Dublin. Mehr als 67 Prozent der Iren haben für den Lissabon-Vertrag gestimmt. Politiker überall in Europa zeigten sich erfreut und erleichtert über das Ergebnis. Die Gegner des Reformvertrags räumten ihre Niederlage ein. Premier Brian Cowen sprach von einem "guten Tag für Irland" und den Kontinent.

Irland hat am Samstag dem EU-Vertrag von Lissabon in einem Referendum mit 67,1 Prozent zugestimmt. 32,9 Prozent der Iren stimmten laut dem staatlichen Fernsehsender RTE gegen das EU-Reformwerk. Die Gegner des Lissabon-Vertrags räumten ihre Niederlage ein, zahlreiche Politiker aus anderen EU-Staaten begrüßten den positiven Ausgang des Referendums.

Gegner räumten Niederlage ein

Der prominente EU-Kritiker Declan Ganley, der die «No"-Kampagne mitorganisiert hatte, räumte schon nach ersten Nachwahlbefragungen einen «überwältigenden» Sieg der Ja-Seite ein. Der irische Ministerpräsident Brian Cowen sieht die Zustimmung seiner Landsleute als entscheidenden Schritt hin zu einem «stärkeren, gerechteren und besseren Europa». «Heute hat das irische Volk mit klarer und überwältigender Stimme gesprochen», sagte Cowen am Samstag noch vor Bekanntgabe des amtlichen Endergebnisses. «Es ist ein guter Tag für Irland und ein guter Tag für Europa.» Ersten Auszählungsergebnissen zufolge zeichnete sich eine Zwei-Drittel-Mehrheit für die Befürworter des Lissabon-Vertrags ab. Auch Irlands Außenminister Micheal Martin sagte, das Ergebnis sei «gut für Irland». Mit dem Endergebnis wurde im Laufe des Tages gerechnet.

Mit Erleichterung hat die europäische Politik in der Bundesrepublik die Zustimmung der Iren zum EU-Vertrag aufgenommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete das Ergebnis am Samstag in Saarbrücken als «wichtigen Schritt zum Lissabon-Vertrag». Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Politiker der anderen im Bundestag vertretenen Parteien mit Ausnahme der Linken begrüßten das Ergebnis.

Merkel beglückwünscht die Iren

Merkel beglückwünschte «das irische Volk und auch meinen Kollegen Brian Cowen zum Ergebnis des Referendums». Deutschland sei «an seinem Tag der Deutschen Einheit sehr glücklich über den Ausgang des Referendums». Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers meinte, mit dem Lissabon-Vertrag werde Europa wieder handlungsfähig. «Jetzt kann es mit der weiteren Integration Europas vorangehen.»

Steinmeier sprach ebenfalls von einer «sehr guten Nachricht für Irland, aber auch für Europa». Das irische Votum habe eine starke Signalwirkung für die noch ausstehenden Ratifizierungen in Polen und Tschechien. «In 25 Mitgliedstaaten ist der Weg für den Vertrag nun frei. Ich gehe davon aus, dass dieses Signal in beiden Ländern gehört wird und setze darauf, dass beide EU-Partner mit Blick auf ihre europapolitische Verantwortung jetzt für einen schnellen Abschluss der Ratifizierungen sorgen», erklärte der SPD-Fraktionsvorsitzende.

Die Linke bleibt skeptisch

Für die Grünen erklärte ihr Vorsitzender Cem Özdemir, mit dem EU-Reformvertrag werde «ein handlungsfähigeres und demokratischeres Europa entstehen, das endlich eine Chance hat, seiner notwendigen Rolle in der Weltinnenpolitik nachzukommen». Das Referendum in Irland sei auch ein wichtiges Signal an Polen und Tschechien, dem Lissabon-Vertrag nun zuzustimmen. Die dortigen Staatsoberhäupter haben die Ratifizierungsurkunde noch nicht unterzeichnet.

