Beirut. Knapp 110 syrische Flüchtlinge bereiten sich im Libanon auf die Abreise nach Deutschland vor. Bei der Gruppe handelt es sich um die ersten der 5000 syrischen Flüchtlinge, die Deutschland aufnehmen wird. Nicht genug, meinen die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl und Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin.
Die ersten der 5000 syrischen Flüchtlinge, die Deutschland aufnehmen wird, bereiten sich im Libanon auf ihre Abreise vor. Die Gruppe versammelte sich vor dem Abflug am Mittwoch nahe der Zentrale der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in der libanesischen Hauptstadt Beirut. Bei den knapp 110 Flüchtlingen handele es sich vorwiegend um Frauen und Kinder, sagte eine IOM-Sprecherin. Unter ihnen sind nach Angaben der Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen (UNHCR) auch Folteropfer.
Die Flüchtlinge sollen am Nachmittag mit einem Sonderflug in Hannover eintreffen. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wird sie gemeinsam mit seinem niedersächsischen Amtskollegen Boris Pistorius (SPD) auf dem Flughafen begrüßen. Für die Syrer geht es anschließend in das Durchgangslager Friedland bei Göttingen, von wo aus sie nach zwei Wochen auf die Bundesländer verteilt werden sollen. (dpa)
Aufnahme von 5000 Syrern reicht laut Pro Asyl bei weitem nicht
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hält die Aufnahme von 5000 syrischen Flüchtlingen in Deutschland für völlig unzureichend. "5000 - das ist gemessen an der Katastrophe in Syrien wenig mehr als eine Geste", sagte der Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. "Wenn man die Region entlasten will, muss Deutschland in Europa mit einer viel größeren Zahl vorangehen." Im Kosovo-Krieg etwa habe Deutschland 15 000 bis 20 000 Flüchtlinge aufgenommen, in der Bosnien-Krise sogar 300 000.
Auch Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin verlangte von der Bundesregierung, deutlich mehr Syrien-Flüchtlinge aufzunehmen. "Als erstes sollte Deutschland allen hier lebenden Syrern erlauben, ihre Verwandten nach Deutschland zu holen. Damit könnten schon einmal 50 000 kommen", sagte Trittin der "Rheinischen Post" (Mittwoch). Dies könne aber nur ein erster Schritt sein: "Als größtes Land in der Europäischen Union sind wir verpflichtet, die meisten Flüchtlinge aufzunehmen."
Pistorius will Aufnahme weiterer Flüchtlinge beschleunigen
Die Bundesregierung hatte sich im Frühjahr bereiterklärt, 5000 Flüchtlinge in einem Sonderprogramm nach Deutschland zu holen.
Boris Pistorius (SPD), der auch Vorsitzender der Innenministerkonferenz ist, will die Aufnahme weiterer Flüchtlinge beschleunigen. Er sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Sollte die Aufnahme weiterer Flüchtlinge zu lange dauern, müssen die Aufnahmekriterien und das Verfahren schnellstens überprüft werden. Wir müssen im Auge behalten, dass keiner der Schutzsuchenden durch bürokratische Hindernisse ausgeschlossen wird."
Pistorius warnte vor einer zu starren Quote. "Ein Festlegen auf Zahlen oder Quoten wäre jetzt das falsche Signal." Angesichts von mehr als zwei Millionen Menschen auf der Flucht gehe es um die größte humanitäre Katastrophe des jungen 21. Jahrhunderts. "Wir können und werden Verantwortung übernehmen und hoffen, dass diesem Beispiel auch andere Länder in Europa folgen, denn die Flüchtlinge dürfen bei uns nicht vor verschlossenen Türen stehen."
"Es darf nicht nur einen Familiennachzug für Reiche geben"
Die Bundesländer haben die Möglichkeit, über das deutsche Gesamtkontingent von 5000 Menschen hinaus weitere Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. Dazu hätten sich bislang zwar viele Länder bereiterklärt - darunter Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, wie Pro-Asyl-Geschäftsführer Burkhardt sagte. In manchen Ländern wie Bayern gelte das Angebot aber nur für Einzelfälle. In anderen Ländern müssten sich bereits in Deutschland lebende Angehörige verpflichten, für den Unterhalt ihrer Verwandten aus Syrien aufzukommen. Dies sei eine große Hürde. "Es darf nicht nur einen Familiennachzug für Reiche geben", mahnte er. Bund und Länder müssten deutlich mehr tun. (dpa)