Berlin. Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) will Sterbe-Beihilfe für Angehörige und “nahestehende Personen“ des Betroffenen strafffrei stellen. Das sorgt für Konflikte in der Koalition. Unions-Politiker sehen in dem Gesetzentwurf einen gefährlichen “Dammbruch“.

Die Pläne von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zur Sterbehilfe haben eine heftige kontroverse Debatte ausgelöst. Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) warnte vor einem "Dammbruch hin zur aktiven Sterbehilfe" und forderte, den Gesetzentwurf schnellstens wieder fallen zu lassen. "Wir wollen nicht zulassen, dass menschliches Leben in irgendeiner Art und Weise verfügbar gemacht wird", sagte er. Singhammer befürchtet schlimme Fehlentwicklungen. "Es geht hier um Tötung auf Verlangen. Da sind größtmögliche Sensibilität und Ehrlichkeit notwendig." Ähnlich äußerten sich Vertreter der katholischen Kirche.

Der Referentenentwurf sieht vor, Sterbe-Beihilfe für Angehörige und andere nahestehende Personen straffrei zu lassen, gewerbliche Sterbehilfe jedoch mit Haft zu bestrafen.

Singhammer sieht den Entwurf als "ungeeignet, gewerbliche Suizidbeihilfe zu vermeiden, weil es viele Umgehungen ermöglicht". Als Beispiel nennt er schwer an Depressionen Erkrankte. "Diese Menschen brauchen ärztlichen Beistand zur Heilung und nicht zur Beendigung ihres Lebens."

"Rote Linie überschritten"

Der Sozialpolitiker Norbert Geis (CSU) sagte: "Damit ist eine rote Linie überschritten. Da wird eine Tür geöffnet. Es darf keine Straffreiheit für Beihilfe zur Tötung geben. Dieses Gesetz bringt unser gesamtes Rechtsgefüge durcheinander, in dem das Recht auf Leben zu den höchsten Gütern gehört und für niemanden verfügbar sein darf."

Nach Ansicht der Union hat Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger mit dem Gesetzentwurf zur Sterbehilfe nur eine "Teilerfüllung" der Koalitionsabsprache geliefert. "Nach unserem Verständnis gehört zu der Verabredung auch ein Werbeverbot für Sterbehelfer", sagte Unionsfraktionsvize Günter Krings. Deshalb müsse der Entwurf "auch an dieser Stelle nachgebessert werden", betonte der CDU-Politiker.

Wer ist eine "nahestehe Person"?

Die FDP begrüßte den Gesetzentwurf zur Teilnahme an der Sterbehilfe zwar, regte aber Nachbesserungen an. Der lieberale Obmann im Gesundheitsausschuss, Jens Ackermann forderte: "Wer bestraft wird und wer nicht, das müssen wir noch genauer klären." Es müsse konkretisiert werden, wer eine dem Suizidwilligen "nahe stehende Person" sei. "Aus meiner Sicht kann das nur der Betroffene selbst vorher schriftlich verfügen."

Der FDP-Abgeordnete Michael Kauch hat den Gesetzentwurf zum Verbot der kommerziellen Sterbehilfe gegen die Kritik von Union und Ärzteverbänden verteidigt. "Es muss aus Gründen der Humanität möglich sein, dass die Ehefrau dem Sterbenden die Hand halten darf", sagte er.

SPD will Nachbesserungen

Auch die SPD begrüßte zwar den Entwurf, forderte aber Nachbesserungen und eine breite Diskussion. Ihr Rechts- und Gesundheitsexperte Edgar Franke sagte der Zeitung: "Neben Angehörigen sollten auch Pflegekräfte und enge Freunde - in besonderen Ausnahmefällen - straffrei bleiben, wenn Sie einem unheilbar Kranken auf ausdrücklichen Wunsch helfen."

Die Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Sterbehilfe konkreter zu fassen, sei vernünftig, betonte Franke. Problematisch ist laut Franke jedoch die Ausdehnung der Straffreiheit bei Sterbehilfehandlungen von Ärzten, die eine länger andauernde Beziehung zu den Betroffenen hätten. Diese Differenzierung sei in der Praxis nur schwer möglich, zumal das Berufsrecht der Ärzte die aktive Sterbehilfe bisher eindeutig verbiete. (dapd)