Berlin. Bundespräsident Christian Wulff soll Journalisten wegen der Berichterstattung in der Affäre um die Finanzierung seines Hauses gedroht haben. Die “Bild“-Zeitung hat dies jetzt offiziell bestätigt. Das Bundespräsidialamt schweigt zu den Vorwürfen. Laut einem Medienbericht soll Wulff sogar beim Chef des Springer-Konzerns angerufen haben.

Die Chefredaktion der "Bild"-Zeitung hat auf Ihrer Homepage bestätigt, dass Christian Wulff versucht hat, auf die Berichterstattung über die Kredit-Affäre Einfluss zu nehmen. Damit bestätigt das Blatt entsprechende Berichte der "Süddeutschen Zeitung" und der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Der Bundespräsident habe zunächst eine Stellungnahme abgegeben, diese jedoch kurz vor Redaktionsschluss zurückgezogen. Im Anschluss habe Wulff versucht, Bild-Chefredakteur Kai Diekmann direkt zu erreichen, der sich zu der Zeit auf einer Dienstreise befand. Als das nicht gelang, habe der Bundespräsident eine längere Nachricht auf der Handy-Mailbox des Chefredakteurs gesprochen.

"Der Bundespräsident zeigte sich darin empört über die Recherchen zu dem Hauskredit und drohte u.a. mit strafrechtlichen Konsequenzen für den verantwortlichen Bild-Redakteur", erklärt Bild.

Wulff hat sich bei Bild für Anruf entschuldigt

Zwei Tage nach der ersten Bild-Veröffentlichung zu dem Hauskredit am 13. Dezember 2011 habe der Bundespräsident erneut den Kontakt zu Diekmann gesucht. In diesem Telefonat habe er persönlich um Entschuldigung für Ton und Inhalt seiner Äußerungen auf der Handy-Mailbox gebeten. Deshalb habe die Bild-Zeitung nach breiter redaktioneller Debatte davon abgesehen, eigens über den Vorfall zu berichten.

Zuvor hatten "Süddeutsche Zeitung" und die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" übereinstimmend berichtet, Wulff habe am Tag, bevor die "Bild"-Zeitung die Informationen über den umstrittenen Kredit veröffentlichte, dem Springer-Verlag mit einem "endgültigen Bruch" gedroht, sollte diese "unglaubliche" Geschichte tatsächlich erscheinen.

Wulff soll auch mit Springer-Chef Döpfner telefoniert haben

Nach Informationen von "Spiegel Online" telefonierte Wulff auch mit dem Vorstandsvorsitzenden der Springer AG, Mathias Döpfner. Demnach soll er diesen gebeten haben, bei Diekmann Einfluss zu nehmen. Doch der Konzernchef, in dessen Haus die "Bild" erscheint, soll ihm in knapper Form beschieden haben, sich nicht in die Belange der Redaktion einmischen zu wollen.

Bei dem ersten Telefonat mit Diekmann sollen laut "SZ" und "FAZ" auch die Worte Krieg und Rubikon gefallen sein. Der römische Feldherr und Politiker Gajus Julius Cäsar überquerte im Jahr 49 vor Christus mit seinen Soldaten den Fluss Rubikon, was rechtlich einer Kriegserklärung an den römischen Senat gleichkam. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" soll Wulff zudem mit einem Strafantrag gegen die in der Affäre recherchierenden Journalisten gedroht haben.

Bisher keine Stellungnahme

Einen Tag nach dem Anruf des Präsidenten erschien der erste Bericht der zum Springer-Verlag gehörenden "Bild"-Zeitung, demzufolge Wulff als niedersächsischer Ministerpräsident einen 500.000-Euro-Privatkredit von dem Unternehmerehepaar Geerkens erhalten hat.

Das Bundespräsidialamt schweigt zu all dem. "Die Presse- und Rundfunkfreiheit ist für den Bundespräsidenten ein hohes Gut", hieß es lediglich in einer Mitteilung. Wulff habe deshalb zu den Krediten für sein Eigenheim und zu Urlaubsaufenthalten "Transparenz hergestellt, Erklärungen abgegeben" und mehrere Hundert Medienanfragen beantwortet. "Über Vieraugengespräche und Telefonate gibt der Bundespräsident aber grundsätzlich keine Auskunft."

Der Deutsche Journalistenverband (DJV) hat die versuchte Einflussnahme Wulffs auf die Berichterstattung der "Bild"-Zeitung kritisiert. "Wenn sich die Vorwürfe als richtig erweisen, ist das nicht akzeptabel", sagte DJV-Sprecher Hendrik Zörner am Montag der Nachrichtenagentur dapd in Berlin. Der Bundespräsident müsse sich "als Staatsoberhaupt wie kein anderer Politiker um die Freiheit der Presse bemühen". Die versuchte Einflussnahme habe deshalb eine "besondere Dimension".

SPD-Parteivize: Wulffs Verhalten schadet der politischen Klasse

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Aydan Özoguz kritisiert die Aufklärungsbemühungen von Bundespräsident Wulff in der Affäre um die Finanzierung seines Hauses. "Dass Herr Wulff nicht sofort reinen Tisch gemacht hat, schadet der ganzen politischen Klasse", sagte Özoguz dem "Hamburger Abendblatt". "Ich wünsche mir noch weitere Aufklärung." Es sei misslich, dass alle Details nur stückchenweise aufgeklärt würden.

"Ich möchte, dass er als glaubwürdiger Bundespräsident im Amt bleiben kann", sagte Özoguz. "Ich finde es traurig, dass es durch Wulff wieder zu Pauschalurteilen über die Politiker gekommen ist."

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Erwin Lotter hält Wulff nun endgültig für untragbar. "Der Präsident muss Schloss Bellevue räumen und als Privatmann ohne lebenslange Staatsapanage in sein Einfamilienhaus zurückkehren", sagte Lotter am Montag in Berlin. "Ich schäme mich, ihm meine Stimme gegeben zu haben." Mit seinem "kruden Verfassungsverständnis von Pressefreiheit" habe sich Wulff endgültig für das Amt diskreditiert. (we/afp/dapd/rtr)