Kairo. . Syriens Chemiewaffen-Vorräte gehören zu den umfangreichsten in Nahost. Die Anfänge reichen zurück bis in die 70er-Jahre. Lange machte das Regime von Baschar al-Assad ein Geheimnis um die Waffen. Eine internationale Kontrolle ist kurzfristig schwierig und kostet viel Geld.

Jahrzehntelang war Syriens Giftgas-Arsenal für die Welt ein Rätsel und für das Regime ein total gehütetes Geheimnis. Erstmals im Juni 2012 räumte der Sprecher von Präsident Bashar al-Assad die Existenz dieser Waffen dann offiziell ein. Nach dem Giftgasmassaker von Damaskus will der Diktator sein tödliches Arsenal nun angeblich unter die Aufsicht der internationalen Gemeinschaft stellen.

1968 war Syrien dem „Genfer Protokoll über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von biologischen Mitteln im Krieg“ beigetreten. Das internationale Chemiewaffen-Übereinkommen von 1993, das Entwicklung, Produktion, Lagerung und Besitz von Chemiewaffen verbietet, hat die Assad-Dynastie jedoch nie unterschrieben.

Senfgas und Nervengift

Nach Einschätzung westlicher Geheimdienste gehören Syriens Giftgasvorräte zu den größten des Nahen Ostens. Bisher bekannt sind vier Produktionsstätten nahe Aleppo, Homs, Hama und Latakia sowie drei Lager nahe Homs, Palmyra und Damaskus, wo sich auch das Chemiewaffen-Forschungszentrum befindet. Die Vorräte bestehen vor allem aus Senfgas, Sarin und dem Nervengift VX – insgesamt bis zu 1000 Tonnen, wie der französische Geheimdienst schätzt.

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Dieses Arsenal sicherzustellen und unter internationale Kontrolle zu bekommen, ist ein langwieriger und kostspieliger Prozess – zumal inmitten eines blutigen Bürgerkrieges. Selbst die ehemaligen Hauptkontrahenten des Kalten Krieges, USA und Russland, werden noch ein weiteres Jahrzehnt brauchen, bis sie sämtliches Giftgas aus ihren Depots neutralisiert haben. 35 Milliarden Dollar hat Washington in den letzten 20 Jahren bereits ausgegeben, um sein Arsenal in Hochtemperaturöfen unschädlich zu machen. Moskau vernichtete bisher 54 Prozent seiner Bestände.

Die Anfänge des syrischen Giftgas-Programmes reichen zurück bis in die 70er-Jahre, als Ägypten vor dem Yom-Kippur-Krieg gegen Israel 1973 seinem Verbündeten Syrien kleinere Mengen an Chemiewaffen überließ. In den 80er-Jahren baute Damaskus dann mit tatkräftiger ausländischer Hilfe sein Arsenal kräftig aus. Zunächst schickten die Sowjetunion und die Tschechoslowakei die Giftgasgeschosse und organisierten das Training im Umgang mit den gefährlichen Waffen.

Aufrüstung aus dem Westen

Nach Ende des Kalten Krieges beteiligten sich dann wohl auch westliche Firmen aus den USA, Großbritannien und den Niederlanden an dem Geschäft mit den dubiosen Rohstoffen.

Selbst im Januar 2012, als der syrische Bürgerkrieg bereits in vollem Gange war, genehmigte die Regierung in London noch den Export zweier Chemikalien, obwohl sie als mögliche Vorstufen von Giftgas auf einer internationalen Sperrliste stehen.

Die Kontrollen seien „von atemberaubender Laxheit“ gewesen, kritisierten britische Parlamentarier. Erst im Juni 2012 wurden die Lizenzen annulliert – nachdem die Europäische Union solchen Exporten per Sanktion den Riegel vorgeschoben hatte. Ob und wie viel der Chemie zu diesem Zeitpunkt bereits bei Assads Militär eingetroffen war, soll jetzt der Ausschuss für Waffenexport des Unterhauses klären.

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