Kairo/Damaskus. . Mit einem verheerenden Bombenanschlag gerät nun auch die Stadt Aleppo in den Strudel der Gewalt. Das Staatsfernsehen schaut unter Plastikfolien, um Leichen zeigen zu können. Auf wessen Konto geht die Bluttat?
Bombenanschläge in Aleppo, Dauerbeschuss in Homs, 40 000 desertierte Soldaten – der Bürgerkrieg in Syrien eskaliert. In Aleppo starben am Freitag mindestens 28 Menschen und 235 wurden verletzt, als zwei Autobomben vor den Zentralen von Staatssicherheit und militärischem Geheimdienst explodierten. Die Bilder des syrischen Staatsfernsehens zeigten die zertrümmerten Fassaden der Gebäude, zerstörte Autos sowie Helfer mit Mundschutz, die Leichenteile einsammelten und in die Kameras hielten. Ein syrischer Reporter hob Decken und Plastikfolien hoch, die über die Toten gelegt worden waren, und filmte die zerstückelten Leichen.
„Wir entschuldigen uns dafür, diese Bilder zu zeigen“, sagte er. „Aber das ist der Terrorismus, dem wir ausgesetzt sind.“ Die Wirtschaftsmetropole Aleppo war bisher von den Unruhen im Land gegen das Regime von Präsident Bashar al-Assad weitgehend ausgespart geblieben.
Verletzte liegen im Dauerbeschuss
Die Armee ging am Freitag zudem den siebten Tag in Folge mit erbarmungsloser Härte gegen die Aufständischen in Homs vor. Videobilder dokumentierten das Schicksal zahlloser Verletzter in provisorischen Verbandsräumen, denen Ärzte nicht mehr helfen können, weil es am Nötigsten fehlt. Wie Human Rights Watch berichtete, sind alle medizinischen Einrichtungen der Stadt überlastet. Mindestens drei Hilfsstationen seien von Granaten getroffen worden. Verletzte verbluteten, weil ihnen in dem Dauerbeschuss niemand beistehen könne.
Nach Angaben von Aufständischen zieht die Armee inzwischen immer mehr Panzer um die Stadtteile zusammen, die von der „Freien Syrischen Armee“ verteidigt werden. Offenbar plant das Regime in den nächsten Tagen einen Großangriff. In anderen Wohnvierteln gingen die Soldaten in Razzien von Haus zu Haus und verschleppten Bewohner. Bisher wurden nach Angaben der syrischen Opposition in Homs mehr als 2850 Menschen getötet, in Syrien insgesamt sind es über 7000.
Aleppo – nur ein Ablenkungsmanöver?
Für den Doppelanschlag in Aleppo machte das Staatsfernsehen erneut „bewaffnete terroristische Banden“ verantwortlich. Ein Sprecher der „Freien Syrischen Armee“ dagegen beschuldigte die Staatsführung, die Bluttaten selbst inszeniert zu haben, um Panik zu säen und von der Militäroffensive in Homs abzulenken.
Nach türkischen Erkenntnissen sind inzwischen 40 000 junge Männer desertiert, untergetaucht oder haben sich bewaffneten Einheiten der Aufständischen angeschlossen.
Rolle Russlands rück in den Fokus
Für Freitag hatte die Opposition im ganzen Land erneut zu Protesten aufgerufen, die unter dem Motto standen „Russlands Flugzeuge und Panzer sowie sein Veto töten unsere Kinder“. Moskau dagegen warf den westlichen Staaten vor, die „volle Verantwortung“ für die anhaltende Gewalt in Syrien zu tragen. Der Westen verschlimmere die Lage, weil er die Opposition unterstütze und zu kompromisslosen Handlungen anstifte, sagte Vizeaußenminister Sergej Rybakow der Nachrichtenagentur Itar-Tass. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton appellierte an die Kremlführung, die Realitäten vor Ort zur Kenntnis zu nehmen. „Wir können das Blutvergießen nicht einfach weiter zulassen“, sagte sie.