Charlotte. Die First Lady Amerikas läutet mit einer intimen politischen Liebeserklärung an ihren Mann den Präsidenten-Parteitag der Demokraten in Charlotte ein. „Barack betrachtet soziale Probleme nicht politisch, er nimmt sie persönlich“, sagte sie.
Mit nachdenklichen und kämpferischen Auftritten haben die US-Demokraten am Dienstagabend ihren Parteitag zur Nominierung von Barack Obama für eine zweite Amtsperiode als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika begonnen. Höhepunkte waren die Auftritte der First Lady Michelle Obama und des aufstrebenden Politik-Talents Julian Castro, der als erster Demokrat lateinamerikanischer Abstammung die Schlüsselrede des Parteitages halten durfte.
Michelle Obama war in einer nachdenklichen, hochemotionalen, aber auf jede Aggressivität verzichtenden Rede für eine zweite Amtszeit ihres Mannes eingetreten. „Wir müssen noch weitermachen, es gibt noch so viele Dinge zu verbessern“, zitierte sie aus abendlichen Gesprächen ihren Mann und erntete dafür anhaltenden Beifall von den 6000 Delegierten in der Time Warner Cable Arena in Charlotte/North Carolina.
Gesundheitsreform als symbolisches Beispiel
Die 48-Jährige Mutter zweier Töchter blickte zunächst zurück auf die Zeit vor der Wahl 2008. Ihre Sorge, das Amt könne das Leben vor allem der beiden Töchter Sasha und Malia durcheinander bringen, habe sich zum Glück nicht bestätigt; auch weil Barack Obama trotz der Beanspruchung im Beruf seinen Pflichten als Vater immer nachgekommen sei. Sie stellte danach die umstrittene Gesundheitsreform heraus, die Obama zu Beginn seiner Amtszeit gegen erhebliche Widerstände des Kongresses durchgesetzt hat – als symbolisches Beispiel dafür, dass ihr Mann eine zweite Amtszeit verdient habe, weil er die Lösung sozialer Probleme „nicht als Politik ansieht, sondern persönlich nimmt“.
Krankenversicherungsschutz für alle sei ein Gebot der Fairness und Vernunft, sagte sie. Niemand dürfe in Amerika in den privaten Bankrott getrieben werden, weil eine Krankheit oder ein Unfall das Leben aus der Bahn geworfen haben. Zuvor hatten mehrere Redner Alltagsbeispiele von Familien-Tragödien geschildert, die auf fehlenden Versicherungsschutz zurückgingen.
Wie schon bei ihrer Rede auf dem Nominierungsparteitag 2008 in Denver rief Michelle Obama, die diesmal in einem rosafarbenen, ärmellosen Kleid ans Rednerpult trat, ihre Lebensgeschichte und die ihres Mannes in Erinnerung. Botschaft: Wir beide kommen aus armen Verhältnissen, wir wissen, was ums wirtschaftlich Überleben kämpfende Amerikaner in der heutigen Zeit durchmachen. Ohne ihn auch nur ein einziges Mal zu erwähnen, setzte die First Lady damit einen starken Kontrapunkt zur Biographie des republikanischen Multimillionärs Mitt Romney. Beifall war ihr gewiss.
Michelle Obama verzichtet auf direkte Angriffe
Dass Barack Obama Erwartungen enttäuscht hat, dass „Hope“ und „Change“, Hoffnung und Wandel, nicht so zügig eintraten, wie es verhießen war, das räumte sie unumwunden ein. „Wandel ist schwer. Und Wandel ist langsam“, sagte sie, „doch irgendwann kommen wir dahin, das tun wir immer.“ Ihrem Ehemann bescheinigte die auf Sport und gesunde Ernährung Wert legende Juristin, sich in seiner Kern-Überzeugung, dass alle in Amerika ungeachtet der Herkunft „ein faire Chance verdienen“, kein bisschen geändert zu haben. Darum liebe sie ihn heute auch noch mehr als vor vier Jahren. Barack Obama gehe trotz vieler Rückschläge stets mit „Geduld, Weisheit, Mut und Würde“ an die Arbeit. Eine Arbeit, die noch nicht beendet sei. „Wir müssen noch einmal zusammenstehen für den Mann, dem wir vertrauen können, dieses großartige Land weiter nach vorne zu bringen“, sagte sie.
