Berlin. Claudia Roth wird sich erneut um das Amt der Bundesvorsitzenden der Grünen bewerben. Medien hatten vermutet, dass die Grünen-Chefin nach ihrem Urwahldebakel vom Wochenende nicht mehr für das Amt kandidieren werde. Namhafte Grüne beknieten die Parteichefin aber zum Bleiben. Nicht ohne Grund. Ein Kommentar.

Die Grünen sind gerade noch einmal an einer veritablen Führungskrise vorbeigeschrammt. Hätte Claudia Roth nicht mehr als Parteivorsitzende kandidiert, hätte die Ökopartei bis zum Wochenende eine neue Kandidatin aus dem linken Lager aus dem Ärmel zaubern müssen. Doch da gibt es nicht viele namhafte Frauen. Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke vielleicht, aber die muss den Wahlkampf organisieren und wird damit genug zu tun haben.

Nicht nur deshalb hat so ziemlich jeder namhafte Grüne die Parteichefin am Wochenende bekniet, weiterzumachen. Ein weiterer Grund ist, dass die Grünen-Chefin nach wie vor gebraucht wird. Roth ist eine prima Wahlkämpferin, sie polarisiert wie kaum eine zweite, beherrscht den verbalen Frontalangriff gegen Schwarz-Gelb perfekt und kann das linke Lager der Grünen mobilisieren.

Dass die Basis sie gleichwohl nicht zur Spitzenkandidatin gemacht hat, mag weniger eine Abrechnung mit der Grünen-Chefin sein als vielmehr eine höchst vernünftige Entscheidung. Da Roth und Trittin zum linken Flügel der Grünen zählen, wären die Realos mit diesem Duo nur unzureichend vertreten worden.

Urwahl-Schlappe für Roth ist persönlich bitter

Zudem mag Roth mit ihrer schrillen Art potenzielle Grünen-Sympathisanten verschrecken. Mit Trittin und Kirchenfrau Katrin Göring-Eckardt hingegen können die Grünen weit ins bürgerliche Lager hinein strahlen und dort um Wählerstimmen werben. Dass man damit Wahlen gewinnen kann, haben Winfried Kretschmann und Fritz Kuhn hinlänglich gezeigt.

Die Urwahl-Schlappe ist für Roth persönlich bitter. Sei es drum. Bei der Urwahl ging es um die Wahl der Spitzen kandidaten und nicht um die Abwahl der Parteichefin. Als Trostpflaster darf Roth am Wochenende mit einem sehr guten Wiederwahl-Ergebnis rechnen. Auch wenn sie danach geschwächt sein wird, ist ihr Machtverlust doch relativ. Denn das eigentliche Sagen hatten bei den Grünen noch nie die Parteivorsitzenden, sondern die Fraktionschefs. Oder wer erinnert sich noch heute an Parteivorsitzende wie Angelika Beer oder Gunda Röstel?