Berlin. Die SPD-Spitze ist offenbar zu Sondierungsgesprächen mit der Union bereit. Parteichef Gabriel signalisiert vor dem heutigen Konvent Offenheit für ein Mitgliedervotum. Gespräche beider Parteien könnten möglicherweise bereits kommende Woche beginnen. Und die Basis wird da noch ein Wörtchen mitreden.

Die SPD-Spitze will dem am Freitagabend tagenden Parteikonvent die Aufnahme von Sondierungsgesprächen mit der Union vorschlagen. Das erfuhr die Nachrichtenagentur AFP aus Parteikreisen in Berlin nach Beratungen der engeren SPD-Führung. Parteichef Sigmar Gabriel hatte zuvor laut "Süddeutscher Zeitung" bereits Offenheit für ein Mitgliedervotum zur Koalitionsfrage signalisiert.

Die Sondierungen könnten bereits in der kommenden Woche beginnen, berichtete zudem Bild.de. Unterdessen zeichnete sich ab, dass letztlich die Basis über eine mögliche Koalitionsbildung entscheiden wird. Gabriel wolle auf dem Konvent anregen, am Ende etwaiger Verhandlungen mit der Union die Mitglieder in einer Befragung um Zustimmung zu bitten.

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In der SPD gibt es erhebliche Vorbehalte gegen eine große Koalition. Der Parteikonvent wird ab 18.00 Uhr über das Ergebnis der Bundestagswahl und sich daraus ergebende Handlungsmöglichkeiten beraten. Zuvor kommt auch der Parteivorstand zusammen.

Die Basis soll über eine Zusammenarbeit mit CDU und CSU entscheiden

Die Basis werde darüber entscheiden, ob eine Zusammenarbeit mit CDU und CSU tragfähig sei, sagte auch der Vorsitzende der schleswig-holsteinischen SPD, Ralf Stegner. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) wies in der ARD auf die "befriedende Wirkung" hin, die eine Entscheidung durch die Mitglieder auf die Partei haben könnte.

Dagegen sagte SPD-Vorstandsmitglied Christoph Matschie: "Unsere Gremien und der Parteitag sind demokratisch gewählt und die richtigen, um das zu entscheiden." Der frühere SPD-Chef Hans-Jochen Vogel warnte seine Partei, sie könne durch ein Nein zu einer großen Koalition "als Verweigerer erscheinen".

Sachfragen sollen Vorrang haben

SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil betonte den Vorrang von Sachfragen: "In der SPD will keiner gern in diese Koalition gehen. Die Entscheidung werden wir vor allen Dingen von der Frage abhängig machen, ob wir unsere Überzeugungen, unsere Inhalte, durchsetzen können", sagte er dem Sender n-tv. Es gebe keinen Automatismus für eine große Koalition.

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Der Sprecher des Seeheimer Kreises der SPD-Rechten, Johannes Kahrs, nannte in diesem Zusammenhang als Kernthemen einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro, eine Mietobergrenze, die doppelte Staatsbürgerschaft sowie die Gleichstellung von Lesben und Schwulen. "Unter fifty-fifty, also auf gleicher Augenhöhe", werde eine große Koalition nicht funktionieren, sagte Kahrs.

Lafontaine wirft der SPD fehlenden Machtwillen vor

Der Linken-Politiker und einstige SPD-Chef Oskar Lafontaine warf der SPD fehlenden Machtwillen vor. Er bezog sich in der "Süddeutschen Zeitung" auf die Weigerung der SPD, mit der Linkspartei zusammenzuarbeiten. Der große Fehler der heutigen SPD-Spitze sei es, "den eigenen Wählern keine Perspektive auf die Macht zu geben".

Dem aktuellen ZDF-"Politbarometer" zufolge würden 64 Prozent der SPD-Anhänger eine große Koalition befürworten; von den Unionsanhängern sind es demnach 68 Prozent. Von der Gesamtheit der Befragten fänden 58 Prozent eine große Koalition "gut". Ein schwarz-grünes Bündnis würde nur auf 32 Prozent Zustimmung stoßen. (afp)