Boca Raton. Im Wahlkampf um die US-Präsidentschaft geht auch die dritte Fernseh-Debatte Umfragen zufolge an Amtsinhaber Barack Obama. Herausforderer Mitt Romney machte zwar keine großen außenpolitischen Fehler, konnte aber auch nicht glänzen. Die Auswirkungen auf unentschlossene Wähler sind noch ungewiss - das Kopf-an-Kopf-Rennen hält zwei Wochen vor dem Wahltag an.

14 Tage vor der Wahl in Amerika haben Präsident Barack Obama und sein republikanischer Herausforderer Mitt Romney bei der letzten von drei Fernseh-Debatten auf dem Feld der Außenpolitik um noch unentschiedene Wähler gekämpft.

Nach einer Blitzumfrage des Sender CNN hat Obama die Debatte mit 48 Prozent gewonnen. Romney sahen 40 Prozent vorn. Die erste rein wirtschafts- und innenpolitisch geprägte Debatte am 3. Oktober hatte Romney klar gewonnen. Man kann auch sagen: Obama hat sie verschlafen.

"Obama kam, um anzugreifen - Romney, um zuzustimmen"

Die Revanche am vergangenen Dienstag entschied der Amtsinhaber für sich. Im Debatten-Wettbewerb liegt Obama damit 2:1 vorn. Was das für die Wahlchancen bedeutet, werden die nächsten Tage zeigen. Beide Politiker liefern sich im Mittel der seriösen Umfragen vor dem Wahltag am 6. November ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Nach der 90-minütigen Debatte in der Lynn-Universität von Boca Raton/Florida brachte der frühere Strategie-Berater von Bill Clinton, James Carville, einen verbreiteten Eindruck auf den Punkt. „Obama kam heute, um anzugreifen. Romney kam, um zuzustimmen.“

Bezeichnend die Felder, auf denen sich bei dem durchschnittlich außenpolitisch informierten Amerikaner der Eindruck von Einigkeit einstellen musste, weil Romney seinem Widersacher uneingeschränkt oder weitgehend zustimmte (nachdem er zuvor über Monate teils semantische, teils substanzielle Unterschiede geltend gemacht hatte). Generell war als Linie auszumachen: Romney würde vieles ungefähr genau so machen wie Obama. Nur ein bisschen unnachgiebiger, ein bisschen härter, ein bisschen mehr nach Weltsupermacht riechend. Beispiele:

  • Anti-Terror-Politik per Drohnen: Obama hat’s erfunden, Romney würde es genau so machen. „Wir töten die bösen Jungs“, sagte er kalt lächelnd.
  • Afghanistan-Abzugs-Datum: Obama will Ende 2014 das Gros der Truppen nach Hause holen, Romney sieht das inzwischen auch so. Vor Monaten wollte er noch die militärische Führung das letzte Wort haben lassen.
  • Osama Bin Laden: Obama hat den El Kaida-Chef zur Strecke gebracht, Romney beglückwünscht ihn dafür. Er hätte es auch so gemacht, sagt er. Vor Monaten noch wollte er erst Pakistan (wo Bin Laden getötet wurde) um Zustimmung gefragt haben. Obama: Dann hätten wir Bin Laden nie gekriegt.
  • Syrien: Weder Obama noch Romney wollen in einen militärischen Konflikt mit amerikanischer Beteiligung gezogen werden. Beide betonten, dass lediglich zukunftsfähige, demokratietaugliche Teile der unübersichtlichen Opposition mit Waffen ausgestattet werden sollen, um das Assad-Regime zu Fall zu bringen.
  • Ägypten: Romney findet es richtig, dass Obama Ägyptens ehemaligen Potentaten Mubarak frühzeitig zum Abdanken aufgefordert hat.
  • Iran: Romney findet die empfindlichen Wirtschaftssanktionen gut und richtig, die Obama orchestriert hat. Er hätte sie nur noch früher eingeleitet. Und würde sie heute noch drastischer ausgestalten. Denn der Iran sei heute näher an einer Atombombe als vor vier Jahren. Obama sagte: Noch drastischer geht es kaum. Teheran werde die Bombe nicht bekommen. Im Zweifelsfall werde er dies mit Gewalt verhindern. Auch für Romney ist ein Militärschlag das Mittel der allerletzten Wahl.
  • Europa: vollkommene Einigkeit. Keiner der Kandidaten nahm das Wort auch nur einmal substanziell in den Mund. Europa spielte keine Rolle.
  • China: Romney fraß etwas Kreide. Zwar werde er Peking wegen Währungsmanipulationen und unfairen Handels angehen, allerdings sei das Riesenreich ein wichtiger Partner und Absatzmarkt. Im Kern sagte Obama nichts anderes. China sein ein Partner, solange es sich an die allgemeingültigen Regeln halte. Durch international koordinierten Druck müsse Peking auf Kurs gebracht werden, wenn es um fairen Handel und faire Währungskurse gehen.
Obama wiederholt Fehler aus dem ersten TV-Duell nicht 

Stilistik: Obama hat den Fehler aus der ersten Debatte, vielfach nach unten sehen, unbeteiligt wirken, nicht wiederholt. Von Sekunde 1 an fixierte er sein Gegenüber interessiert; immer auf die Gelegenheit wartend, seinen Erfahrungs- und Amtsbonus durch Zwischenrufe und Richtigstellungen auszuspielen.

