Hannover. “Wir wollen nicht die Union“, sagt Grünen-Chef Cem Özdemir beim Parteitag in Hannover - und wird die Schwarz-Grün-Debatte trotzdem nicht beenden. Am Samstag geht es zum Beispiel um die Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionen und das Endlagersuchgesetz.
Man kann sich die Freunde nicht aussuchen. Auch Katrin Göring-Eckardt nicht. Aber dass ausgerechnet Familienministerin Kristina Schröder (CDU) nun Gemeinsamkeiten mit ihr identifiziert hat, findet sie „das Härteste“. Gestern Betreuungsgeld, heute Grünenflirt? „Nein, Frau Schröder, so wird das nichts“, entrüstet sich Göring-Eckardt und bläst zur Attacke gegen die Union.
Seit die Basis die Realo-Frau zur Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl neben Jürgen Trittin gekürt hat, wird die Ökopartei die verflixten Spekulationen über Schwarz-Grün einfach nicht mehr los. Darum bemühen sich alle Parteioberen zum Auftakt des Bundesparteitags in Hannover, die Diskussion abzuwürgen. „Lasst uns nicht kirre machen von diesen Debatten“, mahnt Parteichef Cem Özdemir und meint: „Wir wollen nicht die Union.“ Grün oder Merkel, darum gehe es, pflichtet Göring-Eckardt bei. Dann prügelt Trittin auf Schwarz-Gelb („Gurkentruppe“), den Koalitionsgipfel („vorweihnachtliches Schrottwichteln“) und Merkels Politik („schäbig“) ein.
Partei wird die Schwarz-Grün-Debatte kaum vom Tisch bekommen
Den wortgewaltigen Absagen an eine temporäre Zweckehe mit der Union zum Trotz wird die Ökopartei die Schwarz-Grün-Debatte kaum vom Tisch bekommen. Denn wenn es 2013 für ein Bündnis mit der SPD nicht reicht, dann müsse man sehen, ob es andere Optionen gebe, sagt Baden-Württembergs Verbraucherminister Alexander Bonde der WAZ Mediengruppe. Das sieht nicht nur Bonde so. Immerhin bekommen Trittin und Göring-Eckardt für ihre Attacken mächtig Applaus.
Auch Claudia Roth klatscht tapfer. Dabei ist es ein bitterer Moment für die Parteichefin. Schwarz gekleidet hockt die Ur-Grüne auf der Bühne. Aufmunternde Worte von Özdemir quittiert sie mit versteinerter Miene. Ja, die Urwahl-Klatsche hat die so emotionale 57-Jährige tief getroffen. Roth aufrichten lautet nun die edelste Grünen-Pflicht. Folglich darf die Parteichefin mit einem starken Wiederwahl-Ergebnis rechnen, wenn die 820 Delegierten am Samstag ihre Führungsriege wählen.
Antrag auf Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionen
Mit einem schlechten Roth-Resultat rechnet zwar niemand ernsthaft. Doch auf eine Prozentzahl wollen sich namhafte Parteimitglieder lieber nicht festlegen. Vor zwei Jahren erzielte Roth knapp 80 Prozent. Ein schlechteres Ergebnis wäre ein weiterer Dämpfer für die düpierte Parteichefin. Das wäre das Letzte, was die Ökopartei vor der Bundestagswahl gebrauchen könnte.
Inhaltlich widmen sich die Grünen am Samstag der Sozialpolitik. Sprengstoff könnte der Antrag von NRW-Grünenchef Sven Lehmann liefern, der die Hartz-IV-Sanktionen abschaffen will. Der Bundesvorstand will ein Moratorium. Eine Debatte könnte es zu den Hartz-IV-Regelsätzen geben. Der Bundesvorstand will ihn für Erwachsene auf 420 Euro erhöhen. Einige Delegierte fordern 474 Euro. Diskussionen dürfte es zur Rente mit 67 geben und zur Kindergrundsicherung.
Heikel ist auch die Debatte um das Endlagersuchgesetz. Hier geht es um die Frage, ob Gorleben von der Standortsuche von vorn herein ausgeschlossen werden soll oder nicht. Die ein oder andere personelle Überraschung könnte es bei den Wahlen zum Parteirat geben. Um 13 Plätze konkurrieren 16 Personen, darunter Göring-Eckardt. Immerhin droht Roth an dieser Stelle wohl keine Enttäuschung. Denn wenn sie mit mehr als 50 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt wird, bleibt sie automatisch im Parteirat. Das sollte wirklich drin sein.