Berlin. Peer Steinbrück verabschiedet sich aus der ersten Reihe der Politik: Auf dem SPD-Parteikonvent kündigte der unterlegene Kanzlerkandidat an, kein Amt mehr in der Partei oder der Fraktion zu übernehmen. “Meine Karriere wird ein geordnetes Ende finden“, soll er gesagt haben.
Am Montag nach der Wahl sah Peer Steinbrück erschöpft aus. 25,7 Prozent, Rot-Grün klar verfehlt: Ein bitteres Ergebnis für jemanden, der landauf landab bis an den Rand des körperlich Verträglichen gekämpft hatte. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte zu dem unterlegenen Kanzlerkandidaten: "Danke, dass du an Bord bleibst." Daraufhin wurde spekuliert, was Steinbrück wohl vorhabe.
Fraktionschef, wenn Frank-Walter Steinmeier noch einmal Minister unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) werden sollte? Der frühere Bundesfinanzminister selbst hatte im Wahlkampf für sich ein erneutes Ministeramt unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ausgeschlossen.
Gewinner und Verlierer
Am Freitagabend nun schuf er in einer bewegenden Rede auf dem Parteikonvent der SPD Klarheit. Er übernahm die Verantwortung für das ernüchternde Wahlergebnis. Und erklärte, er strebe kein Amt mehr in der SPD und in der Bundestagsfraktion an, wie Teilnehmer des nicht-öffentlichen Konvents berichteten. Die Delegierten applaudierten ihm stehend.
Ende einer besonderen politischen Karriere - zumindest an vorderster Front
So endet wohl eine besondere politische Karriere - zumindest an vorderster Front: Der 66-Jährige hat ja noch sein Bundestagsmandat. Und in möglichen Verhandlungen über eine große Koalition mit der Union will er für die SPD möglichst viel rausholen.
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Der Hamburger studierte Volkswirtschaft und Sozialwissenschaften. 1969, zu Zeiten Willy Brandts, trat er in die Partei ein. Seine Karriere begann 1974 im Bundesbauministerium und führte ihn rasch als Referent ins Bonner Bundeskanzleramt. Dort regierte Kanzler Helmut Schmidt - der ihm dann später seine Eignung als Kanzler bescheinigte.
Nach Ministerstationen in Schleswig-Holstein und NRW stieg Steinbrück 2002 in Düsseldorf zum Ministerpräsidenten auf, als Wolfgang Clement nach Berlin wechselte. Nach der Abwahl 2005 wurde Steinbrück in der großen Koalition Bundesfinanzminister. Auch wenn er 2010 noch in einer Dokumentation gesagt hatte, ins Kanzleramt gehe er nur noch als Besucher, entwickelte er zunehmend Lust auf den Job. Da Gabriel und Steinmeier nicht wollten, wurde er im September 2012 Kanzlerkandidat der SPD - allerdings in einer Sturzgeburt, weil Steinmeier seinen Verzicht und damit die Entscheidung einer Journalistenrunde verriet.
Vielen in der SPD sprach Steinbrücks Klartext aus der Seele
Der verstolperte Start wurde zur Hypothek. Als einfacher Bundestagsabgeordneter hatte Steinbrück keinen großen Apparat zur Verfügung, es fehlte eine sinnvolle Kommunikationsstrategie für die Debatte um seinen Nebeneinkünfte in Millionenhöhe. Es entstand ein Negativ-Image, das seine Kampagne lange belastete. Dabei gab es an der fachlichen Eignung des Vaters von zwei Töchtern und einem Sohn wenig Zweifel.
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Nashörner sind seine Lieblingstiere. Sie fangen träge an zu laufen und sind dann nicht mehr zu stoppen. Doch auch wenn sich seine Werte in der Endphase des Wahlkampfs besserten, so richtig rund lief es selten. 17,6 Millionen Fernsehzuschauer konnten sich aber im TV-Duell überzeugen, dass einige Zuschreibungen so gar nicht auf ihn passen.
Sein eigener - oft nicht von allen verstandener - ironischer Stil zeigte sich dann im "Stinkefinger"-Foto im "SZ-Magazin". Als Antwort auf die Frage nach Medien-Schöpfungen wie "Pannen-Peer", "Problem-Peer" und "Peerlusconi". Vielen in der SPD sprach er mit dieser Art Klartext aus der Seele - aber ob alle Wähler so eine Ironie verstanden? "Bei mir rockt es", sagte Steinbrück mal über seinen Wahlkampf.
Letztlich scheiterte Steinbrück auch daran, dass es keine Wechselstimmung gab
Ein besonderer Moment war sicher der 16. Juni: "Wir hatten Freiheit, wir konnten Scrabble spielen, wann wir wollten", berichtete Steinbrücks Frau Gertrud beim kleinen Parteitag in Berlin. Und nun werde er als Kanzlerkandidat nur noch verhauen. "Der muss doch irgendetwas bewegen wollen, wenn er freiwillig alles aufgibt." Daraufhin wandte sich WDR-Moderatorin Bettina Böttinger an Steinbrück: "Warum tun Sie es?" Es kommt nicht oft vor, aber nun war der 66-Jährige sprachlos, mit dem Finger wischte er unter der Brille eine Träne weg. Der ganze Druck kulminierte in diesem Augenblick.
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Auf seiner Kampagne lastete, dass die SPD ein Bild von einem Land mit schwerer sozialer Schieflage zeichnete. Steinbrück sollte ursprünglich in der Mitte Wähler gewinnen. Dann führte er einen linken Gerechtigkeitswahlkampf um Mindestlöhne, Mietpreisbremsen und höhere Steuern für Reiche. Letztlich scheiterte er auch daran, dass es keine Wechselstimmung gab - Merkel war einfach nicht zu schlagen.
Auch wenn er nun politisch kürzertritt, an einem dürfte kein Mangel bestehen: Der begabte und unterhaltsame Redner Steinbrück ist sicher ein gefragter Mann. (dpa)