Tampa/Florida. . Präsidentschaftskandidat der Republikaner in Amerika verspricht in seiner streckenweise staatsmännischen Nominierungs-Rede in Tampa keine hochtrabenden Visionen. Sondern konkrete Hilfe: Jobs. 12 Millionen Jobs in vier Jahren.

Mitt Romney will die Präsidentenwahl am 6. November in Amerika gewinnen, indem er sich mit überschaubaren Zielen den Bürgern andient, die sich von Barack Obama im Stich gelassen fühlen. Bei seiner mit Spannung erwarteten Antrittsrede am Donnerstagabend auf dem Parteitag der Republikaner in Tampa machte Herausforderer Romney deutlich, dass er kleinere Schritte verfolgt als der 2008 mit großen Hoffnungen und Visionen gestartete Amtsinhaber – diese aber zu erreichen gedenkt: „Obama hat versprochen, den Anstieg des Meeres zu verlangsamen und den Planeten zu heilen“, mokierte sich Romney und genoss den Beifall, „ich verspreche, ihnen und ihrer Familie zu helfen.“ Was Amerika jetzt brauche, sei „weder kompliziert noch tiefgründig: Jobs, Jobs. Viele Jobs.“ 12 Millionen davon will er schaffen in den nächsten vier Jahren.

Im Mittelpunkt seiner immer wieder von Applaus begleiteten Rede stand ein wenig überraschender 5-Punkte-Plan, der Amerika zu „alter Größe“ verhelfen soll.

Mit fünf Punkten ins Weiße Haus

1) Bis 2020 will Romney das Land von Energie-Importen komplett unabhängig machen und dabei Millionen neuer Arbeitsplätze auslösen. Zu diesem Zweck sollen die vorhandenen Vorräte für die Energieträger Öl, Gas, Atomkraft, Kohle und Erneuerbare konsequenter als bisher ausgenutzt werden.

2) Arbeitnehmer sollen für den Bedarf und die Jobs von morgen ausgebildet werden. Jedes Kind soll eine Chance bekommen und die Eltern Wahlfreiheit bei der Schule.

3) Neue Handelsabkommen sollen gewährleisten, dass Amerikas Benachteiligungen aufgehoben werden. Länder, die beim Handel betrügen (unausgesprochen war China gemeint), hätten „unmissverständliche Konsequenzen“ zu gewärtigen.

4) Die Staatsverschuldung wird abgebaut bis zu einem ausgeglichenen Haushalt, damit jeder Investor versteht, dass „seine Anlagen in Amerika sich nicht wie in Griechenland in Luft auflösen“.

5) Um den Mittelstand zu kräftigen, sollen Steuern gesenkt und bürokratische Hürden abgebaut werden. Die umstrittene Gesundheitsreform „Obamacare“ wird abgeschafft.

Mitt Romney, im Vorwahlkampf in den eigenen Reihen oft als zu weich und wankelmütig kritisiert, gab sich streckenweise überparteilich, fast staatsmännisch, jedenfalls nicht so giftig wie weite Teile seiner Partei. Dass 2008 „viele Amerikaner eine frische Begeisterung über die Möglichkeiten eines neuen Präsidenten verspürt haben“, wisse er, sagte Romney. Und: „Ich hätte mir gewünscht, Präsident Obama wäre erfolgreich gewesen. Weil ich will, dass Amerika erfolgreich ist.“ Nach vier Jahren sei allerdings nüchtern festzuhalten, dass die Versprechungen nichts als „Enttäuschung und Spaltung“ erzeugt hätten. „Das müssen wir nicht akzeptieren“, rief Romney. Jetzt sei der Moment gekommen, etwas dagegen zu tun und aufzustehen: „Ich bin Amerikaner! Ich bestimme selbst über mein Schicksal! Und ich und meine Familie verdienen etwas Besseres!“ Falls Obama wiedergewählt würde, werde sich der Niedergang konsequent fortsetzen. Wie auf einem Beipackzettel für politische Rezepte dozierte Romney: „Wenn sie damals Begeisterung empfanden, als sie für Barack Obama stimmten, sollten sie das nicht ebenso nun tun, wo er Präsident ist? Sie wissen, dass etwas nicht stimmt mit der Art und Weise, wie er seinen Job gemacht hat, wenn das beste Gefühl, das sie hatten, sich an dem Tag einstellte, als sie für ihn stimmten.“