Der stellvertretende Vorsitzende und außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Werner Hoyer, erklärte, das irische «Ja» sei «ein Grund zum Feiern für Irland und für ganz Europa». Die Iren seien «ihrer großen Verantwortung für die gemeinsame europäische Sache gerecht geworden».

Nach Ansicht der Linken ist das irische Ja «keine Antwort auf die Krise». Parteichef Lothar Bisky bekräftigte die Kritik am Lissabon-Vertrag. Mit ihm werde das Ziel der «Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb» weiterverfolgt. «Die darauf aufbauende Politik der Liberalisierung von Finanzmärkten, Steuerwettbewerb, Abkopplung der Finanz- von der Wirtschaftspolitik und Rückbau des Sozialstaates hat zur Wirtschafts- und Finanzkrise und zur Ausweitung von Armut und Ungleichheit geführt», kritisierte er.

Barroso freut sich

Der schwedische Regierungschef und EU-Ratspräsident Fredrik Reinfeldt sprach von einem «guten Tag für Europa». EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zeigte sich erleichtert und dankte den Iren für «dieses Zeichen des Vertauens». EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek nannte das Ja der Iren eine «gute Nachricht für Irland und für Europa». Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte, Deutschland sei «sehr glücklich über den Ausgang des Referendums.

Auch deutsche Europaabgeordnete zeigten sich erleichtert: Der CDU-Parlamentarier Elmar Brok erklärte, der Weg für den Lissabon-Vertrag sei nun nach zweijährigem Tauziehen frei. «Irland hat sich für Europa entschieden», sagte der liberale Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff. Die europäischen Grünen-Vorsitzenden Rebecca Harms und Daniel Cohn-Bendit riefen den EU-skeptischen tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus auf, nun seine Blockadehaltung gegen den Lissabon-Vertrag aufzugeben.

Der Vertrag von Lissabon soll die EU mit 27 Mitgliedstaaten handlungsfähiger und demokratischer machen und muss in jedem Land ratifiziert werden. Nur in Irland war dafür ein Referendum nötig. Bei einer ersten Volksabstimmung 2008 hatten die Iren den Vertrag abgelehnt und damit die EU in eine Krise gestürzt.

Widerstand in Tschechien und Polen

Um diesmal eine Zustimmung zu erhalten, handelte die Regierung in Dublin mit Brüssel Zugeständnisse aus: So darf die militärische Neutralität des Landes ebensowenig angetastet werden wie das Steuerrecht und das irische Abtreibungsverbot. Zudem soll Irland seinen EU-Kommissar behalten.

Trotz der Zustimmung der Iren muss der Lissabon-Vertrag noch Hürden in Polen und Tschechien nehmen. Polens Präsident Lech Kaczynski hat zwar angekündigt, seine Unterschrift unter den Vertrag nach einem Ja der Iren nicht länger zu verweigern. In Tschechien forderte das Verfassungsgericht Präsident Klaus jedoch auf, vor seiner Unterschrift die Entscheidung des Gerichts abzuwarten.

Gefahr von den britischen Konservativen

Zwar gilt es als unwahrscheinlich, dass die Prager Verfassungsrichter den Vertrag beanstanden. Möglich ist jedoch, dass das Gericht nach deutschem Modell ein Begleitgesetz fordert, das die Rechte des nationalen Parlaments gegenüber der EU garantiert. Das dürfte Monate in Anspruch nehmen.

Falls der Lissabon-Vertrag nicht mehr vor den Wahlen in Großbritannien im Mai oder Juni in Kraft tritt, droht womöglich eine weitere Gefahr. Der britische Oppositionsführer David Cameron will bei einem Wahlsieg der Tories eine Volksabstimmung in Großbritannien über die EU-Reform abhalten. Wenn Klaus den Abschluss der Ratifizierung in Tschechien lange genug hinauszögert, könnte ein Nein der Briten den Vertrag zu Fall bringen. (afp/ap)