Die Präsidentengattin, die in der amerikanischen Bevölkerung deutlich beliebter ist als ihr Mann, verzichtete in ihrer gut 30-minütigen Rede auf direkte Angriffe in Richtung des Herausforderers Mitt Romney oder der republikanischen Partei. In entscheidenden gesellschaftspolitischen Fragen – Abtreibung, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, Gesundheitsreform – machte sie gleichwohl mit leisen Tönen den Kontrast glasklar.
Castro als potentieller Präsident?
Julian Castro, 37 Jahre alt und zuletzt mit 83 Prozent wiedergewählter Bürgermeister der größten texanischen Stadt, San Antonio, gilt als kommende Hoffnung der demokratischen Partei. Analysten sehen in ihm bereits den ersten US-Präsidenten hispanischer Abstammung. Der Sohn mexikanischer Einwanderer, ein in Harvard und Princeton ausgebildeter Jurist, versuchte in seiner Rede das Standard-Argument der Republikaner zu entkräften, die Obama seit Amtsantritt bei der Ankurbelung der Wirtschaft und der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Totalversagen vorwerfen. „Wir haben 29 Monate hintereinander steigende Beschäftigungszahlen“, rief Castro den Delegierte zu.
Mitt Romney warf er vor, mit gescheiterten Instrumenten vorgehen zu wollen und die Situation im Land „einfach nicht zu kapieren“. Castro sprach von einer Richtungswahl, die Amerika im November erwarte, „die Wahl zwischen einem Land, in dem die Mittelschicht mehr zahlt, damit Reiche weniger zahlen - oder einem Land, in dem jeder einzelne seinen fairen Anteil besteuert, damit wir die Haushaltsschulden abbauen und die Arbeitsplätze der Zukunft schaffen können“.
Knutschende Obamas
Zuvor hatte der Parteitag mit überwältigender Mehrheit das neue Parteiprogramm verabschiedet. Es unterstützt den Plan Obamas, die Steuern für Großverdiener anzuheben. Bürger mit einem Einkommen von über 250.000 Dollar (rund 200.000 Euro) sollen deutlich stärker vom Staat zur Kasse gebeten werden. Die Republikaner lehnen das ab. Außerdem heißen die Demokraten die gesetzliche Gleichbehandlung schwuler und lesbischer Paare mit der herkömmlichen Ehe gut und wollen Frauen das Recht einräumen, eigenständig über die Abtreibung eines ungewollten Kindes zu entscheiden. In beiden Punkten sind die Republikaner radikal auf Gegenkurs.
Kein Gegenkandidat für Obama
Am Mittwoch wird Barack Obama am Abend offiziell von seiner Partei für die Kandidatur zu einer zweiten Amtszeit aufgestellt. Eine Formsache, da es keinen Gegenkandidaten gab. Im späteren Verlauf des Abends steht die mit Spannung erwartete Rede des früheren Präsidenten Bill Clinton auf dem Programm. Vor vier Jahren, als seine Frau Hillary parteiintern gegen Obama um das Präsidentschaftsticket der Demokraten rang, noch in einer subtil-herzlicher Feindschaft mit dem früheren Senator aus Illinois verbunden, hat Clinton sich inzwischen zu einem der wirkungsvollsten Fürsprecher Obamas entwickelt. Er wirbt in TV-Werbespots offensiv für den Kurs des Präsidenten und wirft den Republikanern vor, Amerika mit genau den Mitteln behelligen zu wollen (Deregulierung der Finanzmärkte, Steuersenkungen, radikale Ausgabenkürzungen des Staates), die das Land vor 2008 in die schlimmste Finanzkrise seit Jahrzehnten gebracht hätten.