Angst vor verbalen Entgleisungen

Die Erwartungen an Romneys Rede waren den Tag über in unzähligen Fernsehübertragungen hoch gesteckt worden. Während manche Parteigänger lediglich hofften, Romney werde „locker lassen, natürlicher agieren, nicht so kontrolliert“, eben ein bisschen Emotion zeigen für die Menschen draußen an den Mattscheiben, sprachen andere von der „tiefen Notwendigkeit“, der in punkto Beliebtheit in Umfragen weit hinter Obama rangierende Kandidat müsse „die Rede seines Lebens halten“. Und dafür Sorge tragen, dass nicht „Kompetenz“ nur durchscheint. Sondern auch „Charisma“. „Eine Stunde den inneren Ronald Reagan finden und herauslassen“, sagte ein Berater der Romney-Kampagne mit Blick auf die rhetorischen Entertainer-Qualitäten des früheren Schauspielers und späteren Präsidenten – „das würde schon reichen“.

Wahlkampf in den USA ist vor allem eine große Show. Foto: Justin Sullivan/AFP
Wahlkampf in den USA ist vor allem eine große Show. Foto: Justin Sullivan/AFP © AFP

Aber das ist kompliziert. Gerade dann, wenn Mitt Romney in den vergangenen zwölf Wahlkampfmonaten besonders „easy going“, besonders gelöst wirken wollte, gerieten ihm die dicksten Pannen. Die Wette über 10.000 Dollar, die er wegen einer Besserwisser-Nichtigkeit vor laufender Kamera seinem damaligen Konkurrenten Gouverneur Rick Perry aus Texas anbot, war so ein Fall. Sie definiert bis heute für viele sein Image als ein Millionär, der weder Boden noch Haftung schreiben kann. Der Spruch, dass die Bäume in Michigan „die richtige Höhe“ haben, dass er gerne „Leute feuert“ oder Kumpels hat, die nicht nur Autorennen besuchen, sondern „Auto-Rennställe besitzen“, alle diese Aussetzer rühren aus Momenten, als Romney das vorbereitete Manuskript verließ.

Dazu durfte es gestern nicht kommen. Kam es auch nicht.

Die Dramaturgie des Abends war minutiös durchgeplant und übersichtlich sortiert. Selbst als ein paar Anwesende im mit 20.000 Menschen gefüllten „Tampa Bay Times Forum“ den Versuch unternahmen, die Ansprache mit Zwischenrufen zu stören, war schnell Abhilfe da. Stramme Republikaner übertönten die Störenfriede mit lauten „USA! USA!“-Rufen. Verschiedene Redner, darunter ein enger Wegbegleiter Romneys aus der Kirche der Mormonen, lieferten mit viel Pathos und Extra-Lob garnierte Puzzle-Stücke, die die menschliche Seite des Kandidaten komplettieren sollten. Die Eltern eines mit 14 Jahren an Krebs gestorbenen Jungen aus Boston traten ans Rednerpult und schilderten zu Herzen gehend, wie Romney Anfang der 80er Jahren über viele Wochen das Sterben des Teenagers begleitet und am Ende sogar das Testament geschrieben hat. Marco Rubio, mit einiger Berechtigung als kommender Star gehandelter Senator aus Florida mit kubanischen Wurzeln, blieb das offizielle Intro vorbehalten. Thema: Amerikas ramponierte Außerordentlichkeit. Und wie Romney sie wiederherstellt. Rubio war selbstverliebt. Und gut.

