Gelsenkirchen. Missbrauch auch in der Kirche? Mit dieser Fragestellung haben sich die Mitglieder der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) St. Antonius in der Feldmark am Wochenende einem großen Problemthema gewidmet. Die Gläubigen fanden offene, selbstkritische Worte.

Referent Wolfgang Schab vom Katholischen Bildungswerk „Das Forum“ hatte das Thema aus der Sicht der Opfer beschrieben und die Strukturen erläutert, die Missbrauchsfälle begünstigen. Die Teilnehmer beschäftigte vor allem die Frage, warum die Missbrauchsfälle in ihrer Kirche so lange unbeachtet bleiben konnten. „Wir haben lange geglaubt, dass es so etwas in der Kirche nicht gibt“, sagte Wolfgang Schab. Man habe den Medien zu verdanken, dass aufgedeckt wurde, was unter dem Deckmantel versteckt worden war. „Täter sind oft die, denen wir vertrauen, nicht nur in der Kirche“, so Schab.

Begünstigt würden Missbrauchsfälle überall dort, wo Autorität und Macht auf der einen und gleichzeitig Vertrauen auf der anderen Seite zusammen kommen. Auch in Gruppen mit einer Männerherrschaft käme das Problem häufiger vor. „So wurde auch die Kirche zu einem Ort, den Täter ausnutzen.“

Schab wird konkret und berichtet von den Fällen an der Odenwald-Schule, die vor zwei Jahren deutschlandweit für Aufsehen gesorgt hatten. Auch im Bistum Essen habe es eine ganze Reihe Anzeigen gegeben. Schab: „Wir können sagen, dass es aktuell keine Fälle gibt.“ Die meisten Missbrauchsopfer hätten sich erst nach vielen Jahren öffnen können.

Neues Klima in der Kirche

„Erst durch das neue Klima, haben sich die Opfer getraut, etwas zu sagen.“ Schab hat bei seinem 90-minütigen Vortrag Zahlen dabei, die die Ernsthaftigkeit unterstreichen: Demnach entsprechen nur etwa vier Prozent aller angezeigten Missbrauchsfälle, die beispielsweise an den von den Bistümern oder der Bischofskonferenz eingerichteten Telefon-Hotlines gemeldet wurden, nicht der Wahrheit.

Schab bemängelt, dass früher Geistliche trotz eindeutiger Vergehen einfach in andere Bistümer versetzt wurden. Heute müssten alle Mitarbeiter in der Katholischen Kirche, auch Honorarkräfte, ein polizeiliches Führungszeugnis vorweisen können. Schab warnt aber vor Panikmache: „Allen zu misstrauen geht sicherlich nicht.“ Hingucken sei jedoch wichtig. „Aber wir tun leider häufig nicht das Richtige, sondern vermeiden Situationen, die peinlich sein könnten“, beschreibt Schab das Handeln bei einem Missbrauchsverdacht und den Umgang mit Tätern. Dabei seien diese in der Regel hoch intelligent, kämen smart rüber und seien extrem hilfsbereit. „So einen zu überführen, ist fast unmöglich.“

Schab: Kein Zusammenhang zwischen Zölibat und Missbrauchsfällen

Einen Zusammenhang zwischen Zölibat und Missbrauchsfällen in der Kirche sieht Schab nicht. „Es wäre schön, wenn das so einfach wäre, aber wissenschaftlich gibt es da überhaupt keinen Zusammenhang.“ Hochproblematisch sei aber die theologische Dimension von Schuld und Sünde im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen, denn die Opfer würden die Schuld häufig bei sich suchen. Missbrauch in der Kirche bedeute dann auch immer eine Niederlage Gottes.

Viele gläubige Opfer werden von ihren Gemeinden isoliert und fragen sich „Was hält mich jetzt noch?“. Schab fordert deshalb: „Wir dürfen nicht mehr schweigen.“ Am Ende brachte der Referent auf den Punkt, was viele Mitglieder der KAB in der Feldmark bereits in ihren Wortmeldungen zum Ausdruck brachten: „Ein trauriges Kapitel für die Kirche, aber es war nichts wichtiger, als dass das Thema hochkommt.“