Quito. . Ecuadors Präsident Rafale Correa bietet Edward Snowden Asyl an. Doch bei der Pressefreiheit misst der Andenstaat selbst mit zweierlei Maß. Hinter dem Angebot steckt politisches Machtkalkül und der Wunsch, sich gegenüber den mächtigen USA zu profilieren. Doch der Schuss könnte nach hinten losgehen.
Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Diese Lebensweisheit hat sich offenbar nicht bis Ecuador herumgesprochen. Denn während Linkspräsident Rafael Correa über seinen Außenminister Ricardo Patiño mit großer Geste die Meinungsfreiheit retten will, indem er dem Enthüller Edward Snowden Asyl in Aussicht stellt, ist er daheim in Südamerika kein großer Freund mutiger Reporter und kritischer Journalisten.
Kontrolle der Medien
„Snowden würde in Ecuador für seine Taten auch ins Gefängnis gehen“, sagt der Analyst Ramiro Crespo. Denn der kleine Andenstaat arbeitet seit mehreren Jahren schon daran, die Presse- und Meinungsfreiheit einzuschränken. Die letzte Verschärfung liegt gerade zehn Tage zurück. Am 14. Juni verabschiedete das Parlament in Quito ein neues Pressegesetz, das den Straftatbestand des „medialen Lynchens“ schafft. Eine Aufsichtsbehörde soll künftig unabhängige Berichte der Medien überprüfen und Strafen verhängen können. Daher nimmt man Correa sein Bekenntnis nur schwer ab, es gehe ihm darum, die internationale Meinungs- und Pressefreiheit zu verteidigen.
Bei Correas Überlegungen spielt politisches Machtkalkül eine Rolle. Der 50 Jahre alte Linksnationalist hat so erneut die Chance, sich als der Präsident zu profilieren, der es wagt, die mächtigen USA herauszufordern. So etwas kommt in Lateinamerika sehr gut an. Washington die Stirn zu bieten, steigert fast überall die Popularität in der Region. Am 19. Juni 2012 floh der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, Julian Assange, in die ecuadorianische Botschaft in London. Dort sitzt der Australier bis heute.
Führungsfigur der Linken
Correa könnte so seine Rolle als neue Führungsfigur der Linken in Lateinamerika festigen. Nach dem Tod von Venezuelas Hugo Chávez ist dieser Platz verwaist. In seiner anti-imperialistischen Haltung liegt Correa dabei auf einer Linie mit seinen südamerikanischen Kollegen Nicolás Maduro (Venezuela), Evo Morales (Bolivien) und den Kubanern Fidel und Raúl Castro.
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Sie alle geißeln das „Imperium“ im Norden und sehen in ihm die Quelle allen Übels. Da macht es Spaß, die Vereinigten Staaten ärgern zu können, wenn man deren Lieblingsfeinden politisches Asyl gewährt. „Correa wird nur schwer der Versuchung widerstehen können, Washington vorzuführen“, sagt Michael Shifter, Chef der Politberatung Inter-American Dialogue in Washington.
USA als mächtiger Handelspartner
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Vicente Torrijos, Hochschullehrer an der Universität Rosario in Bogotá, vermutet, Correa könne sich mit dem Asylangebot für Snowden auch in China andienen wollen. „Er hat der Regierung in Peking ein Problem vom Hals geschafft, was sich in höheren Investitionen und mehr Handel niederschlagen könnte“, glaubt Torrijos. China ist in den vergangenen Jahren ohnehin zu einem der wichtigsten Wirtschaftspartner des Andenstaates aufgestiegen.
Noch aber sind die USA wirtschaftlich existenziell wichtig für Ecuador. Daher könnten die Folgen eines positiv beschiedenen Asylantrags schmerzhaft sein für das kleine Land. Die USA sind Haupthandelspartner des Andenstaates. 45 Prozent der ecuadorianischen Exporte gehen nach Nordamerika, davon sind 400 000 Arbeitsplätze abhängig.