Köln. Aus dem noch geheimen Untersuchungsbericht der Nato zum strittigen deutschen Luftangriff in Kundus sickern mehr Details durch. So soll zum Zeitpunkt des Bombardements keine akute Gefährdung für die Soldaten bestanden haben. Heftige Kritik wird auch am früheren Verteidigungsminister geübt.
Der NATO-Bericht zur Aufklärung des von dem deutschen Oberst Georg Klein angeordneten Luftangriffs auf zwei entführte Tanklastwagen in Afghanistan erhebt offenbar schwere Vorwürfe gegen die Bundeswehr. Das berichtete die „Kölnische Rundschau“ unter Berufung auf den als geheim eingestuften Bericht. So hätten sich die US-Piloten der angeforderten Kampfflugzeuge fünf Mal versichert, ob sie die beiden entführten Tanklastzüge tatsächlich bombardieren sollen, obwohl wichtige Einsatzregeln für diesen Befehl nicht eingehalten würden.
Weiter wird in dem Bericht darauf hingewiesen, es hätten sich zum Zeitpunkt des Angriffs weder Bodentruppen bei den Tanklastzügen aufgehalten, noch sei vor der Bombardierung das Hauptquartier der internationalen ISAF-Truppe eingeschaltet worden. Auch sei eine „Gefahr im Verzug“, mit der Klein seine Anforderung begründet hatte, nicht gegeben gewesen, da die benzinbeladenen Lkw auf einer Sandbank am Ufer des Kundus-Flusses festsaßen. Darüber hinaus fiel der ISAF-Führung laut Bericht auf, dass ein afghanischer Nachrichtenermittler außergewöhnlich häufig, nahezu im Minutenabstand, betont habe, dass sich ausschließlich Terroristen an den Tanklastzügen aufhielten.
Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan hatte in einer ersten Reaktion auf den unter Verschluss gehaltenen Bericht erklärt, das Verhalten von Oberst Klein sei angemessen gewesen. Unter den Opfern des Luftangriffs vom 4. September sollen neben Taliban-Kämpfern auch Zivilisten gewesen sein.
Besonders scharfe Kritik übt die NATO laut „Kölnischer Rundschau“ an der Kommunikation des Bundesverteidigungsministeriums. Es sei unverständlich, dass der damalige Minister Franz Josef Jung (CDU) und die Bundeswehr-Führung wider besseres Wissen noch zwei Tage nach dem Luftschlag erklärt hätten, dass es keine zivilen Opfer gegeben habe. Bei dem Angriff Mitte September nahe des nordafghanischen Kundus waren zahlreiche Menschen getötet worden, darunter auch Zivilisten. Der NATO-Bericht wurde vom Bundesverteidigungsministerium bislang nur Mitgliedern des Verteidigungsausschusses sowie den Fraktionschefs im Bundestag zugänglich gemacht. (afp)