Clint Eastwoods verkrampfte Showeinlage

Überraschungsgast des Abends war indes kurz vor Romneys Rede einer, der für gewöhnlich die Augen zu Schlitzen zusammenzwängt, wenn es eng wird, den Poncho fest um die Schultern zieht – und schießt. Clint Eastwood kam gestern weder als „Dirty Harry“ oder „glorreicher Halunke“ nach Tampa. Sondern als Wahlkämpfer mit Schauspielerdrang. Der 82-Jährige hatte bereits vor Wochen Romney offiziell „endorsed“, wie die Amerikaner das öffentliche Unterstützen eines Kandidaten für öffentliche Ämter nennen. Amerika brauche einen „Schub“, sagte Eastwood damals. Er ist seit Jahren den Republikanern zuneigt und war 1986 als Bürgermeister des kalifornischen Badeortes Carmel selbst kurz in die Politik eingetaucht. Sein demonstrativer Schulterschluss mit Romney auf dem Höhepunkt des Nominierungsparteitags löste unter Beobachtern dennoch Verwunderung aus. Noch im Februar hatte Eastwood in einem opulent gestalteten Mini-Film, der in der Halbzeit des Super-Bowl-Finales im American Football ausgestrahlt worden war, indirekt Partei für Präsident Obama ergriffen. In dem Spot wirbt „Dirty Harry“ für den Autostandort Detroit, den es ohne Obamas milliardenschwere Staatshilfe heute nach Überzeugung von Branchenkennern nicht mehr geben würde. Inzwischen ist der Autokonzern Chrysler wieder gut im Geschäft. Eastwood stand also kurz unter Verdacht, Wahlkampfhilfe für Obama zu machen. Was der knorrige Mann schon im Winter weit von sich wies.

Clint Eastwood ergriff in Tampa auf eine etwa gekrampfte Art Partei für Mitt Romney. Foto: Brendan Smialowski/AFP
Clint Eastwood ergriff in Tampa auf eine etwa gekrampfte Art Partei für Mitt Romney. Foto: Brendan Smialowski/AFP © AFP

Vielleicht, mutmaßen Spötter, hat den Romney-Leuten das Ende des Filmes so gut gefallen, dass sie die demokratischen Verdächtigungen bald vergaßen. Da knödelt Eastwood nämlich wie es nur Eastwood kann: „Dieses Land kann nicht mit einem Schlag ausgeknockt werden. Wir stehen ganz einfach wieder auf, und dann wird die Welt das Geheul unserer Motoren hören.“ In Tampa legte der sichtlich alt gewordene Mime eine etwas gekrampfte Einlage hin und tat so, als säße er Obama gegenüber und würde ihm ordentlich die Meinung geigen. „Was meinen Sie mit „Halt den Mund“, Mr. President, fuhr Eastwood den imaginierten Obama zum Schluss an. „Ich glaube, vielleicht ist es an der Zeit, dass ein anderer kommt und die Probleme löst.“ Frenetischer Beifall. Vereinzeltes Kopfschütteln.

In seiner Rede verwandte Romney etliche Minuten darauf, seine umstrittene Bilanz als Manager in der Privatwirtschaft ins rechte Licht zu setzen und dabei gleichzeitig sanft den Gegner zu treffen. „Ich freue mich zu sehen, dass die Obama-Leute bei Staples einkaufen“ - eine Büro-Bedarfs-Kette, die seine damalige Private-Equity-Firma Bain Capital angeschoben haben will.

Romney und die Liebe

Was die eigene Person angeht, blieb der scheue Mormone gemessen an den Erwartungen weiter zugeknöpft. Er charakterisierte sich als Bewunderer seines Vaters George, der 1968 ebenfalls Präsident werden wollte und hielt ein bereits mehrfach gehörtes Plädoyer: „Unbedingte Liebe“, gelebt und vorgelebt in der Familie, sei das Wichtigste. „Alle Gesetze der Welt können die Welt längst nicht so heilen, wie die liebenden Herzen und Arme von Müttern und Vätern. Wenn jedes Kind sich beim Einschlafen der Liebe der Eltern und Gottes Liebe gewiss sein dürfte, wäre diese Welt bei weitem ein besserer Ort.“

Romney beschrieb Amerika zum Abschluss als „die Geschichte von vielen, die eins werden: „Vereint um die Freiheit zu bewahren, vereint um die großartigste Wirtschaft der Welt zu erschaffen, vereint zur Rettung der Welt vor unaussprechlicher Dunkelheit“. Dieses Amerika wiederherzustellen, daran werde „ich mit meiner ganzen Energie und Seele arbeiten“, versprach er dem Publikum zum Kehraus. Ovationen im Stehen. Luftballon-Regen von der Hallendecke. Tanzmusik. Schulterklopfen. Schlussgebet. Dann ab ins Bett. Morgen ist wieder Wahlkampf.