Athen/Berlin. . Die Wut der Griechen wächst: Nach dem Ultimatum der EU schlagen die Proteste auf den Straßen in Gewalt um. Die Polizeigewerkschaft droht der Troika mit Festnahmen und die griechische Rechte will die Sparpläne nicht mittragen.

Proteste wütender Griechen gegen den von internationalen Geldgebern geforderten Sparkurs sind am Freitag in Gewalt umgeschlagen. In Athen ging die Polizei mit Tränengas gegen Demonstranten vor, die mit Brandsätzen, Flaschen und Steinen warfen.

Die Polizeigewerkschaft drohte in einem Brief an die Troika aus EU, EZB und IWF, deren Finanzkontrolleure per Haftbefehl suchen zu lassen - unter anderem wegen Gefährdung der Demokratie. Zudem würden die griechischen Beamten nicht gegen ihre eigenen Brüder vorgehen. Mit einem zweitägigen Generalstreik wollen die Gewerkschaften die Bevölkerung zum Widerstand gegen verschärfte Einschnitte mobilisieren.

Ultimatum bis Mittwoch

Am Freitag legten die Streikenden zum zweiten Mal in dieser Woche Metro und Busse lahm, Schiffe blieben im Hafen. Krankenhausärzte und Bankangestellte legten die Arbeit nieder. Später sollten sich die Lehrer dem Ausstand anschließen. „Nein zu Entlassungen! Nein zu Gehaltskürzungen! Nein zu Rentenkürzungen!“, skandierten Redner per Lautsprecher auf dem zentralen Syntagma-Platz in der Hauptstadt Athen. „Leistet Widerstand!“, appellierten sie an die Demonstrierenden vor dem Parlamentsgebäude.

Die Proteste kommen in einer entscheidenden Phase. Die Koalitionsregierung unter Ministerpräsident Lukas Papademos steht unter massivem Druck der Geldgeber aus Europäischer Union (EU) und Internationalem Währungsfonds (IWF). Diese drohen dem Land, das in Aussicht gestellte zweite Hilfspaket über 130 Milliarden Euro platzen zu lassen, sollte Athen nicht die verlangten weitreichenden Sparschritte akzeptieren. In diesem Fall wäre ein Staatsbankrott unabwendbar. Die griechische Rechte kündigte am Freitag an, das vereinbarte Sparpaket im Parlament nicht mitzutragen.

Innerhalb der griechischen Regierung nahm der Widerstand zu: sechs Mitglieder des 48-köpfigen Kabinetts traten bisher aus Protest gegen die Sparmaßnahmen zurück. Am Freitag waren es die stellvertretende Außenministerin Mariliza Xenogiannakopoulou, Verkehrsminister Yiannis Ragoussis, sowie die stellvertretenden Minister für Landwirtschaft, Verteidigung und der Handelsmarine. Bereits am Donnerstag war der stellvertretende Arbeitsminister zurückgetreten, der wie Xenogiannakopoulou den Sozialisten angehört. Die übrigen zurückgetretenen Regierungsmitglieder sind Mitglieder der LAOS-Partei.

Generalstreik geht weiter

Der Generalstreik soll am Samstag fortgesetzt werden. Er gilt auch als Stimmungstest, inwieweit die Bevölkerung sich gegen die Kürzungen stemmt oder diese zähneknirschend duldet. Viele Griechen sind zunehmend zornig über den Sparkurs, der bereits zu spürbaren Wohlstandseinbußen geführt hat und die gebeutelte Wirtschaft zusätzlich schwächt. Seit fünf Jahren steckt das Land in der Rezession. Mehr als jeder fünfte Grieche hat keine Arbeit. Zahlreiche Geschäfte müssen schließen, weil die Verbraucher den Gürtel enger schnallen.

Während die Bevölkerung gegen die geplanten Sparmaßnahmen der Regierung in Athen mobil macht, wird diese von der Eurogruppe unter Druck gesetzt. Bis Mittwoch müssen drei Bedingungen erfüllt werden, ohne die es kein zweites Rettungspaket für Athen gibt. Das griechische Parlament muss die neuen Spargesetze am Sonntag verabschieden. Die drei großen Parteien müssen das Abkommen unterschreiben. Und darüber hinaus muss eine weitere Finanzierungslücke von 325 Millionen Euro durch nachhaltige Reformen geschlossen werden.

