Washington. Der amerikanische Softwareriese hat laut einem britischen Medienbericht dem US-Abhördienst NSA und der Bundespolizei FBI heimlich dabei geholfen, Daten von Millionen Privatkunden abzugreifen. So soll der Inhalt von E-Mails bei Outlook und Hotmail bereits vor der Entschlüsselung abgefischt worden sein. Ähnliches gilt für Skype.
„Ihre Privatsphäre ist unsere Priorität“. Der Werbespruch des Software-Riesen Microsoft erscheint vor dem Hintergrund neuer Details aus den Enthüllungen des flüchtigen Ex-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowdens wie Hohn - wenn sich die Vorwürfe bestätigen sollten. Wie der britische "Guardian" auf seiner US-Internetseite am Donnerstag berichtete, hat Microsoft dem US-Geheimdienst NSA und der Bundespolizei FBI nachhaltig dabei geholfen, im Geheimen Daten von Millionen von Privatkunden abzugreifen.
Danach kann die NSA den Inhalt von Chats und E-Mails im Programm Outlook.com und bei Hotmail bereits vor der Verschlüsselung abfischen. Der Microsoft-Dienst „SkyDrive“ mit cirka 250 Millionen Nutzern weltweit, ein Cloud-Dienst, hat eine eigene Schnittstelle zur NSA.
Der beliebte Internet-Dienst Skype, der weltweit rund 660 Millionen Menschen kostenloses Telefonieren via Internet ermöglicht und seit 2011 zu Microsoft gehört, kooperiert demnach intensiv mit FBI und NSA, um Audi- und Video-Gespräche geheim mitzuschneiden.
Angeblich stets auf der Grundlage gesetzlicher Vorschriften
Wie der Guardian-Autor Glenn Greenwald unter Bezug auf Snowden-Papiere berichtet, haben Microsoft/Skype die US-Geheimdienste sogar aktiv bei der Suche nach technischen Umgehungen unterstützt, um nicht weiter bereits verschlüsselte Mitteilungen abfangen zu müssen.
Mit den Vorwürfen konfrontiert, erwiderte der milliardenschwere Windows-Konzern in einer knapp gehaltenen Mitteilung, dass eine Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen stets auf Einzelanfragen basiere und gesetzliche Grundlagen habe. Keinesfalls aber würde ein flächendeckender Zugriff in Form eines Blankoschecks ermöglicht. Erst vor wenigen Tagen hatte Microsoft berichtet, dass US-Geheimdienste in den letzten sechs Monaten des Vorjahres detaillierte Informationen zu insgesamt 32 000 Konten bei unterschiedlichen Diensten des Konzerns angefordert hätten. Warum, weshalb genau? Kein Kommentar.
Unabhängig überprüfbar sind die Zahlen nicht. Hintergrund: Nach dem amerikanischen Gesetz für Auslandsspionage (Fisa) war den Internet-Unternehmen bis vor kurzem nicht einmal gestattet, grob Auskunft über das Ausmaß staatlicher Überwachungsbegehren zu geben, das allein durch ein geheim tagendes Gericht in Washington festgelegt wird. Erst durch den öffentlichen Druck nach den ersten Snowden-Enthüllungen Anfang Juni wurde der „Maulkorb“ gelockert. Zum Missfallen der Firmen. Microsoft bekundete mehrfach, es gebe „Aspekte der Debatte, die wir gerne freier diskutieren würden“. Allerdings sei man durch US-Gesetze strikt zur Zusammenarbeit mit dem Staat verpflichtet - und zu absoluter Verschwiegenheit.
Neue Vorwürfe überschatten Friedrich-Visite in den USA
Weiter strittig bleibt darum, ob Edward Snowden die Wahrheit sagt, wenn er behauptet, die NSA könne mit technischer Unterstützung der Industrie quasi nach eigenem Gutdünken auf konkrete Kommunikationsdaten im In- und Ausland zugreifen. Microsoft & Co. bestreiten bisher energisch, dass Behörden ohne Umwege direkt ihre Daten-Server anzapfen können. In seinem ersten großen Video-Interview in Hongkong hatte Edward Snowden detailliert berichtet, dass Firmen wie Google, Facebook, Apple und Microsoft der NSA „einen direkten Zugang zu ihren Daten geben, den sie nicht beaufsichtigen müssen, damit sie dafür später nicht haftbar gemacht werden können“.
Das Einzelbeispiel Skype, ursprünglich eine schwedisch-dänische Firma, zeigt nach Angaben des „Guardian“, wie unbekümmert der Datenschutz von amerikanischen Stellen ausgehebelt wird. Danach habe die NSA seit 14. Juli 2012 uneingeschränkten Zugang zu den verschlüsselten Gesprächen von Skype-Nutzern besessen. Davor konnte der Geheimdienst nur den Ton mitschneiden. In einem Papier der NSA von Snowden heißt es lapidar: „Die gesammelten Skype-Anrufe waren sehr klar und die Metadaten sahen vollständig aus.“
Die neuen Enthüllungen überschatten einen Kurzbesuch von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) in Washington, wo er den Spähvorwürfen gegen den US-Geheimdienst NSA auf den Grund gehen will. Der Minister brach am Donnerstag Richtung USA auf.
"Unter Freunden muss man Klartext reden können", sagte er vor seiner Abreise. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) rügte derweil die Informationspolitik der US-Partner und sprach von einem Vertrauensverlust. Die Aufklärung werde mit Friedrichs Reise nicht beendet sein, sagte sie voraus.
Der US-Geheimdienst NSA soll im großen Stil deutsche Bürger und Einrichtungen ausgespäht haben. Auch Wochen nach den ersten Enthüllungen darüber wartet die Bundesregierung noch immer auf Antworten aus Washington. Friedrich will nun in der US-Hauptstadt mit Regierungsvertretern über die Vorwürfe reden. Wie viel die Amerikaner bei dem Besuch preisgeben werden, ist aber fraglich. (mit dpa)