Berlin. . In den USA inszenieren Ann Romney und Michell Obama ihr eigenes Programm. Hierzulande legen Spitzenpolitiker mehr denn je Wert auf die Privatsphäre. Auch die Wähler lehnen nach den Affären um Christian Wulff und Theoder zu Guttenberg zu viel private Inszenierung ab.
Ein Gedankenspiel. Bundestagswahlkampf 2013. Angela Merkel und Peer Steinbrück schicken ihre Partner nach US-Vorbild ins Ehegattenduell. Joachim Sauer, Merkels Ehemann, muss im eleganten Zwirn durch die Talkshows pilgern und kokettiert: „Mit mir klarzukommen ist einer der Gründe, warum Angela zur Kanzlerin taugt.“ Draußen, auf dem Marktplatz, steht Gertrud Steinbrück und tönt: „Niemand wird härter arbeiten als Peer. Niemand wird sich mehr kümmern und Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um dieses Land zu einem besseren Platz zu machen.“
Michelle Obama (48) und Ann Romney (63) reden so. Sie sind ein Kernstück der Wahlkampagne ihrer Ehemänner. Undenkbar in Deutschland? Die promovierte Biologin Gertrud Steinbrück (63), Gymnasiallehrerin in Bonn, und der Chemiker Joachim Sauer (63), Professor an der Humboldt-Uni, werden sich kein Duell liefern. Kein Schaulaufen in spektakulärer Garderobe. In diesem Punkt sind sich Amtsinhaberin und Herausforderer einig: „Ich freue mich, dass wir nicht die Verhältnisse haben wie in den USA, wo die Ehefrau eine flammende Rede auf ihren Mann halten muss“, sagt Peer Steinbrück. Er will das Privatleben seiner Familie schützen. „So wie Frau Merkel das macht, würde ich das gerne kopieren.“
Nur jeder Fünfte möchte Merkels Mann laut Umfrage häufiger in der Öffentlichkeit sehen. Die „mediale Totalverweigerung“ von Joachim Sauer „wirkt auf einige vielleicht nicht sympathisch, wird aber akzeptiert“. Der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen sieht gleich drei Gründe, warum Ehegatten-Wahlkampf in Deutschland erfolglos wäre. Erstens: Der „Inszenierungsekel“ der Deutschen. „Im Moment gibt es wenig Sehnsucht nach Glamour.“ Angesichts der Finanzkrise sei eher die Figur des braven Handwerkers oder des seriösen Arbeiters gefragt. Besonders nach den Enttäuschungen über die Wulffs und die Guttenbergs. „Würden Steinbrück oder Merkel jetzt Wahlkampf mit ihren Ehepartnern machen – wir wären irritiert. Wir würden denken: Die wollen nur ablenken.“
Nebeneinkünfte sind interessanter als der Zustand der Ehe
Der zweite Grund: In den USA ist die Gesamtpersönlichkeit gefragt. Die öffentlich-politische und die private Moral sind stärker verquickt als in Deutschland. Frei nach dem Motto: Wer seinen Hund schlecht behandelt, kann kein guter Politiker sein. „In Deutschland“, so Pörksen, „will man einen guten Politiker, aber nicht notwendig einen perfekten Menschen.“ Die Deutschen sind weniger Moralisten als Krämer. „Also interessieren wir uns eher für Nebeneinkünfte und Honorare als für den Zustand der Ehe.“
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Aber ist es nicht wichtig, oder zumindest unterhaltsam, zu wissen, wie der Kandidat als Privatmensch ist? Die Medienbranche in Deutschland laviert zwischen Diskretion und Enthüllung, Respekt und Neugier. Hinzu kommt: Nicht alle Spitzenpolitiker sind so zugeknöpft wie Merkel und Steinbrück: „Gerhard Schröder, Christian Wulff oder Karl-Theodor zu Guttenberg haben ihre Ehefrauen für die Selbstinszenierung genutzt“, so Pörksen. Doris Schröder-Köpf, die gerade für den niedersächsischen Landtag kandidiert, galt als „Gefühlsministerin“ ihres Mannes. „Wir sind eine Kampfgemeinschaft“, sagt sie noch heute. Im Wahlkampf 2005 ging sie Angela Merkel öffentlich an, weil diese als Frauenministerin nichts gegen die niedrige Geburtenrate in Deutschland unternommen habe. Im folgenden Fernsehduell zwischen Herausfordererin Merkel und Amtsinhaber Schröder bedankte sich Schröder bei seiner Frau nach amerikanischer Art mit einer Liebeserklärung vor Millionenpublikum. Die Opposition war empört.
Knutschende Obamas
Forscher Pörksen beobachtet – drittens – eine neue Ängstlichkeit bei den Spitzenpolitikern: „Die meisten wissen: Private Botschaften sind schwer kontrollierbar. Der Schritt, das eigene Privatleben für die Medien zu öffnen, ist nicht umkehrbar.“ Für eine neue Studie hat der Wissenschaftler zahlreiche deutsche Spitzenpolitiker befragt. „Durch die digitale Revolution gibt es immer weniger unbeobachtete Momente.“ Die Folge: Der Schutz des Privaten wird wichtiger. „Die Zahl der Homestorys geht zurück, viele Politiker sind zunehmend reserviert.“ Das Modell Merkel/Sauer scheint Schule zu machen.