Stuttgart. Die Polizei in Baden-Württemberg hat einen ehemaligen Aufseher des Konzentrationslagers Auschwitz festgenommen. Wegen des dringenden Tatverdachts, die Morde in dem Vernichtungslager unterstützt zu haben, wurde der 93-Jährige am Montag in Untersuchungshaft genommen, teilte die Staatsanwaltschaft Stuttgart mit.
Ein 93 Jahre alter früherer Bediensteter des Konzentrationslagers Auschwitz ist am Montag verhaftet worden. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Stuttgart steht der Mann aus Aalen in Baden-Württemberg unter dringendem Tatverdacht, von Herbst 1941 bis zur Auflösung des Lagers im Frühjahr 1945 Morde im Konzentrationslager unterstützt zu haben. Eine Anklage gegen den 93-Jährigen wegen Beihilfe zum Mord werde vorbereitet.
Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa gehörte der Mann dem Totenkopf-Sturmbann an, das war praktisch die Wachmannschaft des Konzentrationslagers. Später arbeitete er für die dortige SS-Standortverwaltung als Koch. Jedoch kochte er nicht für die Häftlinge, sondern für die SS-Truppe. Sein Name steht auf der Liste der zehn meistgesuchten Nazi-Verbrecher. Auf die Frage, ob er in Auschwitz gewesen sei, sagte er der "Welt am Sonntag": "Ja, als Koch, die ganze Zeit."
Der gebürtige Litauer wanderte 1956 in die USA aus, nach Chicago. Dort arbeitete er nach Medienberichten bei der Gitarrenfirma Harmony. Im Jahr 1982 wurde er ausgewiesen, weil er den USA seine SS-Vergangenheit verschwiegen hatte. Seit seiner Einreise nach Deutschland im Jahr 1983 wohnte er in Aalen (Ostalbkreis).
Der Mann ist in Untersuchungshaft. Ein Arzt hatte den Mann trotz seines hohen Alters am Montag als haftfähig beurteilt. Seit November 2012 hatte die Stuttgarter Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelt
Früherer Aufseher soll Beihilfe zur Ermordung von Hundertausenden geleistet haben
Die Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg hatte im vergangenen Jahr zwei wichtige Vorermittlungsverfahren abgeschlossen. Sie gab diese weiter an die zuständigen Staatsanwaltschaften nach Weiden in Nordbayern und nach Stuttgart. In beiden Fällen handelt es sich um frühere Aufseher im Konzentrationslager Auschwitz und den Vorwurf, Beihilfe zur Ermordung von mehreren Hunderttausend Menschen geleistet zu haben, überwiegend Juden.
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Seit dem spektakulären Prozess gegen den KZ-Aufseher John Demjanjuk wegen Beihilfe zum Mord in Tausenden von Fällen hat die NS-Stelle mehr Möglichkeiten, NS-Verbrecher vor Gericht zu bringen: Die Ermittlungsbehörden waren bis zu dem Richterspruch davon ausgegangen, dass bei NS-Delikten für eine Verurteilung eine Individualschuld nachgewiesen werden muss. Dies ist nun nicht mehr der Fall. Für das Landgericht München genügte eine Tätigkeit in einem Vernichtungslager, um Demjanjuk schuldig zu sprechen. Der Ukrainer wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt.
Der Leiter der NS-Stelle, Kurt Schrimm, ging zuletzt davon aus, dass sich möglicherweise 50 mutmaßliche KZ-Aufseher aus den Vernichtungslagern Auschwitz und Auschwitz-Birkenau noch in diesem Jahr wegen Beihilfe zum Mord vor Gericht verantworten müssen. (dpa/afp)