Düsseldorf. . Das Publikum außer sich, ein Regisseur im Buh-Gewitter: Samstag hatte der “Tannhäuser“-Beitrag der Düsseldorfer Rheinoper zum Wagnerjahr Premiere. Burkhard Kosminski zeigt einen Titelhelden, den die schwere Schuld von Nazi-Deutschland drückt.
Adornos Satz, Gedichte nach Auschwitz zu schreiben, sei barbarisch, hat das Kunstverständnis der Bundesrepublik geprägt wie kein zweiter. Man dachte daran, als Samstag an Düsseldorfs Rheinoper „Tannhäuser“ Premiere feierte. Für Wagners Sängerkrieg öffnete sich schon zur Ouvertüre die Gaskammer. Nackte verendeten im Gift. Vor ihnen wälzte sich ein Held, dem die Geschichte zum Albtraum des Lebens geworden ist: Tannhäuser.
Als dieser Tannhäuser – bei Wagner ein Ritter zwischen zwei Frauen und ihren Welten (bittersüße Sünde oder Heil mit höfischen Auflagen) – auf der Bühne eine jüdische Familie auslöscht, ist es um die Ruhe geschehen. „Vorhang!“, brüllen Menschen, „Aufhören!“, „Buh!“.
Blut- und Schnürboden-Oper mit Hakenkreuz und nackten Toten
Es ist eine ganz normale Reaktion, wie immer, wenn Kunst einer Erwartungshaltung nicht entspricht. Natürlich ist es auch: eine Zumutung. Einerseits, weil Regisseur Burkhard Kosminski in seinem Operndebüt eine Geschichte behauptet, die bei Wagner nicht existiert. Das größere Wagnis ist die Schonungslosigkeit, mit der Kosminski seine Blut- und Schnürboden-Oper am Laufen hält. Hakenkreuze und nackte Tote sind seine Zeugen. Lässt man sich ein auf diese surreale Welt eines auf ewig schuldig Gewordenen, muss man diesem Abend szenische Konsequenz attestieren. Dilettantisch ist nichts inszeniert. Dramaturgisch fragwürdig ist manches: Sein Rivale Wolfram vergewaltigt Tannhäusers Favoritin Elisabeth. Die bringt sich um.
Kosminskis Zugriff, dem Florian Ettis Bühnenraum mit (un-)durchlässigen Quadern effekt- und sinnvoll zuarbeitet, fordert Opfer. Seltsam bedeutungslos wirken die Sänger. Zu groß sind die Schatten einer Historie, die den Mittelalter-Barden erst an der Brust einer Nazi-Schergin (Elena Zhidkova, vokal eine dauerhysterische Venus) zum Täter macht, später in der Persilschein-Gesellschaft der jungen BRD zum Außenseiter – obwohl auch andere Edelmänner seine Vergangenheit teilen: Man sieht das Blut recht frisch von den Sohlen der Biterolfs und Walthers tropfen.
Fröhliche Verdrängungsgesellschaft
Das Verstörende dieses Abends ist sein düsteres Kapital. Man sieht im zweiten Akt die fröhliche Verdrängungsgesellschaft und kommt nicht umhin, zu erinnern, dass selbst die Neu-Bayreuther Wieland und Wolfgang sich politische Diskussionen nach dem Weltkrieg verbaten. Sie zitierten trotzig Großvater Richard: „Hier gilt’s der Kunst.“ Doch ausgerechnet die wird in Kosminskis Inszenierung zum Stiefkind. Kaum spürbar, dass in dieser Oper Kunst auch als Ideologie verhandelt wird.
Sich auf ein musikalisches Ereignis zu konzentrieren, würde dem Abend nicht gerecht. Fast schmerzlich ist zu hören, dass die Rheinoper ihren einstigen Rang als führendes Wagner-Haus kaum behaupten kann. Mit den Düsseldorfer Symphonikern hat Axel Kober gute lyrische Momente, allzu oft aber nötigt er dem Orchester markige, laute Pointen ab. Wie er schon in der Ouvertüre auf die Tuba drückt, grenzt ans Vulgäre. Daniel Franks Tannhäuser singt bisweilen ungenau, führt aber schöne Leidens-Poesie in der Kehle. Elisabet Strids Elisabeth ist die einzige große Wagner-Sängerin dieses Ensembles. Markus Eiches klarer, aber auch hörbar balsamloser Wolfram fügt sich ins Rollenporträt des blutleeren Verlierers. Beispielloser Buhsturm für die Regie, guter Applaus für alle Übrigen.
Termine: 12., 19., 30. Mai; 2. Juni Karten-Tel. 0211-89 25211