Mannheim. Begleitet von kritischen Stimmen aus der Kirchenleitung und von Reformgruppen ist am Sonntag der Katholikentag in Mannheim zu Ende gegangen. Die hochrangigsten deutschen Politiker fast aller Couleur versicherten den Katholiken einmal mehr die Bedeutung der Kirchen für die Gesellschaft.
Mannheim ist eine Trecker-Stadt. Und solch eine Zugmaschine, wie sie in der Katholikentags-Stadt 2012 erfunden wurde, hat sich am Wochenenende wohl auch mancher Teilnehmer des großen Glaubensfests gewünscht. Den Karren Kirche aus dem Dreck ziehen und ihn wieder flott machen nach den Verunsicherungen durch den Missbrauchsskandal, den Priestermangel oder die Gemeindezusammenlegungen – das dürften viele Katholiken mit dem Motto „Einen neuen Aufbruch wagen“ verbunden haben.
Wer deshalb auf innerkirchliche Revolutionen, etwa Fortschritte bei Themen wie Frauenpriestertum oder dem Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen gehofft hat, musste zwangsläufig enttäuscht werden. So sehr diese Themen auch auf dem Katholikentag diskutiert wurden – entschieden werden sie woanders.
Kirche soll maßvoller Wirtschaften
Wenn es in Mannheim einen großen Aufbruch gab, dann aus der Kirche hinaus in Politik und Gesellschaft. Die hochrangigsten deutschen Politiker fast aller Couleur versicherten den Katholiken einmal mehr die Bedeutung der Kirchen für die Gesellschaft. Und die Katholiken zeigte ihrerseits, dass sie sich dieser Aufgabe durchaus bewusst sind und tatsächlich etwas anzubieten haben. Erstaunlich einig waren sich der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, als Vertreter der Laien und der für Mannheim zuständige Erzbischof Robert Zollitsch im Appell zu einem maßvolleren, bescheideneren Wirtschaften. Der Katholikentag habe deutlich gemacht, dass die Christen die Gesellschaft mitgestalten wollten, betonte Glück am Sonntag beim feierlichen Abschlussgottesdienst vor dem Mannheimer Schloss – und zwar „mit Wertorientierung und Sachverstand“. Die Zeit, in der sich die Kirche vor allem um sich selbst gedreht hat, soll mit Mannheim beendet sein.
Die Katholiken wollen zurück in eine aktive Mitgestalter-Rolle und diskutierten besonders intensiv über Themen, die nach Ansicht von Glück und Zollitsch von der Politik zu sehr verdrängt werden – etwa die Auswirkungen des demografischen Wandels oder Strategien für ein faires Wirtschaften rund um den Globus. „Wir Christen sind Menschen des Aufbruchs“, sagte Zollitsch, der auch Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz ist. „Wir haben der Welt eine befreiende Botschaft zu geben, die sie sich selbst nicht geben kann“.
Deutliche weniger Besucher
Dass dabei der innerkirchliche Aufbruch nicht zu kurz kommt, darauf legte Glück großen Wert. Auf dem Katholikentag habe er „eine lebendige, glaubensstarke und vitale Kirche erlebt“, bilanzierte er. Dies wohl auch wegen der relativ hohen Teilnehmerzahl. Mit insgesamt 80.000 Dauer- und Tagesteilnehmern kamen mehr Menschen als erwartet und als zu den Katholikentage in Osnabrück (2008) und Saarbrücken (2006). Allerdings lag die Besucherzahl deutlich unter der der letzten evangelischen Kirchentage. Eine Vertiefung des Glaubens und notwendige Veränderungen stünden nicht im Gegensatz, betonte Glück. „Wir setzen auf den Dialog - und wir erwarten den Dialog und Ergebnisse." Glück empfahl die Gesprächskultur des Katholikentags als Maßstab für alle kirchlichen Debatten. „Das hörende Herz, das ist der Weg zu den Menschen, so wird Kirche wieder anziehender.“
Die innerkirchlichen Debatten werden spätestens Mitte September weitergehen, wenn sich im Rahmen des von Zollitsch angestoßenen Dialogprozesses in Hannover das zweite bundesweite Diskussionsforum trifft. Der nächste Katholikentag findet dann – nach dem evangelischen Kirchentag im kommenden Jahr in Hamburg – 2014 in Regensburg statt.