Hongkong/Washington. Seinen Enthüllungen hat Snowden von langer Hand vorbereitet: Nur um die Spähaktionen der USA im Internet aufzudecken, nahm der 30-jährige nach eigenen Angaben den Job für den US-Geheimdienst auf. Auf seiner Flucht vor der US-Justiz ist der IT-Spezialist untergetaucht.
Der US-Informant Edward Snowden hat sich nach eigenen Angaben von vornherein in den US-Geheimdienst eingeschleust, um dessen Schnüffeleien im Internet aufzudecken. Allein aus diesem Grund habe er den Job als IT-Techniker bei der Beratungsfirma Booz Allen Hamilton angenommen, die im Auftrag des US-Geheimdienstes NSA an der Internet-Überwachung beteiligt war, zitierte ihn die Hongkonger Zeitung "South China Morning Post" vom Dienstag aus einem früheren Interview. Seine Arbeit habe ihm Zugang zu Listen mit gehackten Computern in der ganzen Welt verschafft. "Deswegen habe ich die Position vor rund drei Monaten angenommen."
Zwei Tage nach seiner Flucht von Hongkong nach Moskau fehlt von dem Ex-US-Geheimdienstler jede Spur. Der 30-Jährige, der umfangreiche Abhöraktionen amerikanischer und britischer Geheimdienste öffentlich gemacht hatte, habe sich nicht an Bord eines Flugzeugs von Moskau nach Kuba befunden, berichtete ein Reporter des US-Senders CNN, der ebenfalls in der Maschine gesessen hatte. Es war vermutet worden, dass Snowden über Havanna nach Ecuador reisen wollte, wo er Asyl beantragt hat. Die USA suchen ihn wegen Geheimnisverrats.
Snowdens Flucht belastet Verhältnis zwischen USA, China und Russland
Die spektakulärere Flucht belastet das Verhältnis zwischen den beteiligten Großmächten: US-Außenminister John Kerry warnte China und Russland am Montag vor "Konsequenzen". Das Weiße Haus forderte Moskau zur Auslieferung des 30-Jährigen auf. Kerry übte auch scharfe Kritik an Peking und sprach von einem "schweren Rückschlag" für die Beziehungen. US-Präsident Barack Obama sagte, die USA versuchten im Gespräch mit den betroffenen Ländern "sicherzustellen, dass das Recht zum Zuge kommt". Für eine Festnahme und eine Auslieferung an die USA sieht Russland allerdings keinen Grund.
Auch interessant
Nach heftiger Kritik aus den USA verteidigte die Regierung von Hongkong ihre Entscheidung, den 30-Jährigen am Sonntag trotz eines US-Antrags auf Festnahme ziehen zu lassen. Regierungschef Leung Chun-ying verwies auf unzureichende Informationen der USA über die Vorwürfe und andere Formfehler, gegen die Snowden hätte Einspruch einlegen können. Die Einwanderungsbehörde teilte ferner mit, keine Mitteilung der US-Regierung erhalten zu haben, dass sein Reisepass für ungültig erklärt worden sei.
Snowden plant offenbar weitere Enthüllungen
Wie aus dem Interview der "South China Morning Post" mit Snowden hervorgeht, hatte er schon lange vorgehabt, die Schnüffeleien der USA im Internet aufzudecken. Auf Nachfrage, ob er speziell den Job bei Booz Allen Hamilton angenommen habe, um Material dafür zu sammeln, antwortete Snowden: "Korrekt." In seiner Arbeit als Computer-Administrator habe er große Mengen an geheimen Informationen gesammelt. Nach Angaben der Zeitung, die nach und nach Teile ihres Interviews vom 12. Juni veröffentlicht, plant der 30-Jährige weitere Enthüllungen über die Schnüffeleien der USA. Vorher wolle er das Material aber noch weiter sichten.
Auch interessant
Bei seinem Aufenthalt in Hongkong war Snowden von dem Anwalt und oppositionellen demokratischen Abgeordneten Albert Ho beraten worden. Über Mittelsmänner sei Kontakt zur Regierung der chinesischen Sonderverwaltungsregion unterhalten worden, berichteten die "South China Morning Post" und die "New York Times". Snowden sei am Freitag signalisiert worden, dass er bei einer Ausreise nicht aufgehalten werde, doch sei der 30-Jährige misstrauisch gewesen und habe um zusätzliche Versicherungen gebeten. Mit dem wachsenden Druck habe sich Snowden am Sonntagmorgen entschieden, nach Moskau zu fliegen.
Die Enthüllungsplattform Wikileaks, die Snowden auf der Flucht unterstützt, teilte mit, dass sich dieser "auf einer sicheren Route" nach Ecuador befinde und von Diplomaten und Rechtsberatern von Wikileaks begleitet werde. Ecuador gewährt bereits Wikileaks-Gründer Julian Assange politisches Asyl. Seine Enthüllungsplattform hatte diplomatische Geheimdokumente über die Rolle der USA in den Kriegen im Irak und in Afghanistan veröffentlicht. Assange sitzt seit über einem Jahr in der ecuadorianischen Botschaft in London fest. Auch er befürchtet, an die USA ausgeliefert zu werden. (dpa)