München. Das Überwachungsprogramm “Tempora“ des britischen Geheimdienstes will Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger auf europäischer Ebene auch im Rahmen der EU-Datenschutzrichtlinie diskutieren. Es müsse geklärt werden, unter welchen Umständen Daten gespeichert werden können.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) will auf europäischer Ebene über das Spähprogramm Tempora des britischen Geheimdienstes Government Communications Headquarters (GCHQ) diskutieren. Das Thema müsse "im Kontext der laufenden Diskussion über die EU-Datenschutzrichtlinie" auf dem informellen Justizministertreffen Mitte Juli erörtert werden, heißt es in zwei Briefen an das Justiz- und Innenministerium in London, aus denen die "Süddeutsche Zeitung" in ihrer Mittwochsausgabe zitiert.

Weiter fordert die Ministerin von Großbritannien Aufklärung über die Rechtsgrundlagen für das breit angelegte Abschöpfen von Telefon- und Internetkommunikation zwischen dem europäischen Festland und den USA. Vor allem will sie in Erfahrung bringen, ob eine Speicherung von Daten nur bei konkretem Verdacht zulässig ist oder auch "ohne konkrete Hinweise auf ein Fehlverhalten". Zudem müsse geklärt werden, ob Richter die Überwachung genehmigen müssten.

Nach Informationen der "SZ" zapfen die GCHQ ein Glasfaserkabel an, über das ein Großteil des deutschen Datenverkehrs mit den USA fließt. Die Briten sollen mit dem Abhörprogramm "Tempora" Millionen Telefonverbindungen erfassen, wie zunächst der britische "Guardian" unter Berufung auf den ehemaligen US-Geheimdienstler Edward Snowden berichtet hatte. Bereits zuvor war der US-Geheimdienst NSA wegen des Ausspähens des Internets in die Kritik geraten.

Ex-BND-Präsident Wieck: Tempora nicht illegaler als andere Geheimdienst-Tätigkeiten

Der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Hans-Georg Wieck, sieht in Überwachungsprogrammen wie dem britischen Tempora nichts Verwerfliches. Damit werde ein "Beitrag zur Bekämpfung des Terrorismus auch in Deutschland" geleistet, sagte er der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung". Wieck fügte hinzu: "Wir machen das in Gestalt des Bundesnachrichtendienstes im Ausland selbst. Da ist nicht mehr Illegales drin als in anderen geheimdienstlichen Tätigkeiten." Es müsse nur vermieden werden, dass der Eindruck entstehe, die gewonnenen Informationen würden gegen andere Länder verwendet.

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Die Grünen haben die Bundesregierung zur Prüfung rechtlicher Schritte gegen die Datensammelpraxis der USA und Großbritanniens aufgefordert. Die Regierung solle prüfen, ob der Internationale Gerichtshof angerufen werden könne. Im Fall Großbritanniens solle zudem ein Verfahren wegen Verdachts auf Verletzung der EU-Verträge erwogen werden, heißt es in einem Antrag der Bundestagsfraktion, der der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt.

Fraktionschefin Renate Künast sagte: "Diese eklatanten Grundrechtsverletzungen müssen gegenüber Großbritannien unmissverständlich angesprochen und Aufklärung gefordert werden." Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dürfe keine Totalüberwachung deutscher Bürger hinnehmen. "Die Bundesregierung muss diesen orwellschen Irrsinn schnellstmöglich beenden." Geklärt werden müsse auch, ob deutsche Behörden von den Daten profitieren, forderte Künast. (dpa)