Essen. . Das nationale Waffenregister kommt ab Januar 2013. Doch die zentrale Erfassung genehmigungspflichtiger Waffen dürfte nur einen winzigen Teil des Problems lösen. Denn allein in NRW existiert ein Arsenal von Millionen illegal erworbenen Pistolen und Gewehren. Die Polizei fordert eine „Abrüstung“.
In Duisburg-Hochfeld überfielen vor wenigen Tagen Unbekannte ein Café, zerstören die Einrichtung und fesseln den Wirt. Später fielen Schüsse auf der Straße. Die Polizei vermutet rivalisierende Banden hinter der Tat. Im Oktober schossen Räuber auf Mitarbeiterinnen eines Juweliergeschäftes in Wuppertal. Sie töten eine Frau und verletzten eine andere schwer. Zwei aktuelle Beispiele für ein Riesen-Problem: In NRW kursieren Millionen illegale Schusswaffen. Kaum ein Experte traut es sich zu, eine konkrete Zahl zu nennen. Die Rede ist von „Unmengen“. Und davon, dass es fast schon kinderleicht sei, sich eine Waffe mit Munition zu besorgen.
Das Landeskriminalamt (LKA) tut sich schwer mit diesem Thema, weil es sich auf harte Fakten stützen muss. In offiziellen Statistiken tauchen nur die registrierten, legalen Waffen auf. „Im Jahr 2011 haben wir in NRW rund 700 000 Lang- und 340 000 Kurzwaffen gezählt“, sagte eine LKA-Sprecherin dieser Zeitung. Die Zahl der registrierten Waffenbesitzer summiert sich auf rund 300 000. Eine kleine Auswahl: In Dortmund gibt es rund 7000, in Essen 8000, in Duisburg 4000, in Düsseldorf 5000 und 8000 im Hochsauerlandkreis.
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Das sagt wenig bis gar nichts über die illegale Szene aus, über Straftäter, Waffen-Narren, Sammler und überdrehte Selbstverteidiger, die sich irgendwie eine nicht registrierte Waffe besorgt haben. Nur das Resultat dieses munteren und kaum kontrollierten Handels ist sichtbar. In 1062 Fällen machten im vergangenen Jahr in NRW Täter von Schusswaffen Gebrauch, 46-mal kamen sogar Kriegswaffen zum Einsatz.
Zu den großen Waffen-Quellen zählen Osteuropa und die GUS-Staaten
Ihre Namen lassen schon Rückschlüsse auf ihre Herkunft zu. Die besonders gängigen und „beliebten“ Modelle heißen Ceska, Makarow oder Kalaschnikow. Osteuropa und angrenzende Länder zählen zu den großen Quellen für diese Mordinstrumente. Die Preise auf dem Schwarzmarkt in Deutschland: oft zwischen 300 und 1000 Euro. Weit über 90 Prozent der Straftaten, in denen Schusswaffen eine Rolle spielen, werden mit illegalen Schießeisen verübt. Manche Experten vermuten sogar, dass es 97 Prozent sind.
Wolfgang Spies, Kriminalhauptkommissar, gehört zu jenen Polizisten, die sich intensiver mit der illegalen Waffenszene beschäftigen. Was er beobachtet, erfüllt ihn mit tiefer Sorge. „Wir können grob davon ausgehen, dass es hierzulande mindestens doppelt so viele illegale wie legale Waffen gibt“, erklärt er.
Das hieße, bezogen auf die NRW-Statistik legaler Waffen: mindestens zwei Millionen. Wer sich eine beschaffen möchte, der stehe vor keinen großen Hürden. Im Rotlichtmilieu dürfte er die entsprechenden „Ansprechpartner“ schnell finden. Spies, der sich in der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW engagiert, weiß, dass die politischen Umwälzungen in Europa und die Öffnung von Grenzen einen direkten Einfluss auf den Vertreib von Waffen hatten und haben: „Durch die Kriege auf dem Balkan und den Zusammenbruch der GUS-Staaten sind Unmengen Waffen auf dem Markt, einfache Pistolen, automatische Waffen, auch Sturmgewehre.“
Das organisierte Verbrechen insbesondere in diesen östlich gelegenen Ländern betreibe einen intensiven, weltumspannenden Waffen-Handel. Auch Belgien zählt zu den „Exportländern“ illegaler Waffen, denn vor deren Erwerb hat der Gesetzgeber dort nicht so hohe Hürden gebaut wie der in Deutschland. Auch eine beliebte Methode: Kunden erwerben auf legale Weise „entschärfte“ Waffen und machen sie anschließend ohne großen Aufwand wieder zu scharfen.
Betellung im Internet
Die „Berliner Zeitung“ schrieb in diesem Jahr, dass zahlreiche Waffen auch aus der Türkei, Bulgarien und Rumänien stammen sollen. Zwischenhändler säßen oft in Polen und Tschechien. Ein Großteil der illegalen Waffen werde im Internet bestellt und in Einzelteilen geliefert.
Das zentrale nationale Waffenregister, das in Deutschland vorbereitet wird, ist nach Einschätzung der Polizeigewerkschaft GdP auch angesichts der großen Menge illegaler Waffen keinesfalls überflüssig. Es sei wichtig für Polizisten, so GdP-Bundesvorsitzender Bernhard Witthaut, um rasch überprüfen zu können, ob an einem Einsatzort, zum Beispiel einer Familienauseinandersetzung, eine Waffe im Haus ist.
Witthaut: „Natürlich wissen wir auch dann nur, ob es sich um einen legalen Waffenbesitz handelt. Aber auch das kann überlebenswichtig sein.“ Stephan Hegger, GdP-Sprecher in Nordrhein-Westfalen, spricht ein weiteres Problem an, das irgendwo zwischen den legalen und den illegalen Waffen liegt: „Es gibt viele Überfälle mit Anscheinwaffen, also solchen, die nicht echt sind, aber täuschend echt aussehen.“