Berlin. Bundeskanzlerin Merkel betont: Wir brauchen mehr Strenge bei der Bewältigung der Schuldenkrise. Angeblich bekommt Athen noch zwölf Monate Zeit für die Umsetzung durchgreifender Reformen, ansonsten drohen dem Land tiefe Einschnitte bei Souveränität - und eine Aushebelung des Parlaments.
Bei der Suche nach einem Ausweg aus der europäischen Schuldenkrise zeichnet sich auf deutscher Seite eine deutliche Kursverschärfung ab. "Wir brauchen ein Stück Strenge, um die Welt davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, in Europa zu investieren", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf dem Landesparteitag der CDU Mecklenburg-Vorpommern in Sternberg. Versprechungen zu machen, die dann nicht gehalten würden, habe sich nicht bewährt, erklärte die Kanzlerin. Die Schuldenkrise nage an der Glaubwürdigkeit Europas.
Indes erteilte auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) Forderungen nach einem neuen Schuldenschnitt für Griechenland eine klare Absage. Ein Schuldenschnitt zulasten der öffentlichen Gläubiger des größten Sorgenkinds der Eurozone würde seiner Ansicht nach die Bonität Deutschlands gefährden. "Ein Schuldenerlass für Griechenland würde letztlich auch auf den Bundeshaushalt durchschlagen, und diese Lücke müsste gegenfinanziert werden", sagte Rösler der "Wirtschaftswoche". Deutschland dürfe seine Haushaltsziele nicht verfehlen, sondern müsse "Anker für Stabilität und Solidität in der Euro-Zone bleiben".
"Handfeste haushaltsrechtliche Gründe"
Schon rein juristisch sei ein solcher Nachlass nicht machbar, sagte Rösler. Dagegen sprächen "handfeste haushaltsrechtliche Gründe", erklärte der Minister. Zuvor hatte sich bereits Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) unter Verweis auf das deutsche Haushaltsrecht gegen den von der Troika in Spiel gebrachten Schuldenschnitt ausgesprochen.
Mit ihrer Forderung nach weniger Nachsicht mit Griechenland bei der Umsetzung von Reformvorhaben stehen die deutschen Regierungsvertreter offenbar nicht alleine da, sondern stoßen bei ihren europäischen Nachbarländern auf viel Zustimmung. Laut einem Bericht der "Wirtschaftswoche" erwägen die Finanzminister der Eurozone, Griechenland künftig zur automatischen Umsetzung von Reformen zu zwingen. "Griechenland bekommt für die Umsetzung der geforderten Reformen zwölf Monate Zeit", zitiert das Blatt namentlich nicht genannte Vertreter der Eurogruppe. Nach Ablauf dieser Frist würden die Reformen auch ohne Zustimmung des Parlaments Gesetz.
Eine solche Verfahrensweise wäre ein tiefer Einschnitt in die Souveränität des griechischen Staates. Hintergrund ist auch, dass die parlamentarische Unterstützung für die Reformpolitik des griechischen Regierungschef Antonis Samaras auf immer wackligeren Füßen zu stehen scheint.
Parlamentarische Unterstützung für Reformvorhaben fraglich
Vergangene Woche hat das griechische Parlament nur mit knapper Mehrheit dem jüngsten Privatisierungsprogramm zugestimmt. Ob die Regierungskoalition um Samaras am kommenden Mittwoch im griechischen Parlament eine Mehrheit für die Arbeitsmarktreformen finden wird, die Voraussetzung für die Ausbezahlung der nächsten Tranche aus dem Hilfsprogramm sind, gilt als fraglich.
Etwas Aufschub könnte Griechenland aber bekommen. Ohne frisches Geld von außen droht dem Land laut Medienberichten am 16. November die Pleite, da an diesem Tag die Rückzahlung sogenannter T-Bills in Höhe von drei Milliarden Euro fällig wird. Wie das Magazin "Focus" unter Berufung auf Eurogruppenkreise schreibt, könnten diese kurzfristigen Anleihen mit einer Laufzeit von nur wenigen Wochen mit etwas Entgegenkommen der Europäischen Zentralbank gestreckt werden.
Bei der Entscheidung über die Auszahlung der ursprünglich für August geplanten Hilfstranche in Höhe von 31,5 Milliarden Euro gehe den beteiligten Finanzministern "Gründlichkeit vor Schnelligkeit", heißt es in dem Bericht. Daher wolle sich die Eurogruppe den griechischen Haushalt nach dessen Verabschiedung erst Wort für Wort ins Englische übersetzen lassen, bevor sie über das weitere Vorgehen entscheide. (dapd)