Moskau/New York. Syrien hat sich offenbar bereiterklärt, sein Chemiewaffenarsenal unter internationale Kontrolle zu stellen. Er begrüße den russischen Vorschlag, erklärte Syriens Außenminister Mualem. Zuvor hatte Russland die syrische Führung aufgefordert, ihre Chemiewaffen unter internationale Kontrolle zu stellen und zu vernichten.

Die amerikanische Regierung will den überraschenden Vorstoß Russlands zur Vermeidung eines amerikanischen Militärschlags gegen Syrien „intensiv und genau prüfen“. Washington schließt aber nicht aus, dass es sich um ein reines Hinhalte-Manöver handelt.

Moskaus Außenminister Sergej Lawrow hatte Syrien am Montag unvermittelt aufgefordert, seine Giftgasbestände umgehend unter internationale Kontrolle zu stellen und später vernichten zu lassen.

Westerwelle und Ban-Ki-Moon schlossen sich Russlands Vorschlag an

Der Vorschlag, dem sich UN-Generalsekretär Ban-Ki-Moon und der deutsche Außenminister Westerwelle umgehend anschlossen, sei „begrüßenswert“, sagte Obamas Sprecher Jay Carney. Allerdings bestehe im Moment wenig Grund für Zuversicht.

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Syrien weigere sich seit über 20 Jahren, die internationale Chemie-Waffenkonvention zu unterzeichnen. Selbst der Besitz von Nervengas-Waffen werde durchweg geleugnet. Außerdem, so Carney, habe Russland bis zuletzt auf der Ebene des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen alle Versuche abgeschmettert, Assad zur Rechenschaft zu ziehen. Mehr noch: Russland Präsident Putin habe jede Verantwortung des Regimes für Giftgasangriffe in der Vergangenheit bestritten.

Weltweites Erstaunen über Moskaus Vorstoß

Washington führt den weltweit mit Erstaunen aufgenommenen Vorstoß Moskaus, dem engsten Bündnisgenossen Assads, „eindeutig“ auf den von US-Präsident Barack Obama angedrohten Militärschlag zurück. Es gelte darum, den Druck auf das Regime in Damaskus unverändert aufrecht zu erhalten, sagt Carney. Dazu gehöre die Veröffentlichung der Gräueltaten am 21. August in Damaskus und die angestrebte Abstimmung im Kongress über eine Strafaktion für die Assad zugeschriebenen Giftgas-Angriffe. Dabei kamen nach US-Angaben fast 1500 Menschen ums Leben, darunter Hunderte Kinder.

Der Vorschlag der russischen Seite kam unmittelbar vor einem Interview-Marathon Obamas im US-Fernsehen. Dabei wollte der Präsident der amerikanischen Öffentlichkeit am Abend die Notwendigkeit erläutern, warum Präsident Assad zur Rechenschaft zu ziehen ist und von einem erneuten Gebrauch von Giftgas abgeschreckt werden müsse. Am Dienstag folgt dazu eine „Rede an die Nation“.

John Kerrys rätselhafte Aussage brachte alles ins Rollen 

Ausgelöst, ob beabsichtigt oder nicht, werden die nächsten Tage zeigen, hatte die russische Initiative US-Außenminister John Kerry. Der Chef-Diplomat hatte am Montagmorgen in London angedeutet, dass Assad einen drohenden Militärschlag abwenden könne, wenn er binnen einer Woche alle Chemiewaffen unter die Kontrolle der internationalen Staatengemeinschaft stellt. Noch im gleichen Satz hatte Kerry die Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios allerdings mit null angegeben: „Dazu wird es nicht kommen.“

Als international in den Medien der Eindruck entstand, in Syrien könne eine militärische Eskalation mit ungewissem Ausgang in letzter Minute verhindert werden, sah sich das Außenministerium in Washington zu einer Klarstellung veranlasst. Kerry habe nur eine „rhetorische Bemerkung gemacht über die Unmöglichkeit und Unwahrscheinlichkeit, dass Assad die Chemiewaffen übergeben könnte", erklärte seine Sprecherin Jen Psaki. Dem syrischen Diktator könne „nicht vertraut werden“. Andernfalls hätte er das von internationalen Experten auf über 1500 Tonnen geschätzte C-Waffen-Arsenal bereits „vor langer Zeit“ unter internationale Kontrolle stellen lassen.

Amerikas Bevölkerung ist mehrheitlich gegen einen Militärschlag

Nach dem Vorstoß der Russen signalisierte der zu Gesprächen nach Moskau gereiste syrische Außenminister Al-Mualem in einer ersten Stellungnahme prinzipiell Zustimmung. Assad selber äußerte sich am Abend nicht.

