Athen. Ein Austritt Griechenlands aus der europäischen Währungsunion könnte einer Studie zufolge zu einer weltweiten Wirtschaftskrise führen. Betroffen wären nicht nur die EU-Mitgliedstaaten, sondern auch die USA, China und andere Schwellenländer, schrieb die Bertelsmann Stiftung am Mittwoch anlässlich der Veröffentlichung der Studie zu den langfristigen volkswirtschaftlichen Folgen eines Euro-Austritts der Griechen.

Ein Ausstieg Griechenlands aus dem Euro könnte laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung die gesamte Weltwirtschaft schwer erschüttern und soziale Spannungen auslösen. Zwar wären ein isolierter Austritt Griechenlands aus der Eurozone und ein Staatsbankrott des Landes ökonomisch verkraftbar.

Doch drohten die kaum kalkulierbaren Folgen mit einem möglichen Euro-Ausstieg weiterer Krisenländer die Volkswirtschaften auch außerhalb Europas in eine dramatische Rezession zu stürzen, hieß es in der am Mittwoch in Gütersloh vorgelegten Studie des Prognos-Instituts im Auftrag der Stiftung.

Dominoeffekt droht in Europa

Die Gefahr eines Flächenbrandes sei so bedrohlich, dass die Staatengemeinschaft eine griechische Staatspleite und einen Austritt des Landes aus dem Euro verhindern sollte. Ein Dominoeffekt mit einem Euro-Ausstieg auch Portugals, Spaniens und Italiens hätte eine weltweite Wirtschaftskrise zur Folge.

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"Zu den Betroffenen würden nicht nur die Südeuropäer oder die Mitglieder der EU, sondern auch die USA, China und andere Schwellenländer gehören", erklärten die Autoren. Neben den rein ökonomischen Konsequenzen sei auch mit erheblichen sozialen Spannungen und politischen Instabilitäten zu rechnen, nicht nur in den Euro-Austrittsländern.

Im schlimmsten Fall würden die 42 untersuchten Industrie- und Schwellenländer bis 2020 etwa 17,2 Billionen Euro an Wirtschaftskraft verlieren. Deutschland käme laut der Studie demnach auf einen Wachstumsverlust von 1,7 Billionen Euro. Bis zum Jahr 2015 würde die Zahl der Arbeitslosen hierzulande um mehr als eine Million ansteigen.

Allein ein Ausscheiden der Griechen aus der Eurozone käme Deutschland schon teuer zu stehen. Der Studie zufolge drohten Deutschland in diesem Fall bis 2020 Einbußen bei der Wirtschaftsleistung von 73 Milliarden Euro. Dazu kämen einmalig 64 Milliarden Euro, auf die private und öffentliche Gläubiger verzichten müssten.

Die Wissenschaftler unterstellten bei ihren Berechnungen, dass die Gläubiger der Austrittsländer auf 60 Prozent ihrer Forderungen verzichten und die jeweilige neue Landeswährung um 50 Prozent zum Euro abgewertet wird.

Streiks und Proteste in Griechenland gegen neue Sparmaßnahmen

Angesichts neuer Sparpläne der Regierung haben in Griechenland zweitägige Streiks und Proteste begonnen. Vor einem landesweiten Generalstreik am Donnerstag waren am Mittwoch bereits Anwälte, Notare, Apotheker, Ärzte und Journalisten aufgerufen, ihre Arbeit niederzulegen. Während die Journalisten dem Streikaufruf mehrheitlich folgten, so dass in Fernsehen, Radio und Internet die Nachrichten ausfielen, waren Apotheken und Krankenhäuser weitgehend unbeeinträchtigt.

Die Gewerkschaft GSEE, die mit zu dem Generalstreik aufruft, kritisierte, dass ausschließlich Arbeitnehmer und Rentner die Last der Wirtschaftskrise tragen müssten, während die Steuerhinterzieher, die sie verursacht hätten, straflos blieben. Der Händlerverband, der seine Mitglieder am Donnerstag zur Schließung ihrer Geschäfte aufrief, kritisierte "drastische Einkommensverluste, ungeheuerliche Überbesteuerung und einen bedeutenden Nachfragerückgang", die Unternehmen und Arbeitsplätze bedrohten.

Der Generalstreik soll vor dem EU-Gipfel Ende der Woche die Botschaft vermitteln, dass die Belastung der Gesellschaft in den Krisenstaaten eine kritische Grenze erreicht hat. In den vergangenen Tagen gab es auch in Spanien, Portugal und Frankreich Proteste. In Griechenland ist es bereits der vierte Generalstreik in diesem Jahr. Die Gewerkschaften machen den harten Sparkurs mitverantwortlich für die verheerende Rezession. Die Regierung will im November jedoch weitere Sparmaßnahmen durchs Parlament bringen.

Ursprünglich sollten 7,8 Millionen Euro eingespart werden, doch nach Verhandlungen mit den internationalen Gläubigern der Europäischen Kommission, des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank wurde diese Summe auf 9,2 Milliarden Euro erhöht. (dapd/afp/rtr)