Oberhausen. “Du wurdest grade gehitlert!“: Das Freiher-vom-Stein-Gymnasium in Oberhausen reagierte, nachdem NS-Parolen auf Schüler-Handys auftauchten. Der Staatsschutz in Essen ermittelt. Und die Schule startet eine Projekt zum Thema Rechtsextremismus: Die Theresienstadt-Überlebende las aus ihrer Biografie.
Ein gelber Smiley mit Hitlerfrisur und -schnäuzer und der Spruch „Du wurdest grade gehitlert! Ich bin jetzt dein Führer“ jagte auch am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium per Handy durch die siebte und achte Jahrgangsstufe. Kollegium und Eltern reagierten sofort und schalteten die Polizei ein. Der Staatsschutz in Essen ermittelt.
Die Schule startete eine Projektreihe zum Thema Rechtsextremismus und bat Margot Friedländer um eine Lesung. Die 91-Jährige überlebte das Konzentrationslager Theresienstadt.
Vater starb in Vernichtungslager
Gut 200 Schüler haben sich in der Aula versammelt. Es ist so still, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte. Margot Friedländer liest aus ihren Memoiren: Sie wurde 1921 in Berlin geboren. Ihre Eltern waren Juden. Nach der Scheidung lebte sie mit ihrer Mutter und dem vier Jahre jüngeren Bruder Ralph in Kreuzberg. „Wir hatten mehrfach versucht auszuwandern“, erzählt sie. Doch 1938 hätten die USA der Familie die Einreise verweigert. Nachdem der Vater 1942 in einem Vernichtungslager ermordet worden war, plante die Familie am 20. Januar 1943 die Flucht.
Margot Friedländer erinnert sich gut an jenen schicksalhaften Tag, an dem sie sich noch kurz mit ihrer Mutter und ihrem Bruder treffen wollte. Sie ahnte nicht: Der Bruder war bereits verhaftet, die Gestapo wartete vor der Wohnung. Mit Hilfe einer Nachbarin entkam sie im letzten Moment. Die Mutter deponierte ihre Handtasche mit einem Adressbuch und einer Bernsteinkette bei Freunden. Dann stellte sie sich der Polizei, um ihren Sohn zu begleiten. „Versuche, dein Leben zu machen“, ließ sie der Tochter übermitteln. „Ich war bis dahin noch niemals alleine, musste noch nie Entscheidungen für mich treffen – plötzlich war ich ohne Familie, ohne ein Zuhause.“
"Gab es eine letzte Umarmung?"
Friedländer versteckte sich 15 Monate lang im Untergrund, „bei fremden Menschen, die ich nicht kannte und die mich nicht kannten und dennoch ihr Leben für mich riskierten“. Sie kämpfte mit dem Gefühl, Mutter und Bruder im Stich gelassen zu haben, weil sie sich nicht ebenfalls der Polizei stellte, „um mit ihnen zu gehen, wohin auch immer“. Sie färbte sich die schwarzen Haare tizianrot, ersetzte den Judenstern durch eine Kette mit Kreuz. Doch es half nichts. Im Frühjahr 1944 geriet sie in eine Kontrolle. „Ich wurde verhaftet und in das Ghetto Theresienstadt gebracht.“ Dort traf sie Adolf Friedländer wieder, den sie bereits vom Jüdischen Kulturbund in Berlin kannte. Sie überlebten, heirateten und reisten 1946 per Schiff nach New York. Später erfuhr sie, dass Mutter und Bruder im Konzentrationslager Auschwitz umgekommen sind. „Sie wurden gleich nach der Ankunft getrennt, ich frage mich bis heute, ob es wohl eine letzte Umarmung, einen letzten Blick gab?“