Berlin. Die FDP bekommt ihren Absturz bei der Bundestagswahl deutlich zu spüren. ARD und ZDF haben die Liberalen bei der Berliner Runde zur Wahl-Analyse nicht berücksichtigt. Es seien nur Vertreter eingeladen, die voraussichtlich die 5-Prozent-Hürde schaffen.

Der Spitzenkandidat der FDP, Rainer Brüderle, war bei der Runde der Spitzenkandidaten bei ARD und ZDF nicht anwesend. Man habe nur die Parteien geladen, die voraussichtlich die 5-Prozent-Hürde überspringen, sagte ZDF-Chefredakteur Peter Frey am Sonntagabend. Die FDP zieht nach den Hochrechnungen nicht mehr in den Bundestag ein. Geladen wurden die Spitzenkandidaten der CDU, CSU, SPD, der Linken und der Grünen.

Als die erste Hochrechnung auf der Großbildleinwand erscheint, geht ein erschrockenes Raunen durch den Saal: Entgegen aller Hoffnungen und trotz einer aggressiven Zweitstimmenkampagne hat es die FDP nicht geschafft. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik verpassten die Liberalen am Sonntag den Einzug in den Bundestag - eine vernichtende Niederlage für Parteichef Philipp Rösler und den Wahlkampf-Spitzenmann Rainer Brüderle. Nach vier Jahren an der Regierung muss die FDP jetzt wieder ganz unten anfangen.

Gewinner und Verlierer

Schwarz-Gelb erlebt Triumph und Absturz: Während die Union mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ...
Schwarz-Gelb erlebt Triumph und Absturz: Während die Union mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ... © REUTERS
... bei der Bundestagswahl am Sonntag ...
... bei der Bundestagswahl am Sonntag ... © REUTERS
... klar stärkste Kraft wurde,
... klar stärkste Kraft wurde, © dpa
... verpasste die FDP erstmals den Einzug in den Bundestag.
... verpasste die FDP erstmals den Einzug in den Bundestag. © dpa
Laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis erhielten CDU und CSU zusammen 41,5 Prozent der Stimmen (plus 7,7 Prozentpunkte im Vergleich zu 2009).
Laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis erhielten CDU und CSU zusammen 41,5 Prozent der Stimmen (plus 7,7 Prozentpunkte im Vergleich zu 2009). © dpa
Merkel sprach von einem
Merkel sprach von einem "super Ergebnis" und bedankte sich für das Vertrauen der Wähler. Zugleich ... © Getty Images
... sicherte sie mit Blick auf die neue Stärke der Union zu:
... sicherte sie mit Blick auf die neue Stärke der Union zu: "Wir werden damit verantwortungsvoll und sorgsam umgehen". © AFP
Ihr bisheriger Bündnispartner FDP hingegen scheiterte mit 4,8 Prozent (minus 9,8) an der Fünfprozenthürde und wird zum ersten Mal seit Bestehen des Bundestags nicht im Parlament vertreten sein.
Ihr bisheriger Bündnispartner FDP hingegen scheiterte mit 4,8 Prozent (minus 9,8) an der Fünfprozenthürde und wird zum ersten Mal seit Bestehen des Bundestags nicht im Parlament vertreten sein. © REUTERS
Entsetzen herrschte bei der FDP. Parteichef Philipp Rösler ...
Entsetzen herrschte bei der FDP. Parteichef Philipp Rösler ... © dpa
... kündigte politische Konsequenzen an.
... kündigte politische Konsequenzen an. "Das ist die bitterste, die traurigste Stunde in der Geschichte dieser Freien Demokratischen Partei", sagte er. © Getty Images
"Es sei "eine schlimme Stunde für die FDP", ergänze Spitzenkandidat und Fraktionschef Rainer Brüderle. © dpa
Die FDP hatte bis zuletzt um Leihstimmen von Unions-Anhängern geworben, Merkel hatte dies jedoch abgelehnt.
Die FDP hatte bis zuletzt um Leihstimmen von Unions-Anhängern geworben, Merkel hatte dies jedoch abgelehnt. © AFP
Zweitstärkste Kraft mit deutlichem Abstand zur Union wurde die SPD mit 25,7 Prozent der Stimmen (plus 2,7).
Zweitstärkste Kraft mit deutlichem Abstand zur Union wurde die SPD mit 25,7 Prozent der Stimmen (plus 2,7). © dpa
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sagte, seine Partei habe
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sagte, seine Partei habe "nicht das Ergebnis erzielt, das wir wollten". Er gratulierte ebenso ... © dpa
...wie SPD-Chef Sigmar Gabriel der Kanzlerin zu ihrem Wahlsieg.
...wie SPD-Chef Sigmar Gabriel der Kanzlerin zu ihrem Wahlsieg. © dpa
"Wir haben verloren. Das ist bittere Realität", sagte Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin. © Getty Images
Ko-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt kündigte eine
Ko-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt kündigte eine "klare und sehr ehrliche Analyse" an. Koalitionsspekulationen ... © dpa
... lehnte auch Trittin ab, sagte aber:
... lehnte auch Trittin ab, sagte aber: "Wir machen das von der Sache abhängig." © Getty Images
Linksfraktionschef Gregor Gysi verwies darauf, dass seine Partei ...
Linksfraktionschef Gregor Gysi verwies darauf, dass seine Partei ... © dpa
... trotz Verlusten die drittstärkste Kraft im neuen Bundestag sei.
... trotz Verlusten die drittstärkste Kraft im neuen Bundestag sei. © dpa
Partei- und Fraktionsvize Sahra Wagenknecht sagte der Online-Ausgabe der
Partei- und Fraktionsvize Sahra Wagenknecht sagte der Online-Ausgabe der "Mitteldeutschen Zeitung", Linke und SPD könnten nun Partner sein. Dafür müssten die Sozialdemokraten allerdings ihren "Agenda-2010-Kurs" beenden. Ihre Partei werde nicht zu Gesprächen auffordern - "die SPD muss auf uns zukommen", sagte Wagenknecht. © dpa
AfD-Spitzenkandidat Bernd Lucke wertete das Ergebnis seiner Partei als Denkzettel für ...
AfD-Spitzenkandidat Bernd Lucke wertete das Ergebnis seiner Partei als Denkzettel für ... © Getty Images
... die etablierten Parteien.
... die etablierten Parteien. "Wir haben hier ein kräftiges Zeichen des Widerspruchs gesetzt", sagte er. Die AfD will den Austritt Deutschlands aus der europäischen Währungsunion. © REUTERS
Die Wahlbeteiligung lag bei 71,5 Prozent und damit 0,7 Prozentpunkte höher als vor vier Jahren. Insgesamt konnten sich 61,8 Millionen Wahlberechtigte zwischen 34 Parteien entscheiden.
Die Wahlbeteiligung lag bei 71,5 Prozent und damit 0,7 Prozentpunkte höher als vor vier Jahren. Insgesamt konnten sich 61,8 Millionen Wahlberechtigte zwischen 34 Parteien entscheiden. © dpa
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Noch bei der Stimmabgabe am Nachmittag in Main war Brüderle höchst selbstbewusst: "Das Schöne ist, dass die Bürger entscheiden, nicht die Umfragen." Nun hat der Bürger entschieden - und den Liberalen einen historischen Denkzettel verpasst. Mit dem Ergebnis, dass sich scheidende Minister wie Guido Westerwelle, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Daniel Bahr nach neuen Jobs umschauen müssen.

