Den Haag/Essen. . Die „Lebensende-Klinik“ in Den Haag will Menschen beim Sterben helfen. Ab diesem Donnerstag, 1. März, nimmt sie ihre Arbeit auf, vorerst mit mobilen Teams für Hausbesuche. Sie stellen vorher fest, ob ein Leiden „aussichtslos und unaushaltbar“ ist und der Wille zu sterben unabänderlich. Kritiker nennen es Tod auf Bestellung.

Jan van Kronenburg wollte nicht den Krebs entscheiden lassen. Einmal noch wollte er selbst bestimmen über sein Leben – und dessen Ende. Also ließ der Mann aus Liempde bei Eindhoven seinen Hausarzt kommen und sich von ihm beim Sterben helfen. Das war im August, und van Kronenburg hatte in all seinem Unglück Glück: Der Doktor kannte ihn und das Gesetz, das in den Niederlanden die aktive Sterbehilfe unter bestimmten Voraussetzungen nicht bestraft. Der Mann erfüllte den Wunsch seines Patienten.

An die 2500 Mitbürger wählen jährlich dieses Schicksal, bis zu 1000 aber bleibt dieser Weg versperrt. Das zumindest schätzt die Niederländische Vereinigung für ein Freiwil­liges Lebensende (NVVE) in Den Haag.

Sterbehilfe-Krankenhaus ist noch ohne eigene Betten

„Oft verweigern Ärzte die Sterbehilfe“, weiß Direktorin Petra de Jong, „weil sie nicht wissen, was erlaubt ist, und juristische Folgen fürchten.“ Oder sie lehnen ­Euthanasie aus religiösen Gründen ab. Da der Gesetzgeber im Nachbarland den Bürgern zwar die Entscheidung zwischen Leben und Tod überlässt, nicht aber die freie Arztwahl, eröffnet die NVVE nun eine „Levenseindekliniek“.

Noch hat das „Lebensende-Krankenhaus“ keine eigenen Betten, dafür können Betrof­fene ab dem 1. März mobile Teams nach Hause bestellen. Ein Mediziner und eine Pflegekraft bringen dem Patienten dann den Tod. „Aussichtslos und unaushaltbar“ muss sein Leiden dafür sein, sein Wille zu sterben unabänderlich – so will es das Gesetz, und so will es auch die NVVE halten.

„Tod auf Bestellung“ will sie ihr Angebot nicht genannt ­wissen; „man kann nicht ­einfach anrufen und wir kommen, um zu töten“, sagt Petra de Jong, selbst Lungenärztin. Vorgeschaltet ist ein ausführ­liches „Screening“ und auch der enge Kontakt mit dem ­behandelnden Arzt.

Ausweg Selbstmord

Von „Todesengeln“ reden Kritiker nun, schlimmer noch von „Mord-Kommandos“. Ein Parlamentarier klagte in der überwiegend zustimmenden Zweiten Kammer: „So ein ­mobiles Team klingt, als ob du eine Autopanne hast und der ADAC kommt.“ Lode Wigersma, Vorsitzender der König­lichen Ärztevereinigung, stößt sich am Namen: Der wecke die Erwartung, Sterbehilfe zu bekommen, wenn man lebensmüde, nicht aber krank sei.

Noch ist lebenssatt zu sein auch vom liberalen nieder­ländischen Euthanasie-Gesetz nicht gedeckt. Strittig sind ­darin auch psychiatrische ­Erkrankungen sowie Demenz. Die aber schließt die NVVE in ihrem Konzept ausdrücklich mit ein. Vor zwei Jahren, rechnete Petra de Jong in der ­Zeitung „Volkskrant“ vor, ­hätten 50 von ihrem Arzt abgewiesene Psychiatrie-Patienten Selbstmord begangen.

Menschen, die Sterbehilfe wollen, aber nicht bekommen, weiß de Jong, wählten zudem „manchmal grausame Methoden der Selbsttötung“. Insgesamt zählten die Niederlande im vergangenen Jahr 1500 ­Fälle von Suizid.

Pensionierte Ärzte, Pflegerinnen in Teilzeit

„Man darf die Menschen nicht allein lassen“, findet deshalb auch Gesundheitsministerin Edith Schippers. Sie setzt zwar bevorzugt auf Sterbehilfe durch den eigenen Hausarzt. Wenn er aber aus prinzipiellen Gründen nicht mitarbeiten will, könne der Arzt den ­Kranken an die Klinik oder ein ambulantes Team verweisen.

Sechs dieser Teams beginnen Anfang März mit der Arbeit, ein Vollzeitjob wird es nicht. Einige der Ärzte sind ­bereits pensioniert, Pflegerinnen arbeiten in Teilzeit.

Anmelden kann sich jeder, der in den Niederlanden krankenversichert ist – obwohl die Versicherung gar nicht zahlt. Noch laufen Verhandlungen, vorerst übernimmt eine Stiftung die Kosten für Hausbesuche, Beratung und die todbringenden Medikamenten-Cocktails, aus Spendenmitteln.

„Ein froher Ort“

Mitte des Jahres sollen im Gebäude der NVVE Sterbezimmer entstehen. Ein „froher Ort“ soll das trotz allem werden, hofft Direktorin Petra de Jong: „Ich glaube, dass viele Menschen sehr glücklich ­wären, wenn sie wüssten, dass sie auf eine Weise sterben dürfen, die zu ihnen passt.“

Jan van Kronenburg bekam diesen letzten Wunsch erfüllt, sein allerletzter aber wurde ihm verwehrt. Der Pfarrer ­weigerte sich, den 59-Jährigen auf dem Gemeinde-Friedhof zu beerdigen. Begründung des Katholiken: „Sterbehilfe verstößt gegen die göttliche Schöpfung.“