespräche mit CDU und CSU vorbereiten. Der SPD-Vorstand sprach sich für die Aufnahme von Sondierungsgesprächen mit der Union aus und erklärte: "Wir verweigern uns keinen Gesprächen." Am späten Abend stimmten auch die 200 Delegierten des Parteikonvents diesem Vorschlag zu.
Konvent soll nach Sondierungsgesprächen über Verhandlungen entscheiden
Geplant ist, dass der Konvent nach Sondierungsgesprächen erneut zusammenkommt und entscheidet, ob offizielle Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden. Die könnten dann übernächste Wochen beginnen. Wegen der großen Bedenken in Teilen der SPD-Basis will die Parteispitze am Ende möglicher Verhandlungen zudem die Basis über Mitgliederbefragung verbindlich über eine Koalition entscheiden lassen: Eine Befragung wäre einfacher abzuwickeln als ein bislang diskutierter formeller Mitgliederentscheid und könnte kurzfristig nach den Koalitionsverhandlungen an einem Tag stattfinden - möglicherweise am 10. November, vier Tage vor dem Parteitag in Leipzig.
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Sollte die Basis einen von der Parteispitze vorgelegten Koalitionsvertrag ablehnen, müssten Parteichef Sigmar Gabriel und weitere Führungsmitglieder wohl von ihren Ämtern zurücktreten. Angesichts massiver Vorhalte mehrerer Landesverbände, vor allem der NRW-SPD, sicherte Gabriel dem Konvent indes erneut zu, dass die Gespräche mit enger Rückkopplung ergebnisoffen und "ohne Automatismus" geführt würden.
Die Sprecherin der SPD-Linken, Hilde Mattheis, sagte, die Entscheidung sei nur ein erster Schritt in einem längeren Prozess, andere Wege würden damit nicht verschlossen. Mattheis brachte erneut eine Unions-Minderheitsregierung und eine schwarz-grüne Koalition ins Gespräch. SPD-Vorstand Hubertus Heil sagte unserer Zeitung: "Wir verweigern uns keinen Gesprächen, aber wir entscheiden nach unseren inhaltlichen Überzeugungen."
Messlatte sei das SPD-Wahlprogramm vor allem in punkto Steuer- und Finanzpolitik, Kommunalfinanzen, Arbeitsmarkt-reformen und Energiewende. Laut ARD-Deutschlandtrend befürwortet knapp jeder zweite Bürger eine Große Koalition, bei Unions-Wählern sind es 62 Prozent und bei SPD-Wählern 56 Prozent. Für Schwarz-Grün plädieren demnach nur 18 Prozent, für Rot-Rot-Grün 16 Prozent der Bürger.