Charlotte. . Die zweite Amtszeit Barack Obamas ist akut gefährdet. Viele Wähler in Amerika sind über die Arbeit des Hoffnungsträgers von 2008 enttäuscht. Der republikanische Widersacher Mitt Romney liegt in vielen Umfragen gleichauf. Die wichtigsten Eckpunkte von Obamas Amtszeit im Fakten-Check.

Auf dem Parteitag der Demokraten in Charlotte/North Carolina wird Präsident Obama bis Donnerstag seine Leistungsbilanz in ein günstiges Licht rücken. Was hat er geschafft bislang, was nicht? Je nach politischem Blickwinkel steckt in jedem Plus ein Minus.

Wirtschaft und Jobs

Plus: Dass Obama von Vorgänger George W. Bush die schwerste Wirtschaftskrise seit den 30er-Jahren erbte, Arbeitslosenzahlen und Haushaltsdefizit nach oben schießen ließ, wissen viele Amerikaner. Sie würdigen, dass der Präsident mit dem größten Konjunkturpaket der Geschichte (900 Milliarden Dollar), einem Bankensanierungsprogramm und der Unterstützung der bedrohten Autoindustrie interveniert hat. Aber:

Minus: Dass die Arbeitslosenzahlen seit Amtsantritt konstant über der 8-Prozent-Hürde liegen (zurzeit 8,3 Prozent), dass 23 Millionen Amerikaner nicht oder unterbeschäftigt sind, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen sich auf hohem Sockel verfestigt bei gleichzeitiger Erhöhung des Staatsschuldenstandes um 5000 Milliarden Dollar – das wollen die meisten Amerikaner genauso wenig länger hinnehmen wie substanzielle Einkommenseinbußen.

Gesundheitssystem

Plus: Mit der vom Obersten Gerichtshof als verfassungsfest eingestuften Reform des Gesundheitssystems ist Obama ein historisches Projekt gelungen, an dem sämtliche Vorgänger gescheitert waren: ein Krankenversicherungssystem, das über 30 Millionen Amerikaner vor dem freien Fall bewahrt.


Minus: Weil „Obamacare“ kompliziert ist, zur Zeit noch mehr kostet als es auf lange Sicht einsparen kann und einen Eingriff in die Autonomie der Bundesstaaten bedeutet, ist das Projekt zum Hauptangriffsziel der Republikaner geworden. Obamacare = Sozialismus; bis heute hat der Präsident es nicht geschafft, diese verzerrte Gleichung aus der Welt zu argumentieren.

Außenpolitik

Plus: Außenpolitisch fallen Obama die Liquidierung von Terror-Chef Osama bin Laden, der Abzug der US-Truppen aus dem Irak sowie der noch anstehende Abzug aus Afghanistan auf die Butterseite. Dass der Präsident amerikanische Truppen aus der Entmachtung Gaddafis in Libyen herausgehalten hat und dies auch bisher im Fall Syrien/Assad nicht anders hält, wird ebenfalls mehrheitlich als positiv bewertet.

Minus: Liberale Wählerschichten monieren, dass Obama in Syrien schlimmen Menschenrechtsverletzungen zusieht und das Terrorgefangenenlager Guantanamo nicht geschlossen hat. Die Umstellung von Militär-Großeinsätzen auf die unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten günstigere Kriegsführung per Drohnen gegen den islamistischen Terror wird ebenfalls mit Argwohn betrachtet.

Die Beliebtheit

Plus: Bei den Beliebtheitswerten – vor allem bei Frauen sowie Angehörigen gesellschaftlicher Minderheiten von Afro-Amerikanern bis Latinos – liegt Obama weit vor seinem Kontrahenten Romney. Der Präsident wird im Gegensatz zu dem ungelenk und abgehoben wirkenden Multi-Millionär Romney zudem von einem großen Teil der Bevölkerung unverändert als sympathischer Familienmensch wahrgenommen.


Minus: Verbesserungen beim Aufenthaltsrecht von lange in den USA lebenden Einwanderer-Kindern, Befürwortung gleichgeschlechtlicher Ehen, Beendigung der Diskriminierung von Homosexuellen in der Armee, moderate Haltung in der Abtreibungsfrage – Obamas Gesellschaftspolitik hat den Protest auf der republikanischen Gegenseite vor allem bei Evangelikalen und radikalen Lebensschützer enorm wachsen lassen. Obama wird dort gehasst und als „unamerikanisch“ verteufelt.

Der amerikanische Traum

Plus: Obama wollte nach dem Wahlsieg 2008 die breiten politischen Gräben in Amerika schließen und das zerstrittene Land einen. Das Wohlstandsversprechen vom „amerikanischen Traum“ sollte wieder für alle Amerikaner gleich welcher gesellschaftlichen Herkunft gelten. Fairness war sein Credo.


Minus: Die politische Streit-Kultur in Washington zu verändern, ist Obama nicht gelungen. „Washington fühlt sich so kaputt an wie vor vier Jahren“, sagte der Präsident kürzlich zur besten Sendezeit im Fernsehen. Im Wahlkampf bedient er sich – wie die Republikaner – des Instruments der Stigmatisierung und Verunglimpfung. Ein Eingeständnis des Scheiterns, das Kritiker zur Kernfrage bringt: Warum diesem Mann noch einmal vier Jahre geben?