Manchmal überdeutlich: „Alles, was Gouverneur Romney gesagt hat, ist unwahr“, polterte Obama, als Romney zum x-ten Mal den zigfach widerlegten Vorwurf erneuerte, der Präsident habe sich zu Beginn seiner Amtszeit fortgesetzt für Amerika entschuldigt. In einer anderen Situation stellte Obama Romney als außenpolitischen Hilfsschüler dar. „Jedes Mal, wenn Sie eine Meinung zu etwas vorbringen, liegen Sie daneben.“ Zweimal wusste sich Romney nicht anders zu helfen, als indirekt um Hilfe zu rufen. „Mich zu attackieren, ist nicht die Lösung“, rief er und wirkte dabei seltsam matt.

Romney zeigt sich erratisch und passiv

Romney bleibt in vielen Situationen erratisch und passiv. „Wir können uns nicht den Weg aus der Misere freischießen“, sagte er einmal sehr pauschal in Bezug auf die labile Lage in den Ländern des Arabischen Frühlings und mahnte eine umfassende Strategie an, die muslimische Länder ertüchtigt, dem internationalen Terrorismus zu widerstehen. Das klang so, sagte CNN-Analyst Zakaria, als wollte er Obama von links überholen. Allein, wie die Strategie genau aussehen soll? Fehlanzeige.

Mehrfach versuchte Romney mit der Ansage zu punkten, Amerika müsse aus einer Position der militärischen Stärke heraus seine quasi angeborene Führungsrolle auf der Welt wahrnehmen. Obama ließ den Herausforderer mit der Kern-Aussage abblitzen: Machen wir alles längst, nur mit Verantwortungsgefühl für unsere marode Haushaltslage und unter Einbeziehung unserer Partner. Amerika sei heute stärker als 2008, habe Kriege beendet, vernachlässigte Allianzen gestärkt und sich als berechenbarer Partner erwiesen.

Obama legt Widersprüche und Positionswechsel Romneys frei

Bemerkenswert: Nach seinem Flop in Debatte 2, als die bisher ungeklärten tödlichen Ereignisse um das US-Konsulat im libyschen Bengasi kontrovers zur Sprache kamen, ließ Romney die heiße Kartoffel diesmal liegen. Sich noch mal die Zunge verbrennen, das wollte er nicht.

Nach ihrem dritten und letzten TV-Duell verabschiedeten sich Barack Obama (re.) und Mitt Romney durchaus herzlich voneinander. In der Debatte aber hatte Amtsinhaber Obama sich angriffslustig gezeigt.
Nach ihrem dritten und letzten TV-Duell verabschiedeten sich Barack Obama (re.) und Mitt Romney durchaus herzlich voneinander. In der Debatte aber hatte Amtsinhaber Obama sich angriffslustig gezeigt. © rtr

Obama, nicht auf Krawall gebürstet, aber permanent angriffslustig, legte mehrfach die Widersprüche und Positionswechsel seines Gegenübers frei. Einmal stellte er ihn regelrecht bloß. Romney, ein Anhänger einer Ausweitung der Militärausgaben im kommenden Jahrzehnt um 2000 Milliarden Dollar (ohne Gegenfinanzierungsvorschlag), monierte, dass die Marine und die Luftwaffe in punkto Schiffe/Flugzeuge so mickrig wie seit Anno Tobak (1917 bzw. 1947) aufgestellt seien. Obamas Konter löste Schmunzeln im Auditorium der Lynn-Universität aus: „Gouverneur, wir haben auch weniger Pferde und Bajonette, weil sich die Anforderungen geändert haben. Heute geht es um Cyberwaffen.“

Bei Mitt Romney wirkt das Wissen zur Außenpolitik nur antrainiert

Obama präsentierte sich als besonnener Commander-in-Chief, der beständig und zuverlässig seine Bahnen zieht und erfahrungsgesättigt erläutern kann, warum welche Entscheidung wie zustande gekommen ist – und wohin sie führen soll. Bei Romney, der sich Zeit seines Lebens nie wirklich mit der Politik außerhalb Amerikas beschäftigen musste, wirkte fast alles antrainiert und darum oft an den falschen Stellen mit der falschen Emphase eingesetzt.

Negativ: Moderator Bob Schiefer (75) blieb immer da zu artig, wo vor allem Mitt Romney auf das vertraute Terrain der Innen- und Wirtschaftspolitik flüchten wollte. Streckenweise geriet die Debatte zur einer Wiederholung der ersten beiden Runden. Rigorose Unterbrechungen hätten gut getan.