Washington. Die US-Regierung hat mit einem überraschenden Angebot an Syriens Machthaber Assad weltweit für Verwirrung gesorgt. Außenminister Kerry sagte am Montag zunächst, Assad könne einen US-Militärschlag noch vermeiden, wenn er innerhalb einer Woche alle Chemiewaffen an die internationale Staatengemeinschaft übergebe. Später erklärte sein Ministerium aber, dies sei “rhetorisch“ gemeint gewesen.
Im Syrien-Konflikt hat der „Krieg der Worte“ einen neuen Höhepunkt erreicht und weltweit Verwirrung gestiftet. Sollte es zu einem US-Militärschlag gegen sein Land kommen, ließ Präsident Baschar-Al-Assad im US-Fernsehen am Morgen wissen, dann müssten die Amerikaner mit Vergeltungsschlägen aller Art rechnen. Unterdessen erweckte US-Außenminister John Kerry den Eindruck, Assad könne einen US-geführten Militärschlag in letzter Minute abwenden, wenn er sein Chemiewaffen-Arsenal kurzfristig unter unabhängige Kontrolle stellt.
Washington nahm das Angebot später mit dem Hinweis zurück, Kerrry habe eine rein „rhetorische“ Bemerkung gemacht. Am frühen Abend macht sich Syriens Partner Russland die unübersichtliche Lage zunutze. Außenminister Sergej Lawrow forderte die Regierung in Damaskus offiziell überraschend auf, sämtliche Chemiewaffen „unter internationale Kontrolle zu stellen und später zu vernichten".
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„Sicher, er könnte jedes einzelne Stück seiner chemischen Waffen der internationalen Gemeinschaft innerhalb der nächsten Woche übergeben - es übergeben, ohne Zeitverzug, und eine vollständige und völlige Erfassung erlauben. Aber er ist nicht im Begriff, das zu tun, und es ist offensichtlich auch nicht möglich“, sagte Kerry in London auf die Frage eines Reporters, ob eine militärische Auseinandersetzung noch verhindert werden könne.
Nachdem Nachrichten-Agenturen weltweit von dem bis dahin völlig neuen Zungenschlag berichtet hatten, sah sich die Regierung in Washington umgehend zur Klarstellung veranlasst. Kerry habe lediglich eine „rhetorische Bemerkung gemacht über die Unmöglichkeit und Unwahrscheinlichkeit, dass Assad die Chemiewaffen übergeben könnte", erklärte seine Sprecherin Jen Psaki in Washington auf Nachfrage von Journalisten. Assad könne schlicht „nicht vertraut werden“, andernfalls hätte er das (von internationalen Experten auf über 1500 Tonnen geschätzte) C-Waffen-Arsenal bereits „vor langer Zeit“ unter internationale Kontrolle stellen lassen.
„Diplomatischer Fehltritt“ Kerrys verstärkt Irritation über Linie der Obama-Regierung
Die von Beobachtern in Washington als „überflüssiger diplomatischer Fehltritt“ bezeichnete Äußerung Kerrys hat die in Washington existierende Irritation über die Linie der Regierung vor dem TV-Interview-Marathon von Präsident Obama weiter verstärkt.
Am Montagabend wollte der Oberbefehlshaber der Streitkräfte auf sechs Kanälen seine Argumente für die Notwendigkeit einer militärischen Strafaktion darlegen, um eine sich abzeichnende Abstimmungsniederlage im Kongress zu verhindern und die amerikanische Bevölkerung für seine Politik zu gewinnen. Bisher lehnt eine Mehrheit der über 500 Abgeordneten und Senatoren das Vorhaben des Präsidenten ab. In Umfragen liegt die Zustimmungsrate zu einem militärischen Engagement in Syrien bisher deutlich unter 40 Prozent.
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Zuvor hatte Denis McDonough, Obamas Stabschef, Verwunderung ausgelöst. Er hatte öffentlich erklärt, dass es keinen „unwiderlegbaren Beweis“ dafür gibt, dass Assad den Giftgaseinsatz vom 21. August nahe Damaskus angeordnet oder autorisiert hat. Dabei kamen nach US-Angaben rund 1500 Menschen ums Leben.
Obama-Interviews und Gespräch mit Assad Montagabend zeitgleich im US-TV
Parallel zu Obamas Interviews will der TV-Sender PBS am Montagabend ein Gespräch ausstrahlen, das der renommierte Moderator Charlie Rose mit Assad geführt hat. Dabei wies der syrische Präsident die Behauptung vehement zurück, mit dem Giftgas-Einsatz in Damaskus etwas zu tun zu haben. Assad deutete an, dass die Opposition im Bürgerkrieg dafür verantwortlich gewesen sein könnte. Assad wollte in dem Gespräch weder bestätigen noch dementieren, dass Syrien im Besitz von Chemiewaffen ist. Für den Fall, dass sein Land derartige Waffen vorhalte, so Assad, würden sie unter „zentraler Kontrolle“ gehalten.
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Außenminister Kerry hielt dagegen. Es bestehe kein Zweifel, dass Assad für den Einsatz von Chemiewaffen verantwortlich sei. „Wir wissen, wo die Raketen herkamen und wo sie einschlugen“, sagte er. Nur Assad selbst, dessen Bruder Maher al-Assad und ein General besäßen die Schlüsselgewalt über die Verlegung und den Gebrauch der Chemiewaffen in Syrien, betonte Kerry.
Der amerikanische Außenminister sagte im Beisein seines britischen Kollegen William Hague in London, dass der seit Tagen diskutierte Militärschlag unter anderem den Zweck erfüllen soll, Assad an den Verhandlungstisch zu zwingen und mittelfristig den Weg zu einer Übergangsregierung zu ebnen.