Essen. . Die Deutsche Bischofskonferenz hatte angekündigt, die Zusammenarbeit mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen zu beenden. Das Institut war mit der Aufarbeitung des Skandals beauftragt. Kirchenrechtler werten dies als Signal für eine tiefe Spaltung der Bischofskonferenz.

Nach dem Scheitern des ­Forschungsprojektes zur Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der katho­lischen Kirche macht der Präsident des deutschen Kinderschutzbundes auch der gesamten Gesellschaft und der ­Politik schwere Vorwürfe. Das Thema Missbrauch sei „aus den Augen, aus dem Sinn“ geraten“, sagte Heinz Hilgers der WAZ.

„Seit 18 Monaten liegt das Gesetz zur Stärkung der Opferrechte im Bundestag brach“, sagte er. Zudem warteten die Opfer vergeblich auf den Entschädigungsfonds von 100 Millionen Euro, „weil sich Bund und Länder nicht über die Finanzierung einigen können“.

Für den Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, ist das Scheitern des Projektes ein „weiteres negatives Signal“ für die ­Betroffenen. Er ermahnte die Politik, noch in dieser Legislaturperiode das Gesetz zur Stärkung der Rechte der ­Opfer sexueller Gewalt umzusetzen.

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Die Deutsche Bischofskonferenz hatte angekündigt, die Zusammenarbeit mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen zu beenden. Das Institut war mit der Aufarbeitung des Skandals beauftragt. Kirchenrechtler werten dies als Signal für eine tiefe Spaltung der Bischofskonferenz.

Es war zuletzt ruhig um das Thema Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche. Jetzt kocht es wieder hoch. Denn die Bischofskonferenz beendet die Zusammenarbeit ausgerechnet mit jenem Mann, der diese Verbrechen erforschen sollte: Christian Pfeiffer. Der Kriminologe erhebt schlimme Vorwürfe. Er redet von „Zensur“, sogar von möglicher Aktenvernichtung.

Was sollte Pfeiffer erforschen?

Sein Institut KFN sollte die Profile von Tätern ausarbeiten und klären, wie es möglich war, dass solche Taten in kirchlichen Einrichtungen verübt werden konnten. Anonymisierte Informationen aus 100.000 Personalakten sollten gesichtet wer­den. Die Forscher wollten Un­terlagen aus den letzten sieben Jahrzehnten einsehen und Opfer und Täter sogar direkt befragen.

Warum ist die Aufklärung nötig?

Im Jahr 2010 war bekannt gewordenen, dass in katholischen Einrichtungen jahrzehntelang Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht worden waren. Im Blickpunkt stand dabei zunächst das Berliner Canisius-Kolleg: Der Rektor, ein Jesuitenpater, hatte Missbrauchsopfer aus den 70er und 80er Jahren angeschrieben. Im Verlauf des Jahres meldeten sich immer mehr Opfer – die tiefe Verstrickung der katholischen Kirche aber auch anderer, nicht christlicher Einrichtungen (Odenwald-Schule) wurde immer offensichtlicher. Ende 2010 war die Debatte über den sexuellen Missbrauch auf dem Höhepunkt. Der Skandal hat die Kirche tief getroffen. Die Folge waren zahlreiche Austritte.

Wie hat die Kirche reagiert?

Die Bischofskonferenz beteuert, ih­re Aufklärungsarbeit sei gründlich. Eine Telefon-Hotline wurde ge­schaltet, inzwischen aber mangels Reaktionen wieder eingestellt. Es gebe neue Leitlinien für den Umgang mit dem Thema und Fortbildungen. Opfer erhalten bis zu 5000 Euro Anerkennungsprämie. Kritiker sagen: Das ist zu wenig.

Was sagt die Kirchenbasis?

Die kritische Bewegung „Wir sind Kirche“ spricht von einem „katastrophalen Zeichen“. Den Bischöfen fehle der „ernsthafte Wille zur Aufklärung“, eine „neue Austrittswelle“ sei zu erwarten.

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Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) „bedauert“ das Ende des Projekts und erwartet eine Fortsetzung der wissenschaftlichen Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der Kirche. ZdK-Präsident Alois Glück sagt aber auch: „Die katholische Kirche hat sich wie keine andere Organisation mit der Wirklichkeit des sexuellen Missbrauchs in den eigenen Reihen auseinandergesetzt.“

Wie einig sind die Bischöfe?

Sie streiten sich. „Der junge, konservative Klerus hat offensichtlich Druck auf die Bischofskonferenz ausgeübt. Diözesen in NRW wie Köln, Münster, Aachen, Essen und Paderborn setzen sich vorbildlich für die uneingeschränkte Aufklärung der Missbrauchsfälle und für Prävention ein. Der konservative Widerstand kommt aus dem Süden, zum Beispiel aus Regensburg und München“, sagte der Kirchenrechtler Thomas Schüller (Uni Münster) dieser Zeitung. Für Schüller ist das Scheitern des Forschungsprojektes „ein Schlag ins Gesicht der Missbrauchs-Opfer und peinlich für die Bischofskonferenz“. Auch der Mainzer Theologe Gerhard Kruip sieht Hinweise auf Konflikte innerhalb der Bischofskonferenz. Kruip: „Die Verantwortlichen in der Kirche dürfen nicht die Augen davor verschließen, dass es sich bei den Missbrauchsfällen nicht nur um bedauerliche Vergehen einzelner handelt, sondern dass diese Fälle und der frühere Umgang mit ihnen auch etwas mit der Institution Kirche zu tun haben, möglicherweise auch mit dem Zölibatsgesetz.“

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Wie reagieren Opferverbände?

Sie halten die katholische Kirche mit der Aufarbeitung der Fälle für überfordert. Auch drei Jahre nach den ersten Veröffentlichungen sei das Ausmaß der Missbrauchsfälle unklar, kritisierte die Betroffenen-gruppe Eckiger Tisch am Mittwoch in Berlin. Die Initiative fordert erneut eine Untersuchungskommission des Deutschen Bundestages. Das Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt (netzwerkB) hält eine Anzeige- und Meldepflicht für notwendig.

Wie geht es weiter?

Christian Pfeiffer hat bereits neue Pläne. Er will eine Studie basierend auf freiwilliger Teilnahme der Betroffenen anstoßen. Auch die Bischofskonferenz will mit neuen Partnern weiterhin Aufklärung betreiben. Der Beauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, startet am heutigen Donnerstag die Kampagne „kein Raum für Missbrauch“.