Berlin. . Rund 35000 Mitglieder der Grünen gaben ihr Votum ab, am Samstag wurde das Ergebnis verkündet. Die Parteibasis hat entschieden: Zur Bundestagswahl treten Jürgen Trittin, der altgediente Partei-Zampano aus dem Westen, und Katrin Göring-Eckardt, Abgeordnete und Kirchenpolitikerin aus dem Osten, an. Ob Claudia Roth erneut als Vorsitzende kandidiert, ist offenbar nicht sicher.

Das neue Traumpaar der Grünen, es weckt spontan Begeisterung. Dies sei für ihn „der schönste Tag“ seit der Abwahl der CDU in Baden-Württemberg, jubelt Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer. Eitel Freude auch beim Wunsch-Koalitionspartner: „Eine Super-Wahl! Merkel muss sich warm anziehen“, gratuliert SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann.

Und wer die frisch Gekürten selber reden hört, könnte meinen, schon die Sieger der Bundestagswahl vor sich zu haben. „Wir haben als Grüne Parteiengeschichte geschrieben“, beglückwünscht sich Jürgen Trittin.

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Immerhin hat erstmals seit ­Bestehen der Republik eine Partei die Nominierung ihrer Spitzen­kandidaten dem Votum der Basis überlassen. Dies sei, frotzelt Trittin, auch der „kleine Unterschied“ zwischen Grünen und Sozialdemo­kraten, er betrage „etwas mehr als 35 000 Stimmen“. Etwa so viele Parteimitglieder haben sich an der Urwahl beteiligt, während es bei der Nominierung des SPD-Kanzlerkandidaten bekanntlich nur drei Stimmberechtigte gegeben habe: „Die Grünen sind die Mitmach­partei Deutschlands“, sagt Trittin.

Rundheraus mit sich zufrieden

Sie sind jedenfalls wieder einmal rundheraus mit sich zufrieden. Dabei war diese Abstimmung zunächst nicht mehr als schiere Ver­legenheit, um ein drohendes innerparteiliches Zerwürfnis abzu­wenden. Wer darf die Grünen im Wahlkampf anführen, war die ­Frage, die die Promi-Riege der ­Partei entzweite.

Parteichefin Roth hatte die Aussicht, allein Trittins Gesicht könnte die Wahlplakate zieren, nicht ruhen lassen. Sie meldete frühzeitig ihren Anspruch an. Trittin und Roth, zwei „Linke“ als Spitzengespann: Dies wiederum mochten die Protagonisten des „realpolitischen“ Flügels nicht klaglos über sich ergehen lassen. Also warf Fraktionschefin Renate Künast ihren Hut in den Ring, gefolgt von der Bundestags­vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt. Am Ende buhlten 15 Bewerber – unter ihnen elf Namenlose – um die Gunst des Parteivolks.

Parteichefin Roth: kläglich abgemeiert 

Jetzt also das Ergebnis. Es ist eine bittere Enttäuschung für die, deren Initiative die Abstimmung zu verdanken war. Ohne die die Grünen diese schöne Gelegenheit, sich als „Mitmachpartei“ zu empfehlen, glatt verpasst hätten: Parteichefin Roth sieht sich mit kläglichen 26,2 Prozent der Stimmen abgemeiert.

Der Schock trifft nicht nur sie. Am nächsten Wochenende will Roth auf dem Parteitag in Hannover zur Wiederwahl antreten. Die Frage ist: Geht das überhaupt noch? An Trost und Zuspruch aus der Partei zumindest mangelt es der geknickten Vorsitzenden nicht.

Auch Fraktionschefin Künast ­erlebt das Welken ihrer Blüten­träume, sie kam auf gerade noch 38,6 Prozent der gültigen Stimmen. Neben Trittin, dem altgedienten Partei-Zampano, den die Mitglieder mit bombastischen 71,9 Prozent zum Spitzenmann erheben, mögen die Grünen wohl kein weiteres bekanntes Gesicht dulden.

Lebenswege in zwei deutschen Staaten

Zwar ist auch Göring-Eckardt, einst Fraktionsschefin, keine Novizin in der Parteipolitik. Wirkt aber offenbar unverbraucht genug, um mit 47,3 Prozent den Platz neben Trittin einzunehmen. Ein Ergebnis, das nicht viele erwartet haben. Von der „Balance zwischen Kontinuität und Erneuerung“, die der Parteibasis in ihrer Weisheit gelungen sei, ist anschließend die Rede.

Das grüne Spitzengespann: Einer, dessen politischer Lebensweg vor Jahrzehnten im „Kommunistischen Bund“ begann. Neben ihm: eine protestantische Christin und Pastorengattin, die der Bürgerrechtsbewegung der DDR kam und außer in der Politik in der Welt der Kirchentage und der Evangelischen Synode beheimatet ist.

Die bürgerliche Mitte

Was bedeutet das für die ­Grünen? Es erinnert an die Erfolge des grünen Katholiken Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg oder des grünen Pragmatikers Fritz Kuhn in Stuttgart. Es bedeute, sagt Göring Eckardt, „dass die bürger­liche Mitte in Deutschland eine bessere Gesellschaft will“. Die Mitte, die die Grünen zu­sehends als angestammtes Terrain beanspruchen.