Berlin/Dortmund. . Wollte Wulff die Berichterstattung der Bild-Zeitung per Drohanruf unterbinden oder bat er nur um Aufschub? Es steht Aussage gegen Aussage. Nur eine Veröffentlichung der umstrittenen Mailbox-Nachricht kann diese Frage klären. Doch darf die Bild das überhaupt?
Es sollte ein Befreiungsschlag werden, doch das Fernsehinterview von Bundespräsident Christian Wulff hat stattdessen weitere Fragen aufgeworfen. Vor allem ein Punkt bleibt im Raum: Wer sagt die Wahrheit, die "Bild-Zeitung" oder der Bundespräsident? Dabei geht es um den Anruf von Wulff bei Bild-Chefredakteur Kai Diekmann einen Tag vor der Veröffentlichung des ersten Berichtes über seinen Privatkredit. In einer Mailbox-Nachricht soll Wulff dem Bild-Chefredakteur im Falle einer Veröffentlichung mit Konsequenzen gedroht haben. Doch in Wulffs TV-Interview am Mittwoch hörte sich das alles anders an. Darin beteuerte Wulff, er habe mit seinem Anruf die Veröffentlichung nur um einen Tag verschieben wollen.
Die Reaktion der Bild-Zeitung kam umgehend am Donnerstagmorgen. Der Leiter des Bild-Hauptstadtbüros, Nikolaus Blome, widersprach im Deutschlandfunk: "Den Satz von Herrn Bundespräsident Wulff, 'ich wollte die Berichterstattung nicht verhindern', das haben wir damals deutlich anders wahrgenommen." Blome erklärte weiter: "Es war ein Anruf, der ganz klar das Ziel hatte, diese Berichterstattung zu unterbinden."
Medienrechtler sieht großes öffentliches Interesse
Am Mittag legte die Bild nach: Das Blatt kündigte in einem Brief Diekmanns an Wulff an, es wolle den Wortlaut der Mailbox-Nachricht veröffentlichen. Wörtlich heißt es darin: "Um Missverständnisse auszuräumen, was tatsächlich Motiv und Inhalt Ihres Anrufes angeht, halten wir es für notwendig, den Wortlaut Ihrer Nachricht zu veröffentlichen." Gleichzeitig setzt Diekmann Wulff unter Zugzwang, indem er weiter schreibt: "Wir möchten dies nicht ohne Ihre Zustimmung tun und bitten Sie deshalb im Sinne der von Ihnen angesprochenen Transparenz um Ihr Einverständnis zur Veröffentlichung."
Doch darf die Bild-Zeitung das überhaupt? Oder müsste die Nachricht zwischen Diekmann und Wulff eigentlich vertraulich bleiben?
Für den Dortmunder Medienrechtler Udo Branahl ist der Fall eindeutig: Wie Branahl gegenüber DerWesten sagte, rief Wulff als Politiker nicht als Privatmann bei Diekmann an. Deshalb handele es sich um keine Privatangelegenheit zwischen beiden. " Es besteht ein erhebliches öffentliches Informationsinteresse, wer in diesem Streit Recht hat. Deshalb rechne ich mit keinen medienrechtlichen Konsequenzen für den Springer-Verlag", falls die Bild den Wortlaut veröffentlichen sollte.