Berlin. Die FDP bekommt ihren Absturz bei der Bundestagswahl deutlich zu spüren. ARD und ZDF haben die Liberalen bei der Berliner Runde zur Wahl-Analyse nicht berücksichtigt. Es seien nur Vertreter eingeladen, die voraussichtlich die 5-Prozent-Hürde schaffen.
Der Spitzenkandidat der FDP, Rainer Brüderle, war bei der Runde der Spitzenkandidaten bei ARD und ZDF nicht anwesend. Man habe nur die Parteien geladen, die voraussichtlich die 5-Prozent-Hürde überspringen, sagte ZDF-Chefredakteur Peter Frey am Sonntagabend. Die FDP zieht nach den Hochrechnungen nicht mehr in den Bundestag ein. Geladen wurden die Spitzenkandidaten der CDU, CSU, SPD, der Linken und der Grünen.
Als die erste Hochrechnung auf der Großbildleinwand erscheint, geht ein erschrockenes Raunen durch den Saal: Entgegen aller Hoffnungen und trotz einer aggressiven Zweitstimmenkampagne hat es die FDP nicht geschafft. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik verpassten die Liberalen am Sonntag den Einzug in den Bundestag - eine vernichtende Niederlage für Parteichef Philipp Rösler und den Wahlkampf-Spitzenmann Rainer Brüderle. Nach vier Jahren an der Regierung muss die FDP jetzt wieder ganz unten anfangen.
Gewinner und Verlierer
Noch bei der Stimmabgabe am Nachmittag in Main war Brüderle höchst selbstbewusst: "Das Schöne ist, dass die Bürger entscheiden, nicht die Umfragen." Nun hat der Bürger entschieden - und den Liberalen einen historischen Denkzettel verpasst. Mit dem Ergebnis, dass sich scheidende Minister wie Guido Westerwelle, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Daniel Bahr nach neuen Jobs umschauen müssen.
"Bitterste, traurigste Stunde in der Geschichte" der FDP
Auch interessant
Noch vor vier Jahren hatte der damalige Parteichef Westerwelle nach dem 14,6-Prozent-Ergebnis tagelang das breite Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht bekommen. Am Sonntag ist es nun an seinem Nachfolger Rösler, die schwerste Niederlage in der Parteigeschichte einzuräumen.
"Das ist die bitterste, die traurigste Stunde in der Geschichte dieser Freien Demokratischen Partei", sagt der 40-Jährige bewegt. Ihm scheint klar, dass seine Zeit als Parteichef wohl abgelaufen ist: Natürlich werde er die politische Verantwortung übernehmen, sagt Rösler - der rhythmische Applaus am Ende seiner kurzen Rede klingt schon wie eine Abschiedsmusik.
Von einem "Warnruf" hatte Rösler noch vor einer Woche gesprochen, als die FDP bei den Wahlen in Bayern nur magere 3,3 Prozent erreichte und aus dem Landtag geflogen war. Doch die daraufhin mit voller Kraft gefahrene Zweitstimmenkampagne verfing beim Wähler nicht - sicherlich auch, weil der Wunsch-Koalitionspartner Union sich bis zuletzt mit aller Macht dagegen stemmte, Leihstimmen an die Liberalen abzugeben.
Noch am Samstag betonte Kanzlerin Angela Merkel bei einer Wahlkampfveranstaltung in Berlin, wer sie als Regierungschefin wolle, müsse mit beiden Stimmen Union wählen. Gegen so eine klare Ansage konnte Brüderle mit seiner Aussage, Zweitstimme für die FDP sei auch "Merkel-Stimme" nichts ausrichten.
Auf die FDP-Führung warten schwierige Tage
Gedämpfte Stimmung herrscht am Abend auf der Wahlparty der Liberalen - und auch Wut über die Fehler der vergangenen Monate und Jahre: In der Koalition machte die FDP anfangs mehr durch Sprüche ihres Vorsitzenden Westerwelle, Beschimpfungen der politischen Partner und gescheiterte Steuersenkungspläne von sich reden.
Auch nach der personellen Neuaufstellung sei es nicht gelungen, bei wichtigen Themen wie "Wirtschaftswachstum oder Euro" die spezifische FDP-Haltung deutlich rüberzubringen, beklagt ein ranghoher FDP-Politiker.
Die Erinnerung des verpatzten Starts konnten Rösler und Brüderle auch im Wahlkampf nicht vergessen machen - vielleicht auch weil es ihnen trotz aller Lippenbekenntnisse nie wirklich gelang, den Eindruck eines harmonischen Teams glaubhaft zu vermitteln. Und während der Parteichef in den vergangenen Monaten kaum noch eigene Akzente zu setzen vermochte, befremdete Brüderle mitunter durch allzu kernige Rhetorik - etwa wenn er gegen die "Mao-Steuer" der Opposition und die Zwangsverwandlung mündiger Bürger in "rot-rot-grüne Steuerknechte" wetterte.
Auf die FDP-Führung warten schwierige Tage: Einige bekannte Kritiker kommen am Sonntag schon aus der Deckung, als das amtliche Endergebnis noch lange nicht vorliegt - einer davon ist Jungliberalen-Chef Lasse Becker: "Da waren massive Fehler an der Parteispitze, die sollten wir jetzt aufarbeiten." (dpa/afp)