Berlin. Peer Steinbrück verabschiedet sich aus der ersten Reihe der Politik: Auf dem SPD-Parteikonvent kündigte der unterlegene Kanzlerkandidat an, kein Amt mehr in der Partei oder der Fraktion zu übernehmen. “Meine Karriere wird ein geordnetes Ende finden“, soll er gesagt haben.

Am Montag nach der Wahl sah Peer Steinbrück erschöpft aus. 25,7 Prozent, Rot-Grün klar verfehlt: Ein bitteres Ergebnis für jemanden, der landauf landab bis an den Rand des körperlich Verträglichen gekämpft hatte. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte zu dem unterlegenen Kanzlerkandidaten: "Danke, dass du an Bord bleibst." Daraufhin wurde spekuliert, was Steinbrück wohl vorhabe.

Fraktionschef, wenn Frank-Walter Steinmeier noch einmal Minister unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) werden sollte? Der frühere Bundesfinanzminister selbst hatte im Wahlkampf für sich ein erneutes Ministeramt unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ausgeschlossen.

Gewinner und Verlierer

Schwarz-Gelb erlebt Triumph und Absturz: Während die Union mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ...
Schwarz-Gelb erlebt Triumph und Absturz: Während die Union mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ... © REUTERS
... bei der Bundestagswahl am Sonntag ...
... bei der Bundestagswahl am Sonntag ... © REUTERS
... klar stärkste Kraft wurde,
... klar stärkste Kraft wurde, © dpa
... verpasste die FDP erstmals den Einzug in den Bundestag.
... verpasste die FDP erstmals den Einzug in den Bundestag. © dpa
Laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis erhielten CDU und CSU zusammen 41,5 Prozent der Stimmen (plus 7,7 Prozentpunkte im Vergleich zu 2009).
Laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis erhielten CDU und CSU zusammen 41,5 Prozent der Stimmen (plus 7,7 Prozentpunkte im Vergleich zu 2009). © dpa
Merkel sprach von einem
Merkel sprach von einem "super Ergebnis" und bedankte sich für das Vertrauen der Wähler. Zugleich ... © Getty Images
... sicherte sie mit Blick auf die neue Stärke der Union zu:
... sicherte sie mit Blick auf die neue Stärke der Union zu: "Wir werden damit verantwortungsvoll und sorgsam umgehen". © AFP
Ihr bisheriger Bündnispartner FDP hingegen scheiterte mit 4,8 Prozent (minus 9,8) an der Fünfprozenthürde und wird zum ersten Mal seit Bestehen des Bundestags nicht im Parlament vertreten sein.
Ihr bisheriger Bündnispartner FDP hingegen scheiterte mit 4,8 Prozent (minus 9,8) an der Fünfprozenthürde und wird zum ersten Mal seit Bestehen des Bundestags nicht im Parlament vertreten sein. © REUTERS
Entsetzen herrschte bei der FDP. Parteichef Philipp Rösler ...
Entsetzen herrschte bei der FDP. Parteichef Philipp Rösler ... © dpa
... kündigte politische Konsequenzen an.
... kündigte politische Konsequenzen an. "Das ist die bitterste, die traurigste Stunde in der Geschichte dieser Freien Demokratischen Partei", sagte er. © Getty Images
"Es sei "eine schlimme Stunde für die FDP", ergänze Spitzenkandidat und Fraktionschef Rainer Brüderle. © dpa
Die FDP hatte bis zuletzt um Leihstimmen von Unions-Anhängern geworben, Merkel hatte dies jedoch abgelehnt.
Die FDP hatte bis zuletzt um Leihstimmen von Unions-Anhängern geworben, Merkel hatte dies jedoch abgelehnt. © AFP
Zweitstärkste Kraft mit deutlichem Abstand zur Union wurde die SPD mit 25,7 Prozent der Stimmen (plus 2,7).
Zweitstärkste Kraft mit deutlichem Abstand zur Union wurde die SPD mit 25,7 Prozent der Stimmen (plus 2,7). © dpa
