Berlin. . Der Innenminister muss nach seiner USA-Reise viel Spott ertragen. Dabei zeigen sich die Amerikaner durchaus gesprächsbereit. Der Minister erreichte immerhin mehr als eine EU-Delegation, die brüskiert wieder abreiste. Geheimverträge aus den 1960-er Jahren werden womöglich aufgehoben.

„Desaster“, „Luftnummer“ – die Reaktionen auf die USA-Reise von Innenminister Hans-Peter Friedrich sind vernichtend. Hohn und Spott werden nicht aufhören, wenn der CSU-Mann dem parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) berichtet. Hinter verschlossenen Türen, im schalldichten Raum der Kontrolleure der Geheimdienste, wird er morgen im Bundestag nichts anders sagen können als am Freitag vor laufenden TV-Kameras in Washington. Die US-Regierung verriet nicht, wie stark sie Deutschland ausspähen lässt. Ein Fragenkatalog wurde nur ansatzweise beantwortet. Die Stimmung in der Delegation war denn auch verhalten.

Im Grunde war es das erste Mal, dass ein Minister nach Washington flog, um eine rote Linie zu markieren. „We don’t spy each other“, versicherte ihm Vize-Präsident Joe Biden, der sich für 20 Minuten dazusetzte, als Friedrich mit der Sicherheitsberaterin Lisa Monaco sprach. Übersetzt: Wir spionieren uns nicht gegenseitig aus. Ein Satz, der Spöttern Raum gibt. Von gegenseitig war ja nie die Rede.

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Friedrich hat nach eigener Darstellung gesagt, es wäre inakzeptabel, wenn US-Geheimdienste auf deutschem Boden gegen Gesetze verstoßen würden. Justizminister Eric Holder stimmte zu. Er erklärte, dass weder die deutsche Regierung noch die Wirtschaft ausgespäht werden. Was aber ist mit den Bürgern? Da wurde nicht der Verdacht ausgeräumt, dass das US-Spähprogramm Prism flächendeckend die Kommunikation überwacht; die Inhalte abgreift und nicht bloß die Verbindungsdaten.

Die Deutschen sollen Einblick bekommen

Lisa Monaco versicherte, dass die Amerikaner nur aktiv werden, wenn es um die Sicherheit geht, etwa um den Kampf gegen Terrorismus oder den Waffenhandel. Sie versprach auch, die Unterlagen zu Prism zu öffnen. Der Deklassifizierungsprozess sei in Gang. Das heißt: Die Deutschen bekommen Einblick in die Arbeit der US-Behörden. Anfang September, während eines G-7-Treffens in Italien, sollen Friedrich und Minister Holder eine Bilanz ziehen, so dass man im Innenministerium hofft, dass der Dialog weitergeht.

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Das gilt auch für die Geheimverträge, die seit den 60er Jahren gelten, aber angeblich seit der deutschen Einheit nicht relevant waren. Monaco sagte, sie habe davon nur aus den Medien erfahren. „Wir mussten auch selber ins Archiv gehen“, scherzten ihre Gäste. Fakt ist: Die Verträge sind Relikte aus der Zeit, als Deutschland noch nicht voll souverän war. Die USA wollen „prüfen“, sie aufzuheben.

Friedrich hofft, dass die Amerikaner Rücksicht auf deutsche Sensibilitäten nehmen. Er selbst fühlte sich respektiert, erst recht im Vergleich mit jener EU-Delegation, die aus dem gleichen Grund in Washington weilte. Die Amerikaner fragten die EU-Vertreter, was für ein Mandat sie hätten. „It’s a national matter“ – eine nationale Angelegenheit, mit den Worten wurden die Europäer abgespeist. EU-Kreise empfanden dies als Eklat.

Wenig Eindruck in Berlin

Friedrichs kleine Achtungserfolge machen in Berlin wenig Eindruck. Selbst die FDP, sein Koalitionspartner, lästerte über „verbale Beruhigungspillen“. Die SPD geht weiter, sie will an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ran. Spitzenkandidat Peer Steinbrück erinnerte sie an ihren Amtseid, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Nun habe sich herausgestellt, dass die Grundrechte von Bürgern massiv verletzt worden seien. „Also: Schaden vom Volk abzuwenden – das stelle ich mir anders vor.“

Die Wogen gehen so hoch, dass ein kleiner Satz unterging, der ei­gentlich die Fantasie beflügeln müsste. Zu Wort meldete sich der Präsident des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen. In jedem Jah­resbericht seiner Behörde kann man nachlesen, was sie gegen russische, chinesische oder iranische Spione tut. Nun kündigte er an, die Abwehr digitaler Spionage auszubauen. Ist das ein Hinweis darauf, dass wir uns künftig vor der Spionage der Partner schützen wollen?