Hempstead. . Die zweite TV-Debatte im US-Präsidentschaftswahlkampf ging an Obama. Der Republikaner Romney schoss beim Thema Frauen und Libyen überraschend Eigentore, die bis zum Wahltag noch Dynamik entwickeln können. Das letzte Aufeinandertreffen vor der Kamera am kommenden Montag dreht sich nur um Außenpolitik. In Umfragen bleibt es aber vorerst bei einem Kopf-an-Kopf-Rennen.
„Der letzte Gesichtsausdruck“, sagte Larry Levi vor dem ersten Wortgefecht zwischen Barack Obama und Mitt Romney, „kann der entscheidende sein.“ Wenn der Politik-Professor der Hofstra Universität in Hempstead bei New York, die das zweite Fernseh-Duell zwischen US-Präsident Obama und Herausforderer Mitt Romney ausgerichtet hat, richtig liegt, dann werden Millionen Zuschauer einen wütenden, fast entsetzten Mitt Romney in Erinnerung behalten.
Gegen Ende des 90-minütigen Schlagabtausches, bei dem 82 ausgewählte, noch unentschiedene Bürger die Fragen stellen konnten, setzte Obama fast beiläufig jenes Video ein, vor dem sein als abgehobener Multi-Millionär porträtierter Widersacher seit Bekanntwerden wegläuft.
Romney hatte sich im Wahlkampf vor reichen Geldgebern dabei filmen lassen, wie er 47 Prozent der Amerikaner als Sozialschmarotzer verunglimpfte. „Denken Sie, über wen er da sprach“, wandte sich Obama an die Teilnehmer des „Townhall“-Meetings und meinte unausgesprochen: Sie. Romney durfte nach dem Reglement nicht mehr glätten.
Für den 65-Jährigen war es nicht der einzige schmerzhafte Moment an diesem Abend, den Obama nach Ansicht der überwiegenden Zahl der Kommentatoren und Meinungsforscher für sich entscheiden konnte. Was bleibt hängen? Worüber wird bis zur letzten Debatte am 22. Oktober geredet? Ein Überblick:
Verlierer und Gewinner:
Obama ging von Beginn an auf Angriffskurs, warf Romney Lügen vor, wirkte sattelfest, in entscheidenden Momenten wacher, schlagfertiger, präsidial und - nicht unwichtig - witziger. Beste Szene: Der auf 250 Millionen Dollar Privatvermögen taxierte Romney löchert Obama inquisitorisch nach dessen Altersversorgung. Obama kontert schmunzelnd. „Die ist nicht so dick wie Ihre, das steht mal fest.“ Gelächter im Saal. Volltreffer.
Romney kam mit der Offensive des zuletzt passiv gebliebenen Amtsinhabers nie klar. Seine Gesten wirkten unsicher und oft herrisch. Sein Ton, vor allem gegenüber Moderatorin Candy Crowley, war herablassend. Das Studiopublikum reagierte mehrfach hörbar verärgert. Media-Analysten der Universität Hofstra bilanzierten: „Romney ist gegenüber der ersten Debatte deutlich geschrumpft. Er hatte nicht mehr das Heft in der Hand. Seine schlechte Aura hat sich auf unentschiedene Wähler im Fernsehpublikum übertragen. Das wird die Debatten-Nachlese bestimmen.“ Tatsache aber bleibt: Im Mittel aller Umfragen liefern sich Obama und Romney bis heute ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen mit Werten zwischen 46 und 48 Prozent. Noch ist alles möglich am 6. November.
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Patzer und Pannen:
Romney hatte laut ‚New York Times’ „mit Abstand die meisten“. Die größten Schlagzeilen löste der Disput über die tödlichen Anschläge auf das US-Konsulat in Bengasi/Libyen am 11. September aus. Romney hielt der Obama-Regierung Verschleierung vor. Sie habe viel zu spät eingeräumt, dass es sich um einen „Terroranschlag“ gehandelt hat. Obama hatte in einer ersten Reaktion, wenn auch nicht direkt auf Bengasi bezogen, exakt dieses Wort benutzt. Als die Moderatorin Romney darauf aufmerksam machte, kam der Kandidat ins Straucheln, setzte nickelig nach und wirkte fortan unsicher.
Republikanische Strategie-Berater räumten ein, dass Romney die „Chance vergeigt hat“, die Außenpolitik des Präsidenten am Beispiel Libyen „seriös zu kritisieren“. Er stehe nun da, wie jemand, der aus dem „Tod von vier Landsleuten egoistisch Honig saugen wollte“. Für die außenpolitisch geprägte TV-Debatte am kommenden Montag in Florida lasse das „nichts Gutes erahnen“. Romney habe „Zweifel an seiner Führungsfähigkeit gesät, ohne Not“.
Wirtschaft:
Romney präsentierte sich erneut als radikaler Marktwirtschafter und kanzelte Obama als Interventionisten ab, der Amerika mit Steuererhöhungen, noch mehr Staatsausgaben und Bürokratie auf den „Weg Richtung Griechenlands führen wird“. Wie er sein eigenes Programm finanzieren will, in dem Steuererleichterungen, Ausgabenkürzungen, Deregulierung und eine Aufstockung des Militäretats die Eckpfeiler sind, ließ Romney wiederholt im Unklaren – obwohl sich das Volumen im Bereich von mehreren 1000 Milliarden Dollar bewegt.
Obama stocherte in dieser Wunde und sagte voraus, die „Rechnung wird am Ende die Mittelschicht bezahlen müssen“. Romneys standhafte Weigerung, seine Versprechen endlich mit Zahlen zu unterfüttern, „weckt zunehmend Zweifel an der Plausibilität“, stellten Leser des konservativen „Wall Street Journals“ fest. Bleibt Romneys Erklärungsnotstand, so Hofstra-Politologen, kann sich Obamas Konter festsetzen, wonach der Republikaner „nur Luftbuchungen anbietet“.
Frauen:
Romney lag bis vor kurzem in der weiblichen Wählerschaft gegenüber Obama dramatisch hinten. In der ersten TV-Debatte in Denver hatte er laut Umfragen Boden gut gemacht. Hempstead könnte dieses Kapital wieder aufgebraucht haben. Befragt, was er zu Benachteiligungen im Berufsleben zu sagen hat, versuchte sich Romney als Frauenversteher. Als Gouverneur von Massachusetts habe er den weiblichen Anteil in seinem Kabinett nach oben geschraubt. Und dazu vorher bei Frauengruppen nach geeigneten Kandidatinnen gefragt. „Sie haben uns ganze Aktenordner voll mit Frauen gebracht“, sagte Romney vor laufender Kamera.
Die englische Formulierung „binders full of women“ wurde im Internet binnen Stunden zum Debatten-Thema; und überwiegend als despektierlich empfunden. „Der Mann behandelt Menschen wie Büroklammern. Oder Akten-Notizen. Jedenfalls so, dass man sie in Ordnern halten kann“, bloggte eine Kommentatorin der „Los Angeles Times“. Republikanische Kongressabgeordnete aus liberalen Ostküsten-Staaten wie Maine befürchten, dass „Romneys ungelenke Wortwahl nachwirken wird“. Zumal Obama herausgearbeitet hat, dass es Romney und die Republikaner sind, die beliebte Gesundheitsdienste für Frauen („Planned Parenthood“), die Krebsvorsorge anbieten aber auch Verhütungsmittel, von staatlichen Zuschüssen abnabeln wollen. „Bei unentschlossenen Wählerinnen hat Mitt Rommey heute gewiss keinen Stich gemacht“, sagte die Debatten-Analytikerin Diana Carlin.