Deutschland räumt Griechenland zur Lösung seiner Schuldenprobleme eine zweiwöchige Galgenfrist ein. Der Bundestag werde am 27. Februar über weitere Hilfen entscheiden, vereinbarten die Fraktionen am Freitag in Berlin nach einer Sondersitzung. Damit soll eine Staatspleite Griechenlands in letzter Minute abgewendet werden. Quer durch alle Parteien wachsen allerdings die Zweifel, dass Athen überhaupt in der Lage ist, die entsprechenden Beschlüsse zu fassen und seine Versprechungen einzuhalten.

Krawalle in Griechenland

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Deutschland gibt Griechenland noch zwei Wochen Zeit

Zahlreiche Politiker plädierten dafür, am 27. Februar über das gesamte Griechenland-Paket im Volumen von 130 Milliarden Euro abzustimmen. Denkbar ist weiterhin aber auch, dass zunächst nur über einen Teil in Höhe von 30 Milliarden Euro entschieden wird. Dies ist auch vom Ergebnis des nächsten Euro-Gruppen-Treffens kommenden Mittwoch und der Sitzung des griechischen Parlaments am Sonntag abhängig: Athen muss dann die neuen Spargesetze beschließen.

Vor den Sondersitzungen der Fraktionen hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) im Kanzleramt die Vorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien und Fraktionen über den aktuellen Stand informiert. Vor der CDU/CSU-Fraktion verwies Merkel nach Angaben von Teilnehmern darauf, dass der politische Wille zur Verabschiedung des Griechenland-II-Paktes bestehe, „das werden wir hoffentlich zum Abschluss bringen“.

Merkel warnte vor einer Insolvenz Griechenlands, ohne das Wort Staatspleite in den Mund zu nehmen. Es gebe „eine Variante“, die ein hohes Maß an Unsicherheit mit sich bringen würde, erklärte die CDU-Vorsitzende. Man könne leicht in eine unkontrollierbare Situation geraten. „Dann haben wir ein Haftungsrisiko am Hacken, das wir nicht mehr beherrschen können“, sagte sie. Der aktuelle Weg sei der des geringsten Schadens, „der Weg, den ich am meisten verantworten kann“.

Abgeordnete zweifeln am Sparvermögen der Griechen

Merkel reagierte den Angaben zufolge damit auch auf Befürchtungen wie denen der fränkischen CSU-Abgeordneten Marlene Mortler. Die Tourismusexpertin drückte in der Fraktionssitzung ihre Zweifel aus, dass Griechenland überhaupt noch in der Lage ist, sich aus dem Schuldensumpf zu befreien, wie Teilnehmer berichteten. Der CSU-Europapolitiker Thomas Silberhorn äußerte demnach Zweifel, dass Griechenland noch in der Euro-Zone zu halten sei.

Bundeswirtschaftsminister und FDP-Parteichef Philipp Rösler mahnte, die Griechen müssten erst noch die Umsetzung der notwendigen Reformen beweisen. Fraktionschef Rainer Brüderle bekräftigte, Griechenland habe bei den versprochenen Reformen „noch nicht genug geliefert“. Wenn es bis zum 27. Februar eine vernünftige Basis für Beschlüsse gebe, „werden wir auch eine Mehrheit haben“, sagte Brüderle.

Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU) stellte die Zustimmung des Bundestages zum nächsten Griechenland-Paket ebenfalls infrage, sollte es in Athen nicht zu einer Einigung kommen. Unions-Fraktionsvize Michael Meister (CDU) fügte hinzu, Griechenlands Verbleib in der Euro-Zone stehe unter der Prämisse, dass die dort vorhandenen Probleme endlich angegangen werden. Unions-Fraktionschef Volker Kauder meinte, das Ziel sei es weiterhin, Griechenland zu helfen. „Aber Griechenland muss seine Voraussetzungen leisten“, betonte der CDU-Politiker.

Linke: „Das ganze Griechenland-Paket ist gescheitert“

Linke-Fraktionschef Gregor Gysi sprach seine Befürchtungen offen aus. „Ich glaube, das ganze Paket zu Griechenland ist gescheitert“, sagte er. Die Grünen zeigten sich optimistischer. „Griechenland muss geholfen werden, aus dieser finanziellen, aber auch strukturellen Krise herauszukommen“, sagte Fraktionschefin Renate Künast.

Die SPD-Fraktion forderte die europäischen Regierungen auf, die griechische Wirtschaft anzukurbeln. Zwar seien „strengste Haushaltsdisziplin“ und der Aufbau einer funktionierenden Finanz- und Steuerverwaltung notwendig, sagte der Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier. Jedoch bringe das alles nicht viel, „wenn es nicht darüber hinaus auch möglich sein wird, Wachstum in diesem Lande wieder in Gang zu bringen“. (rtr/dapd)