"Bitterste, traurigste Stunde in der Geschichte" der FDP

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Noch vor vier Jahren hatte der damalige Parteichef Westerwelle nach dem 14,6-Prozent-Ergebnis tagelang das breite Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht bekommen. Am Sonntag ist es nun an seinem Nachfolger Rösler, die schwerste Niederlage in der Parteigeschichte einzuräumen.

"Das ist die bitterste, die traurigste Stunde in der Geschichte dieser Freien Demokratischen Partei", sagt der 40-Jährige bewegt. Ihm scheint klar, dass seine Zeit als Parteichef wohl abgelaufen ist: Natürlich werde er die politische Verantwortung übernehmen, sagt Rösler - der rhythmische Applaus am Ende seiner kurzen Rede klingt schon wie eine Abschiedsmusik.

Von einem "Warnruf" hatte Rösler noch vor einer Woche gesprochen, als die FDP bei den Wahlen in Bayern nur magere 3,3 Prozent erreichte und aus dem Landtag geflogen war. Doch die daraufhin mit voller Kraft gefahrene Zweitstimmenkampagne verfing beim Wähler nicht - sicherlich auch, weil der Wunsch-Koalitionspartner Union sich bis zuletzt mit aller Macht dagegen stemmte, Leihstimmen an die Liberalen abzugeben.

Noch am Samstag betonte Kanzlerin Angela Merkel bei einer Wahlkampfveranstaltung in Berlin, wer sie als Regierungschefin wolle, müsse mit beiden Stimmen Union wählen. Gegen so eine klare Ansage konnte Brüderle mit seiner Aussage, Zweitstimme für die FDP sei auch "Merkel-Stimme" nichts ausrichten.

Auf die FDP-Führung warten schwierige Tage

Gedämpfte Stimmung herrscht am Abend auf der Wahlparty der Liberalen - und auch Wut über die Fehler der vergangenen Monate und Jahre: In der Koalition machte die FDP anfangs mehr durch Sprüche ihres Vorsitzenden Westerwelle, Beschimpfungen der politischen Partner und gescheiterte Steuersenkungspläne von sich reden.

Auch nach der personellen Neuaufstellung sei es nicht gelungen, bei wichtigen Themen wie "Wirtschaftswachstum oder Euro" die spezifische FDP-Haltung deutlich rüberzubringen, beklagt ein ranghoher FDP-Politiker.

Die Erinnerung des verpatzten Starts konnten Rösler und Brüderle auch im Wahlkampf nicht vergessen machen - vielleicht auch weil es ihnen trotz aller Lippenbekenntnisse nie wirklich gelang, den Eindruck eines harmonischen Teams glaubhaft zu vermitteln. Und während der Parteichef in den vergangenen Monaten kaum noch eigene Akzente zu setzen vermochte, befremdete Brüderle mitunter durch allzu kernige Rhetorik - etwa wenn er gegen die "Mao-Steuer" der Opposition und die Zwangsverwandlung mündiger Bürger in "rot-rot-grüne Steuerknechte" wetterte.

Auf die FDP-Führung warten schwierige Tage: Einige bekannte Kritiker kommen am Sonntag schon aus der Deckung, als das amtliche Endergebnis noch lange nicht vorliegt - einer davon ist Jungliberalen-Chef Lasse Becker: "Da waren massive Fehler an der Parteispitze, die sollten wir jetzt aufarbeiten." (dpa/afp)