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sagte, seine Partei habe
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sagte, seine Partei habe "nicht das Ergebnis erzielt, das wir wollten". Er gratulierte ebenso ... © dpa
...wie SPD-Chef Sigmar Gabriel der Kanzlerin zu ihrem Wahlsieg.
...wie SPD-Chef Sigmar Gabriel der Kanzlerin zu ihrem Wahlsieg. © dpa
"Wir haben verloren. Das ist bittere Realität", sagte Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin. © Getty Images
Ko-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt kündigte eine
Ko-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt kündigte eine "klare und sehr ehrliche Analyse" an. Koalitionsspekulationen ... © dpa
... lehnte auch Trittin ab, sagte aber:
... lehnte auch Trittin ab, sagte aber: "Wir machen das von der Sache abhängig." © Getty Images
Linksfraktionschef Gregor Gysi verwies darauf, dass seine Partei ...
Linksfraktionschef Gregor Gysi verwies darauf, dass seine Partei ... © dpa
... trotz Verlusten die drittstärkste Kraft im neuen Bundestag sei.
... trotz Verlusten die drittstärkste Kraft im neuen Bundestag sei. © dpa
Partei- und Fraktionsvize Sahra Wagenknecht sagte der Online-Ausgabe der
Partei- und Fraktionsvize Sahra Wagenknecht sagte der Online-Ausgabe der "Mitteldeutschen Zeitung", Linke und SPD könnten nun Partner sein. Dafür müssten die Sozialdemokraten allerdings ihren "Agenda-2010-Kurs" beenden. Ihre Partei werde nicht zu Gesprächen auffordern - "die SPD muss auf uns zukommen", sagte Wagenknecht. © dpa
AfD-Spitzenkandidat Bernd Lucke wertete das Ergebnis seiner Partei als Denkzettel für ...
AfD-Spitzenkandidat Bernd Lucke wertete das Ergebnis seiner Partei als Denkzettel für ... © Getty Images
... die etablierten Parteien.
... die etablierten Parteien. "Wir haben hier ein kräftiges Zeichen des Widerspruchs gesetzt", sagte er. Die AfD will den Austritt Deutschlands aus der europäischen Währungsunion. © REUTERS
Die Wahlbeteiligung lag bei 71,5 Prozent und damit 0,7 Prozentpunkte höher als vor vier Jahren. Insgesamt konnten sich 61,8 Millionen Wahlberechtigte zwischen 34 Parteien entscheiden.
Die Wahlbeteiligung lag bei 71,5 Prozent und damit 0,7 Prozentpunkte höher als vor vier Jahren. Insgesamt konnten sich 61,8 Millionen Wahlberechtigte zwischen 34 Parteien entscheiden. © dpa
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Am Freitagabend nun schuf er in einer bewegenden Rede auf dem Parteikonvent der SPD Klarheit. Er übernahm die Verantwortung für das ernüchternde Wahlergebnis. Und erklärte, er strebe kein Amt mehr in der SPD und in der Bundestagsfraktion an, wie Teilnehmer des nicht-öffentlichen Konvents berichteten. Die Delegierten applaudierten ihm stehend.

Ende einer besonderen politischen Karriere - zumindest an vorderster Front

So endet wohl eine besondere politische Karriere - zumindest an vorderster Front: Der 66-Jährige hat ja noch sein Bundestagsmandat. Und in möglichen Verhandlungen über eine große Koalition mit der Union will er für die SPD möglichst viel rausholen.

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Der Hamburger studierte Volkswirtschaft und Sozialwissenschaften. 1969, zu Zeiten Willy Brandts, trat er in die Partei ein. Seine Karriere begann 1974 im Bundesbauministerium und führte ihn rasch als Referent ins Bonner Bundeskanzleramt. Dort regierte Kanzler Helmut Schmidt - der ihm dann später seine Eignung als Kanzler bescheinigte.

