FDP-Chef Rösler deutet nach Wahl-Debakel Rücktritt an
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Berlin. . Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik sind die Liberalen aus dem Bundestag geflogen. Es ist das Ende einer Ära: Die Partei war mehr als 40 Jahre lang an Bundesregierungen beteiligt. Parteichef Rösler übernimmt die Verantwortung.
Nach der historischen Wahlniederlage der FDP hat Parteichef Philipp Rösler politische Konsequenzen angekündigt. „Das ist die bitterste, die traurigste Stunde in der Geschichte dieser Freien Demokratischen Partei“, sagte er nach Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen in Berlin. Er habe in schwieriger Zeit die Führung der Partei übernommen und trotz einiger gewonnener Landtagswahlen sei es ihm nicht gelungen, einen Aufbruch für die Bundestagswahl zu erzeugen, so Rösler Und weiter: „Deshalb werde ich persönlich natürlich auch politisch dafür die notwendige Verantwortung übernehmen.“
Der Schock sitzt an diesem Abend tief bei den Liberalen – nach 14,6 Prozent 2009 landeten sie diesmal in den ersten Hochrechnungen bei weniger als fünf Prozent. Von der Regierungspartei zur außerparlamentarischen Opposition. Mehr Absturz geht nicht.
Gewinner und Verlierer
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Christian Lindner, der noch im vergangenen Jahr bei der Landtagswahl in NRW die Liberalen vor dem Sturz in die Bedeutungslosigkeit bewahrt hatte, ist einer der ersten, die an diesem Abend vor die Journalisten treten. „Dies ist die bitterste Stunde für die FDP seit 1949“, sagt Lindner. Noch nie waren die Liberalen an der Fünf-Prozent-Hürde und damit am Einzug in den Bundestag gescheitert.
Der FDP steht nach diesem Ergebnis ein Neuanfang bevor – personell wie inhaltlich. Die Niederlage sei „grundlegend und tiefgreifend“, sagt Lindner, der nun von vielen als der künftige starke Mann in der FDP gesehen wird. Allerdings hatte Lindner nach seinem Wahlerfolg in Nordrhein-Westfalen betont, seine politische Zukunft liege bis zur nächsten Landtagswahl 2017 in Düsseldorf.
Das falsche Personal
Diesmal hatte die FDP offenbar nicht das überzeugende Personal für ein gutes Wahlergebnis. Laut den Untersuchungen der Wahlforscher von der ARD hatte Spitzenkandidat Rainer Brüderle einen Beliebtheitswert von minus 0,5. Vor vier Jahren hatte der damalige liberale Spitzenkandidat Guido Westerwelle einen Wert von plus 0,6.
Absturz nach 60 Jahren - Die Geschichte der FDP
1949
Die FDP erzielt bei der Bundestagswahl 11,9 Prozent und verhilft Konrad Adenauer (CDU) zur ersten Kanzlerschaft.
1953
Die Partei rutscht auf 9,5 Prozent ab und regiert weiterhin als stärkster Partner der Union unter Adenauer.
1957
Die Liberalen verlieren auf 7,7 Prozent und gehen in die Opposition
1961
Die FDP legt auf 12,8 Prozent zu und bildet mit der Union die erste rein schwarz-gelbe Regierungskoalition, zunächst unter Adenauer, ab 1963 unter Ludwig Erhard.
1965
Dieses Mal reicht es mit nur 9,5 Prozent zur Fortsetzung des Bündnisses unter Erhard. Ein Jahr später scheidet die FDP aus der Regierung aus, als Union und SPD die erste Große Koalition eingehen.
1969
Mit schwachen 5,8 Prozent ermöglicht die FDP die erste sozial-liberale Koalition unter SPD-Kanzler Willy Brandt. Walter Scheel(FDP) wird Vizekanzler.
1972
Die Liberalen steigern sich auf 8,4 Prozent und können das Regierungsbündnis mit den Sozialdemokraten fortsetzen.
1976
Mit 7,9 Prozent trägt die FDP zur nächsten Runde der sozial-liberalen Bundesregierung unter Helmut Schmidt (SPD) bei. Der zweite Mann im Kabinett ist Hans-Dietrich Genscher (FDP).
