Berlin. Aus Sicht der Bundeswehr-Führung hat Oberst Georg Klein beim Luftangriff auf zwei Tanklastzüge nahe Kundus in Afghanistan militärisch angemessen gehandelt. Diesen Schluss zieht General Wolfgang Schneiderhan, Generalinspekteur der Bundeswehr, aus dem NATO-Untersuchungsbericht.

Der verheerende Luftangriff auf zwei Tanklastzüge nahe Kundus in Afghanistan ist aus Sicht der Bundeswehr-Führung militärisch angemessen gewesen. Diesen Schluss zog der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Wolfgang Schneiderhan, am Donnerstag nach Vorlage des ISAF-Untersuchungsberichts. Der damalige Kommandant Oberst Georg Klein habe die Lage am 4. September richtig beurteilt und sogar davon ausgehen können, dass keine Unbeteiligten durch den Luftschlag zu Schaden kommen würden, sagte er.

Schneiderhan berichtete aus dem als geheim eingestuften NATO-Dokument, dass die Gesamtzahl der Toten und Verletzten immer noch nicht genau beziffert werden könne. Die Angaben schwankten zwischen 17 und 142 Toten und Verletzten. Der NATO-Bericht enthält laut Schneiderhan Aussagen lokaler Führer vor Ort, nach denen es möglicherweise 30 bis 40 getötete und verletzte Zivilisten gab.

Zivile Opfer nicht bestätigt

Der Bericht bestätige damit aber nicht, «dass durch den Luftschlag unbeteiligte Personen getötet wurden», stellte der General fest. Oberst Klein habe angemessen reagiert, bilanzierte Schneiderhan: «Ich kann es sehr gut nachvollziehen, dass es sich in der Nacht zum 4. September für Oberst Klein so darstellte, dass keine Unbeteiligten vor Ort waren.»

Der Luftangriff der US-Armee wurde von dem Kommandanten des deutschen Bundeswehrkontingents in Kundus, Oberst Klein, ausgelöst. Aufständische hatten die beiden Tanklastzüge an einem vorgetäuschten Kontrollpunkt ungefähr sieben Kilometer südwestlich des Bundeswehr-Stützpunktes gekapert. Daraufhin wurde das Bombardement befohlen.

Schneiderhan sagte, der Angriff dürfe nicht isoliert betrachtet werden, sondern vor dem Hintergrund der verschärften Sicherheitslage. In der Region seien mehrere hundert «feindliche Kämpfer» aktiv. Von Ende April bis Anfang September hatte es nach seinen Worten insgesamt 87 sicherheitsrelevante Zwischenfälle gegeben, dazu zählen Raketenbeschuss, Sprengsätze und Feuergefechte. «Dabei fielen im Verantwortungsbereich von Oberst Klein insgesamt acht ISAF-Soldaten, davon vier Deutsche. 21 wurden verwundet, darunter 20 Deutsche.»

«Deutschland führt in Afghanistan Krieg»

Der Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte zu dem Bericht, mit der «Vertuschungs- und Beschönigungspolitik» des früheren Verteidigungsministers Franz-Josef Jung müsse nun Schluss sein. «Der neue Verteidigungsminister zu Guttenberg muss gegenüber dem Bundestag und der Öffentlichkeit offen darlegen, wie es zu der menschlichen und politischen Katastrophe kommen konnte und alles unternehmen, um künftig ähnlich verheerende Fehlentscheidungen zu verhindern.»

Die abrüstungspolitische Expertin der Linken im Bundestag, Inge Höger, bedauerte, dass weder Bundesregierung noch Bundeswehr den Bericht zum Anlass nähmen, sich bei den Angehörigen der getöteten Zivilisten zu entschuldigen oder gar ihr Vorgehen am Hindukusch zu überdenken. Sie bilanzierte: Deutschland führt in Afghanistan Krieg und das ist politisch gewollt. Zivile Opfer sind genau so eine Folge dieser politischen Entscheidungen wie auch die Toten unter den Soldaten.» (ap)