Nach Ministerstationen in Schleswig-Holstein und NRW stieg Steinbrück 2002 in Düsseldorf zum Ministerpräsidenten auf, als Wolfgang Clement nach Berlin wechselte. Nach der Abwahl 2005 wurde Steinbrück in der großen Koalition Bundesfinanzminister. Auch wenn er 2010 noch in einer Dokumentation gesagt hatte, ins Kanzleramt gehe er nur noch als Besucher, entwickelte er zunehmend Lust auf den Job. Da Gabriel und Steinmeier nicht wollten, wurde er im September 2012 Kanzlerkandidat der SPD - allerdings in einer Sturzgeburt, weil Steinmeier seinen Verzicht und damit die Entscheidung einer Journalistenrunde verriet.

Vielen in der SPD sprach Steinbrücks Klartext aus der Seele

Der verstolperte Start wurde zur Hypothek. Als einfacher Bundestagsabgeordneter hatte Steinbrück keinen großen Apparat zur Verfügung, es fehlte eine sinnvolle Kommunikationsstrategie für die Debatte um seinen Nebeneinkünfte in Millionenhöhe. Es entstand ein Negativ-Image, das seine Kampagne lange belastete. Dabei gab es an der fachlichen Eignung des Vaters von zwei Töchtern und einem Sohn wenig Zweifel.

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Nashörner sind seine Lieblingstiere. Sie fangen träge an zu laufen und sind dann nicht mehr zu stoppen. Doch auch wenn sich seine Werte in der Endphase des Wahlkampfs besserten, so richtig rund lief es selten. 17,6 Millionen Fernsehzuschauer konnten sich aber im TV-Duell überzeugen, dass einige Zuschreibungen so gar nicht auf ihn passen.

Sein eigener - oft nicht von allen verstandener - ironischer Stil zeigte sich dann im "Stinkefinger"-Foto im "SZ-Magazin". Als Antwort auf die Frage nach Medien-Schöpfungen wie "Pannen-Peer", "Problem-Peer" und "Peerlusconi". Vielen in der SPD sprach er mit dieser Art Klartext aus der Seele - aber ob alle Wähler so eine Ironie verstanden? "Bei mir rockt es", sagte Steinbrück mal über seinen Wahlkampf.

Letztlich scheiterte Steinbrück auch daran, dass es keine Wechselstimmung gab

Ein besonderer Moment war sicher der 16. Juni: "Wir hatten Freiheit, wir konnten Scrabble spielen, wann wir wollten", berichtete Steinbrücks Frau Gertrud beim kleinen Parteitag in Berlin. Und nun werde er als Kanzlerkandidat nur noch verhauen. "Der muss doch irgendetwas bewegen wollen, wenn er freiwillig alles aufgibt." Daraufhin wandte sich WDR-Moderatorin Bettina Böttinger an Steinbrück: "Warum tun Sie es?" Es kommt nicht oft vor, aber nun war der 66-Jährige sprachlos, mit dem Finger wischte er unter der Brille eine Träne weg. Der ganze Druck kulminierte in diesem Augenblick.

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Auf seiner Kampagne lastete, dass die SPD ein Bild von einem Land mit schwerer sozialer Schieflage zeichnete. Steinbrück sollte ursprünglich in der Mitte Wähler gewinnen. Dann führte er einen linken Gerechtigkeitswahlkampf um Mindestlöhne, Mietpreisbremsen und höhere Steuern für Reiche. Letztlich scheiterte er auch daran, dass es keine Wechselstimmung gab - Merkel war einfach nicht zu schlagen.

Auch wenn er nun politisch kürzertritt, an einem dürfte kein Mangel bestehen: Der begabte und unterhaltsame Redner Steinbrück ist sicher ein gefragter Mann. (dpa)