Warschau. . Warschau gedenkt am Freitag des Aufstandes im jüdischen Getto. Die Erhebung gegen die Deutschen begann vor 70 Jahren, einige Kämpfer wie Kazik Ratajzer leben noch. „Es ging nicht um unsere Ehre“, sagt er, und nennt die wahren Gründe.
„Das war von Anfang an ein verlorener Kampf“, sagte Marek Edelman später, einer der Gründer der Jüdischen Kampf-Organisation ZOB. 29 Tage lang wehrten die ZOB und ihre ebenso schlecht bewaffneten Kameraden vom Bund Jüdischer Soldaten (ZZW) sich gegen die schwer bewaffneten SS-Truppen, die rechtzeitig zu Hitlers Geburtstag das Warschauer Getto liquidieren sollten. „Wir hatten eine große, kindliche Fantasie“, erklärte Edelman, der 2009 verstorben ist, ein paar Jahre vor seinem Tod noch im persönlichen Gespräch.
Die jungen jüdischen Aufständischen hatten sich monatelang auf diesen Akt des Widerstands vorbereitet. Bereits Ende Juli 1942 war der ZOB von mehreren zionistischen und sozialistischen Jugendorganisationen gegründet worden – als Reaktion auf die beginnende Auflösung der Gettos, die die Nazis im besetzten Polen errichtet hatten.
Die Deutschen waren korrupt – für Geld gab es alles
Auflösung, Liquidierung – das hieß Abtransport der Bewohner in die Vernichtungslager. Im Warschauer Getto lebten im April 1943 nur noch rund 60.000 Menschen von ursprünglich über 400.000. Auch sie sollten nun nach und nach zum „Umschlagplatz“ und von dort mit Eisenbahnwaggons ins Vernichtungslager Treblinka gebracht werden. Doch die jungen jüdischen Freiwilligen hatten seit Monaten Waffen durch die streng bewachte Mauer in das Getto geschmuggelt, hatten Bunker, Tunnels und Stellungen angelegt. Dabei sei vor allem die Liebe zum Geld unter den deutschen Polizeikräften ausgenutzt worden, erinnerte sich Marek Edelman. „Für Geld konnte man alles kaufen.“
Am 19. April 1943, am Vorabend des jüdischen Pessachfestes, wollten rund 850 SS-Soldaten zur letzten großen Deportation im Getto schreiten. In der Nalewki-Straße wurden sie plötzlich mit einem Kugelhagel empfangen. Zwei Stunden dauerte dieser erste Kampf, und er endete mit einem vorübergehenden Rückzug der SS. Wenige Stunden später griffen die Deutschen unter neuer Führung und unterstützt von Panzerwagen wieder an. In einem verzweifelten Kampf leisteten ihnen die jüdischen Aufständischen bis zum 16. Mai erbitterten Widerstand. Die Nazis gewannen erst nach rund einer Woche die Oberhand, nachdem sie damit begonnen hatten, Haus um Haus niederzubrennen.
Hinter der Mauer drehte sich das Karussell im Vergnügungspark
Manche Polen beobachteten den ungleichen Kampf vom Karussell auf dem Vergnügungspark am Krasinski-Platz aus. Andere halfen. Kazik Ratajzer, einer der letzten heute noch lebenden Kämpfer des Aufstandes, berichtet, dass polnische Partisanen aus dem rechten wie aus dem linken Lager Waffen schickten. Auf jede Hilfeleistung zugunsten der Juden drohte die standrechtliche Erschießung durch die Deutschen.
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Am 8. Mai 1943 eroberten SS-Einheiten den Führungsbunker der Aufständischen an der Mila-Straße 18. Der ZOB-Führungsstab unter Mordechai Anielewicz hatte kurz zuvor kollektiven Selbstmord begangen. Die letzten ZOB-Verbände zogen sich in den folgenden Tagen durch die Abwasserkanäle auf die andere Seite der Mauer zurück – darunter auch Marek Edelman. Etwa 70 ZOB-Kämpfer konnten sich so retten.
Es ging nicht um Ehre und Geschichte
Am 16. Mai sprengte der SS-Einsatzleiter Jürgen Stroop eigenhändig die Große Synagoge. „Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk Warschau mehr“, telegrafierte Stroop an Hitler. Laut seinem Bericht wurden bei der Niederschlagung des Aufstands mehr als 56.000 Juden getötet. Die meisten der – wie man heute annimmt – rund 200 Gefallenen auf deutscher Seite verschwieg Stroop hingegen.
Die Warschauer gedenken des Getto-Aufstandes mit einer Feier am Freitag und mit einer Menschenkette am Sonntag, die sich genau dort aufstellen wird, wo vor 70 Jahren die Mauer des Gettos verlief. Auch Kazik Ratajzer, der heute 89-jährig in Israel lebt, wird als Ehrengast bei der Gedenkveranstaltung dabei sein. „Ich habe nie behauptet, wir hätten diesen Aufstand für die Geschichte, unser Volk oder unsere Ehre gemacht“, erklärte er kürzlich. „Ich wollte nur nicht in der Gaskammer ersticken.“