Berlin. Laut Kanzleramtsminister Pofalla haben der US-Geheimdienst NSA als auch der britische Geheimdienst keine massenhafte Ausspähung betrieben. Das hätten die Geheimdienste in einer schriftlichen Erklärung an die Bundesregierung betont. Jetzt sollen Verhandlungen über ein No-Spy-Abkommen aufgenommen werden.

Die Bundesregierung sieht den Vorwurf der flächendeckenden Ausspähung Deutscher gegen die Geheimdienste der USA und Großbritanniens entkräftet. Die Vorwürfe seien "vom Tisch", sagte Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) am Montag in Berlin. Er bezog sich auf inzwischen vorliegende, schriftliche Versicherungen der USA und Großbritanniens.

"Es gibt in Deutschland keine millionenfache Grundrechtsverletzung", sagte Pofalla nach seiner Aussage im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) des Bundestags. Sowohl der US-Geheimdienst NSA als auch der britische Geheimdienst hätten schriftlich erklärt, dass sie sich in Deutschland an "Recht und Gesetz" hielten und keine massenhafte Ausspähung betrieben. Die in den vergangenen Wochen diskutierten Datenübermittlungen aus Deutschland an die NSA stammten aus der Auslandsaufklärung des Bundesnachrichtendienstes (BND).

Verhandlungen mit den USA

Als Konsequenz aus der NSA-Affäre wollen Deutschland und die USA ein Anti-Spionage-Abkommen abschließen. Damit soll gegenseitiges Ausspionieren ausgeschlossen werden, kündigte der für die Geheimdienste zuständige Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) am Montag nach einer Sitzung des Bundestagsgremiums zur Kontrolle der Dienste in Berlin an. Erste Kontakte zwischen Bundesnachrichtendienst (BND) und NSA dazu hätten bereits stattgefunden.

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Pofalla sagte weiter, die US-Behörden hätten das Angebot eines "No-Spy-Abkommens" nicht gemacht, "wenn ihre Aussage, sich an Recht und Gesetz zu halten, nicht stimmte". Ein solches Abkommen sei eine einmalige Chance, Standards für die künftige Arbeit der westlichen Geheimdienste zu setzen. Verhandlungen sollen noch in diesem Monat beginnen.

Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Thomas Oppermann (SPD), nannte das Angebot der US-Behörden "das gesichtswahrende Zugeständnis der Amerikaner", dass Ausspähungen in Deutschland oder Europa stattgefunden hätten. Es müsse aber auf Regierungsebene und nicht von den Präsidenten der Geheimdienste ausgehandelt werden.

Den Vorwurf, dass vom BND an die NSA weitergegebene Handynummern illegal zu tödlichen US-Drohnenangriffen gegen Terrorverdächtige genutzt würden, wollte der SPD-Politiker nicht erheben. "Ich kann nicht erkennen, dass der BND solche Informationen weitergibt."

Steinmeier wollte Rede und Antwort stehen - durfte aber nicht 

Für Empörung auf Oppositionsseite sorgte, dass die Koalition eine sofortige Anhörung des früheren SPD-Kanzleramtschefs Frank-Walter Steinmeier vor dem Gremium ablehnte. Steinmeier hielt der Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) daraufhin vor, nicht an der Aufklärung der Affäre interessiert zu sein. "Statt die Suchscheinwerfer einzuschalten, werden von der Merkel-Regierung Nebelkerzen geworfen", sagte er am Rande der Sitzung des Gremiums.

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Steinmeier war vorgeworfen worden, er habe mit einer Entscheidung von 2002 die Zusammenarbeit des BND mit der NSA ermöglicht. Vor Journalisten sagte er, die damalige Vereinbarung zur Übernahme der US-Abhörstation im bayerischen Bad Aibling habe diese Kooperation eingeschränkt und nicht ausgeweitet.

Drei bis vier Anschläge auf Truppen in Afghanistan abgewendet

Pofalla sagte, durch die Übermittlung von Daten der BND-Auslandsaufklärung an die NSA würden pro Woche drei bis vier Anschläge auf Truppen in Afghanistan abgewendet. Seit Januar 2011 seien insgesamt 19 Anschläge auf deutsche Soldaten in Afghanistan verhindert worden. Die Grundsatzentscheidung der damaligen rot-grünen Regierung zur Zusammenarbeit von BND und NSA stamme vom 24. Juli 2001 - das war noch vor den Anschlägen in den USA vom 11. September. Dies gehe zweifelsfrei aus den Akten des Kanzleramts und des BND hervor.

Oppermann wollte nach der fünfeinhalbstündigen Sitzung des Kontrollgremiums nicht ausdrücklich fordern, Merkel oder den früheren Kanzleramtschef und heutigen Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) zu laden. Er schloss dies aber auch nicht aus. Das Gremium soll am 19. August erneut zusammenkommen, um über weitere Konsequenzen aus der Datenaffäre zu beraten.(afp/dpa)