Berlin. . Bundespräsident Christian Wulff kommt nicht zur Ruhe. Im Fernseh-Interview versuchte er, den Schwarzen Peter an die Bild-Zeitung zu spielen, doch die wehrte sich geschickt. Nach seiner Weigerung, die umstrittene Mailbox-Nachricht zu veröffentlichen, steht Wulff weiter ziemlich allein da. Auch in der Koalition sinkt der Rückhalt.

Ein Befreiungsschlag sieht anders aus. Am Tag nach dem TV-Auftritt von Bundespräsident Christian Wulff schlagen die schlechten Nachrichten reihenweise in Schloss Bellevue ein: Der Streit um den genauen Inhalt von Wulffs Anruf auf der Mailbox des Bild-Chefredakteurs kratzt an der Glaubwürdigkeit des Präsidenten. Neue Umfragen belegen den rapiden Vertrauensverlust bei den Bürgern. Und auch die Unterstützung in der Koalition ist verhalten.

Es gibt noch einige Fragen, nicht nur zum Inhalt der Mailbox-Nachricht. Die von Wulff als vorbildlich angekündigte Transparenz etwa fällt dürftig aus: „Morgen früh werden meine Anwälte alles ins Internet einstellen“, hatte der Präsident erklärt. „Dann kann jede Bürgerin, jeder Bürger jedes Detail zu den Abläufen sehen und bewertet sie auch rechtlich“. Doch stellen die Anwälte lediglich eine sechsseitige Stellungnahme ins Internet, die angeblich 450 Medienanfragen zusammenfasst. Referiert werden fast durchweg die bereits bekannten Daten, Unterlagen dazu bleiben verschlossen, viele Fragen offen. Das Fazit der Wulff-Anwälte lautet dennoch: Alles in Ordnung. So hatte es auch Wulff im Interview erklärt und versichert: „Eindeutig kein Verstoß gegen das Ministergesetz.“

Zentrale Frage: Hat Wulff unerlaubte Geschenke angenommen?

Doch so einfach ist es nicht. Diese zentrale Frage ist aus Sicht seiner Kritiker weiter offen. Das niedersächsische Ministergesetz schreibt vor, dass Mitglieder der Landesregierung „keine Belohnungen und Geschenke in Bezug auf ihr Amt annehmen“ dürfen. Im niedersächsischen Beamtengesetz wird dazu ausdrücklich auch die Annahme eines zinsgünstigen Darlehens verboten. Hat Wulff zinsgünstige Kredite – erst vom Unternehmerpaar Geerkens, dann von der Stuttgarter BW-Bank – in Bezug auf sein Amt erhalten?

Wulffs Anwälte sagen nein, ein Amtsbezug sei weder bei den Urlauben noch bei den Darlehen zu erkennen. „Die privaten Freundschaften haben seine Amtsführung nicht beeinflusst.“ Doch die Opposition im Landtag fordert weiter Aufklärung – zu den Darlehen, zu den Urlaubsreisen, zu Beziehungen des Ex-Ministerpräsidenten zu Unternehmen.

Staatskanzlei in Hannover muss viele Anfragen beantworten

Die Staatskanzlei in Hannover muss bis Mitte des Monats viele Oppositions-Anfragen zu den Vorwürfen beantworten, wenn sie mauert, droht ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss oder eine Klage beim Staatsgerichtshof. Man wolle das „System Wulff der finanziellen Unterstützung“ durchleuchten, so SPD-Fraktionschef Stefan Schostok. Das Interview habe keine der Fragen, die den Landtag berührten, beantwortet.

Es gibt Juristen wie den Verfassungsrechtler Herbert von Arnim, die den Verstoß gegen das Ministergesetz schon jetzt als belegt ansehen – etwa, weil Wulff den Unternehmer Egon Geerkens mehrmals auf Dienstreisen etwa in die USA und nach China mitnahm. Die Mitnahme von Geerkens in der Delegation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem 500 000-Euro Kredit müsse als Dank Wulffs und mithin als „Korruption“ erscheinen, glaubt von Arnim. Und es gibt Spekulationen, die Stuttgarter BW-Bank könne Wulff günstige Nachfolge-Kredite gewährt haben, weil er im VW-Aufsichtsrat mit für einen Vertrag zwischen VW und Porsche sorgte, von dem auch die Bank profitierte.

Der Grünen-Fraktionschef im Landtag, Stefan Wenzel, sagt, es bestehe der Verdacht, dass sich Wulff der Vorteilsnahme strafbar gemacht habe. Auch dies bestreiten die Anwälte, und Wulff erklärte im Fernsehen, er habe von der BW-Bank „ganz normale übliche Konditionen“ erhalten. Die Bank lässt allerdings das erste Darlehen intern untersuchen. Droht da noch was? Die Geduld mit dem Präsidenten geht auch in der Koalition zu Ende: „Da darf jetzt nichts mehr kommen“, hieß es in der Unionsfraktion, „sonst ist Wulff nicht mehr zu halten.“