1980
Genschers Partei kommt auf 10,6 Prozent. Die letzten zwei Jahre der SPD/FDP-Koalition bis zum Sturz von Schmidt beginnen.
1983
Nach dem Wechsel auf die Seite der Union im Vorjahr fällt die FDP bei der vorgezogenen Wahl auf 7,0 Prozent zurück. Doch es reicht für eine Koalition. Das christlich-liberale Bündnis unter Helmut Kohl (CDU) hält 16 Jahre.
1987
Die Partei steigert sich auf 9,1 Prozent. Die politische Landschaft bleibt unverändert.
1990
Bei der ersten gesamtdeutschen Wahl stimmen 11,0 Prozent für die Liberalen. FDP-Außenminister Genscher gilt als einer der Väter der Wiedervereinigung.
1994
Die FDP schrumpft auf 6,9 Prozent. Die letzte Phase von Schwarz-Gelb beginnt.
1998
Mit 6,2 Prozent müssen die Liberalen zusammen mit der Union für elf Jahre in die Opposition. Das erste rot-grüne Bündnis startet unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder.
2002
7,4 Prozent unter dem FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle bringen nicht den erhofften Machtwechsel.
2005
Der Stimmenzuwachs auf 9,8 Prozent reicht wieder nicht zur Rückkehr an die Macht. Die Union von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) koaliert mit der SPD.
2009
Mit dem Rekordergebnis von 14,6 Prozent sichern sich die Liberalen Ministerämter in einer schwarz-gelben Regierung unter Merkel.
2013
Nach den Hochrechnungen kommt die FDP nur auf 4,6 Prozent und würde damit den Wiedereinzug in den Bundestag verpassen.
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Vor allem die jungen Wähler wandten sich scharenweise von der FDP ab. Bei den unter 30-Jährigen haben sie zwölf Prozentpunkte verloren, aber auch bei den 30- bis 44-Jährigen (minus 12) und bei den 45- bis 59-Jährigen (minus 10) verlor die Partei in ähnlicher Größenordnung.
„Heute ist ein schwieriger Abend“, sagte ein sichtlich geschlagener Spitzenkandidat Rainer Brüderle: „Ich übernehme für das Ergebnis die Verantwortung.“
Der Vorsitzende der Jungen Liberalen, Lasse Becker, übt schwere Kritik an der FDP-Führung. Es seien Fehler über Fehler gemacht worden, die zum Schluss in einer Bettelkampagne um Zweitstimmen gipfelten. „Man wählt niemanden, der sich zum Wurm macht.“
Das Ende einer Ära
Es ist in der Tat das Ende einer Ära: Noch bei der Bundestagswahl 2009 hatte die FDP mit 14,9 Prozent ihr bestes Ergebnis aller Zeiten erreicht - nun ist es nach den Hochrechnungen mit 4,5 bis 4,7 Prozent ihr schlechtestes.
Seit 1949 saß die FDP ununterbrochen im Parlament. Mehr als vier Jahrzehnte war sie an Bundesregierungen beteiligt und bei Kanzlerwechseln mehrfach das Zünglein an der Waage. Den in früheren Jahren größten Stimmenverlust mussten die Liberalen 1994 hinnehmen. Damals rutschten sie von 11,0 auf 6,9 Prozent - ein Verlust von 4,1 Punkten. Nach ihrer "Wende" von der SPD zur Union war die Partei aber schon 1983 auf 7,0 Prozent abgerutscht (minus 3,7).
Schon 1969 hatte der FDP fast das Totenglöcklein geläutet. Mit ihrem schlechten Ergebnis von 5,8 Prozent (minus 3,7) überwand sie nur knapp die Sperrklausel, konnte aber mit der SPD eine sozial-liberale Bundesregierung bilden. Das Bündnis hielt 13 Jahre lang bis 1982.
Mehr als 50 Mal wurde die FDP aus Landtagen gekippt - zuletzt in Bayern und an diesem Sonntag auch in Hessen. Nur in Baden-Württemberg ist sie noch nie gescheitert. (mit dpa)
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