Der Verzicht auf einen Militärschlag gegen Syrien würde nach jetzigem Stand in weiten Teilen Amerikas begrüßt. Bisher lehnt eine Mehrheit der über 500 Abgeordneten und Senatoren im Kongress das Vorhaben des Präsidenten rigoros ab. In Umfragen liegt die Zustimmungsrate zu einem militärischen Engagement in Syrien in der Bevölkerung deutlich unter 40 Prozent. Nach der russischen Initiative, so vermuteten gestern Kommentatoren großer US-Zeitungen, werde es Obama „noch viele schwerer fallen, die Reihen hinter sich zu schließen und breite Unterstützung des Parlaments für seinen Angriffsplan zu bekommen“.

Zumal Denis McDonough, Obamas Stabschef, zuvor öffentlich erklärt hatte, dass es zwar viele Indizien aber keinen „unwiderlegbaren Beweis“ dafür gibt, dass tatsächlich Assad den Giftgaseinsatz vom 21. August autorisiert hat.

Soldatinnen in Syrien

Syriens Diktator Assad will seine Armee mit 500 Frauen verstärken. In der Stadt Homs werden sie ausgebildet.
Syriens Diktator Assad will seine Armee mit 500 Frauen verstärken. In der Stadt Homs werden sie ausgebildet. © AFP
Syriens Diktator Assad will seine Armee mit 500 Frauen verstärken. In der Stadt Homs werden sie ausgebildet.
Syriens Diktator Assad will seine Armee mit 500 Frauen verstärken. In der Stadt Homs werden sie ausgebildet. © AFP
Syriens Diktator Assad will seine Armee mit 500 Frauen verstärken. In der Stadt Homs werden sie ausgebildet.
Syriens Diktator Assad will seine Armee mit 500 Frauen verstärken. In der Stadt Homs werden sie ausgebildet. © AFP
Syriens Diktator Assad will seine Armee mit 500 Frauen verstärken. In der Stadt Homs werden sie ausgebildet.
Syriens Diktator Assad will seine Armee mit 500 Frauen verstärken. In der Stadt Homs werden sie ausgebildet. © AFP
Syriens Diktator Assad will seine Armee mit 500 Frauen verstärken. In der Stadt Homs werden sie ausgebildet.
Syriens Diktator Assad will seine Armee mit 500 Frauen verstärken. In der Stadt Homs werden sie ausgebildet. © AFP
Syriens Diktator Assad will seine Armee mit 500 Frauen verstärken. In der Stadt Homs werden sie ausgebildet.
Syriens Diktator Assad will seine Armee mit 500 Frauen verstärken. In der Stadt Homs werden sie ausgebildet. © AFP
Syriens Diktator Assad will seine Armee mit 500 Frauen verstärken. In der Stadt Homs werden sie ausgebildet.
Syriens Diktator Assad will seine Armee mit 500 Frauen verstärken. In der Stadt Homs werden sie ausgebildet. © AFP
Syriens Diktator Assad will seine Armee mit 500 Frauen verstärken. In der Stadt Homs werden sie ausgebildet.
Syriens Diktator Assad will seine Armee mit 500 Frauen verstärken. In der Stadt Homs werden sie ausgebildet. © AFP
Syriens Diktator Assad will seine Armee mit 500 Frauen verstärken. In der Stadt Homs werden sie ausgebildet.
Syriens Diktator Assad will seine Armee mit 500 Frauen verstärken. In der Stadt Homs werden sie ausgebildet. © AFP
Syriens Diktator Assad will seine Armee mit 500 Frauen verstärken. In der Stadt Homs werden sie ausgebildet.
Syriens Diktator Assad will seine Armee mit 500 Frauen verstärken. In der Stadt Homs werden sie ausgebildet. © AFP
Syriens Diktator Assad will seine Armee mit 500 Frauen verstärken. In der Stadt Homs werden sie ausgebildet.
Syriens Diktator Assad will seine Armee mit 500 Frauen verstärken. In der Stadt Homs werden sie ausgebildet. © AFP
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US-Sender zeigte Interview mit Assad

Parallel zu Obamas Interview-Reigen strahlte der TV-Sender PBS am Montagabend ein Gespräch aus, das der renommierte US-Fernsehjournalist Charlie Rose mit Assad geführt hat. Dabei wies der syrische Präsident die Behauptung vehement zurück, mit dem Giftgas-Einsatz in Damaskus etwas zu tun zu haben. Assad deutete an, dass die Opposition im Bürgerkrieg dafür verantwortlich gewesen sein könnte.

Assad drohte Amerika unspezifisch mit Vergeltungsschlägen für den Fall eines Militärschlags. Außenminister Kerry hielt zuvor dagegen. Es bestehe kein Zweifel, dass Assad für den Einsatz von Chemiewaffen verantwortlich sei. „Wir wissen, wo die Raketen herkamen und wo sie einschlugen“, sagte er. Nur Assad selbst, dessen Bruder Maher al-Assad und ein General besäßen die Schlüsselgewalt über die Verlegung und den Gebrauch der Chemiewaffen in Syrien, betonte Kerry.